Besondere Steigerungsformen: tiefer gehende oder tiefgehendere Gedanken

Frage

Bei einem Satz wie:

Du solltest nicht davon ausgehen, dass er sich über jedes Detail tiefergehende Gedanken gemacht hat.

Müsste man hier „tiefer gehende“ schreiben? Nach meinem Sprachgefühl ist es so etwas wie eine feste Wendung, die nicht getrennt werden sollte. Aber vielleicht liege ich mit diesem Gefühl ja falsch.

Antwort

Guten Tag Frau G.,

hier ist die Getrenntschreibung zu empfehlen:

Du solltest nicht davon ausgehen, dass er sich über jedes Detail tiefer gehende Gedanken gemacht hat.

Bei der Erklärung muss ich ein bisschen ausholen: Es geht hier um die Verbindung von einem Adjektiv und einem Partizip. Dann kann man getrennt oder zusammenschreiben, wenn die zugrundeliegende Verbverbindung getrennt geschrieben wird. Hier haben wir es mit einer Verbindung zu tun, die in der Regel getrennt geschrieben wird:

Gedanken, die tief gehen

Nach dem oben Gesagten kann man also sowohl getrennt als auch zusammenschreiben:

tief gehende Gedanken
tiefgehende Gedanken

Ebenso zum Beispiel:

ein schwer wiegender Vorfall
ein schwerwiegender Vorfall

eine Zeit sparende Lösung
eine zeitsparende Lösung

In Ihrer Frage geht es aber eigentlich um die gesteigerte Form. Wie geht man dann vor?

Wenn der erste Teil der Verbindung gesteigert bzw. erweitert wird, schreibt man getrennt:

tiefer gehende Gedanken
ein schwerer wiegender Vorfall
eine mehr Zeit sparende Lösung

Wenn die Verbindung als Ganzes gesteigert wird, schreibt man zusammen:

tiefgehendere Gedanken
ein schwerwiegenderer Vorfall
eine zeitsparendere Lösung

Steigerungsformen der zweiten Art werden manchmal als falsch bezeichnet, sie kommen aber bei einigen Verbindungen auch standardsprachlich häufig vor und sind dann bei Zusammenschreibung gut vertretbar.

Siehe hierzu auch die Rechtschreibregelung § 36 (2.1) und (E3).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Reinbekommen und rein bekommen

Frage

Es geht um das Verb „reinbekommen“: Ich stolpere über die Tore, die ich reinbekommen habe und meine Frau über die Wäsche, die sie nicht reinbekommen hat. Oder müssen wir das jeweils getrennt schreiben?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

für die Rechtschreibung ist hier die Bedeutung von rein nicht unwichtig, denn rein ist nicht gleich rein.

Bälle, die nicht vor dem Tor abgefangen worden sind, hat die Mannschaft reinbekommen. Hier steht rein für herein. Die (umgangssprachlich) verkürzten Formen rein, raus, rauf, rüber und runter werden immer mit dem Verb zusammengeschrieben: rausgehen, raufsteigen, rüberschicken, runterfallen und entsprechend auch reinbekommen.

Wäsche, die nicht sauber geworden ist, hat die Waschmaschine nicht rein bekommen. Man schreibt hier getrennt, weil rein eine eigenständige konkrete Bedeutung hat und es nicht das Resultat einer Verbhandlung bekommen ist (vgl. unten):

Also:

reinbekommen = hereinbekommen
rein bekommen = sauber bekommen

Ganz so einfach ist es nicht: Ein Adjektiv kann dann mit dem nachfolgenden Verb zusammengeschrieben werden, wenn es das Resultat der Verbhandlung bezeichnet (hier: bewirken, dass etwas rein wird):

die Wäsche rein waschen / reinwaschen
das Zimmer rein machen / reinmachen

Und dann noch dies: Immer zusammen schreibt man, wenn die Verbindung eine übertragene Bedeutung hat:

einen Text reinschreiben = ins Reine schreiben
sich reinwaschen = seine Unschuld beweisen

Es kann also ziemlich komplex werden: Ein Ball wird reingemacht, wenn er ins Tor geschossen wird. Dann hat man ihn reinbekommen. Ein Ball wird rein gemacht oder reingemacht, wenn man in putzt. Und wenn er nicht sauber geworden ist, hat man ihn nicht rein bekommen. Da diese Verben (eher) umgangssprachlich sind, ist es aber nicht so schlimm, wenn man sich einmal bei der Schreibung täuscht. In formelleren Texten kommen sie ohnehin nicht vor.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Zusammen oder getrennt: Muss man den richtigen Gang drinhaben oder drin haben?

Frage

Ich habe eine Frage zur Zusammen- und Getrenntschreibung:

Beim Überholen sollte man immer den richtigen Gang drinhaben.

oder

Beim Überholen sollte man immer den richtigen Gang drin haben.

Gibt es eine linguistische Methode, mit der man solche Fälle selbstständig lösen kann?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

die Methode ist recht einfach, man muss „nur“ auf die Betonung achten:

Die umgangssprachlichen Formen dran, drauf, drin, drein, drüber, drunter werden mit dem Verb zusammengeschrieben, wenn sie in der Verbindung die Hauptbetonung tragen:

dranbleiben, dranmachen
draufhauen, drauflegen
drinliegen, dreinfahren
drüberstülpen, drunterlegen

Eine Ausnahme bilden wie immer die Verbindungen mit dem Verb sein:

dran sein
gut drauf sein
drin sein
drunter und drüber sein

Wenn die Hauptbetonung nicht auf dran, drauf, drin, drein, drüber, drunter liegt, schreibt man getrennt:

dran arbeiten
drauf aufpassen
drüber meckern
drunter leiden

Man schreibt in Ihrem Satz also gemäß der Betonung zusammen:

Beim Überholen sollte man den richtigen Gang drinhaben.

Für die umgangssprachlichen Formen dran, drauf, drin usw. gilt somit §33(1.2 u. E1) der Rechtschreibregelung, der auch für daran, darauf, darin, durch, gegen, abwärts, heraus, wieder, zusammen u.v.a.m. gilt (siehe hier).

Und hier noch ein paar Beispiele:

Vielleicht kannst du etwas Schweres drauflegen (= darauflegen)
Vielleicht kannst du noch 10 Euro drauflegen (= zusätzlich zahlen)

Können Sie bitte dranbleiben (= am Telefon bleiben)
Können Sie bitte an der Sache dranbleiben (= sich weiter darum kümmern)

eine Tüte drüberstülpen (= darüberstülpen)

einen Eimer drunterhalten (= darunterhalten)

Getrenntschreibung bei anderer Betonung:

Man muss drauf achten, nichts zu verschütten (= darauf achten)

Du solltest mehr dran arbeiten (= daran arbeiten)

weil sie sich zu sehr drüber ärgert (= darüber ärgert)

Niemand darf drunter leiden (= darunter leiden)

Wie die Angaben in Klammern zeigen, geht man bei den umgangssprachlichen Kurzformen gleich vor wie bei den nicht verkürzten Formen. Und wenn man es einmal nicht ganz richtig macht, ist das sicher bei den umgangssprachlichen Äußerungen nicht so schlimm. Man wird Ihnen nicht gleich eins draufhauen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp