Wortstellung am Nebensatzende: wie es hätte sein sollen / sein sollen hätte / sein hätte sollen

Frage

Schon seit einer Weile quäle ich mich mit dem Thema Verbstellung im Nebensatz. Ich habe schon mehrere Bücher gewälzt und denke, den Ersatzinfinitiv verstanden zu haben.

… dass sie hätte mitmachen können.
… dass er hatte kochen müssen.

So weit, so gut. Es scheint auch so zu sein, dass in Österreich „mitmachen hätte können“ (das verwenden alle, sogar die Profs an der Germanistik) oder seltener „mitmachen können hätte“ verwendet wird. Am „richtigsten“ ist aber „hätte mitmachen können“. Liege ich so weit richtig? Kann ich das als Regel formulieren?

Problematisch wird es für mich jetzt bei „werde“ und „würde“. Da liegt ja kein Ersatzinfinitiv vor.

… dass er genug sparen können würde.
… dass sie helfen müssen wird.

Ist es eine Übergeneralisierung, wenn ich analog zu „hätte mitmachen können“ instinktiv „würde sparen können“ sagen will?

… dass er würde sparen können / … dass er sparen können würde
… dass sie wird helfen müssen / … dass sie helfen müssen wird

Ich blicke da leider gar nicht durch. Geht beides? Wenn ja, was ist „richtiger“?

Antwort

Guten Tag Frau W.,

das Bestreben, die Wortstellung bei mehreren Verbformen am Ende eines Nebensatzes vollumfänglich zu verstehen, kann sehr schnell zu Verwirrung und dann zu Resignation führen. Vieles ist möglich, vieles ist nicht eindeutig geregelt und das, was „eindeutig“ geregelt ist, wird häufig nicht von allen eingehalten.

Bei Verbgruppen mit mehreren Infinitiven am Ende eines Nebensatzes gilt im Standarddeutschen allgemein Folgendes als korrekt: Die finite (nach Person und Zahl bestimmte) Verbform wird vorangestellt:

… dass sie hätte mitmachen können.
… dass er hatte kochen müssen.
… obwohl sie nicht haben mitkommen dürfen.
… wie es hätte sein sollen.

Seltener kommt überall auch die Nachstellung der finiten Verbform vor. Sie gilt im Standarddeutschen beim Ersatzinfinitv der Modaleverben als nicht richtig:

… dass sie mitmachen können hätte.
… dass er kochen müssen hatte.
… obwohl sie nicht mitkommen dürfen haben.
… wie es sein sollen hätte.

Eine dritte Variante, die Zwischenstellung der finiten Verbform, ist vor allem in Österreich anzutreffen:

… dass sie mitmachen hätte können.
… dass er kochen hatte müssen.
… wie es sein hätte sollen.

Ob oder inwieweit diese Wortstellung im österreichischen Standarddeutschen akzeptiert ist, weiß ich nicht. Dazu liegen mir leider keine Informationen vor. Ich vermute, dass sie zumindest toleriert ist, wenn sie so häufig vorkommt. Im restlichen deutschen Sprachgebiet ist die Zwischenstellung selten oder gar nicht gebräuchlich.

Mehr zur regionalen Verteilung der verschiedenen Varianten finden sie in der Variantengrammatik.

Etwas anders sieht es aus, wenn das Hilfsverb werden bzw. würden mit mehreren Infinitiven am Ende eines Nebensatzes steht. Dann sind standardsprachlich sowohl die Voranstellung als auch die Nachstellung üblich und akzeptiert:

… dass er würde sparen können / … dass er sparen können würde
… dass sie wird helfen müssen / … dass sie helfen müssen wird

Keine der beiden Varianten ist standardsprachlich „besser“.

Eine Übersicht über die wichtigsten Aspekte der Wortstellung bei mehreren Verbformen am Ende eines Nebensatzes finden Sie auf dieser Seite in der LEO-Grammatik (allerdings ohne Erwähnung regionaler Varianten).

Auch für mich gilt übrigens, dass ich es nie wirklich vollständig werde verstehen können oder verstehen können werde. Die Wortstellung bei mehreren Verbformen am Ende eines Nebensatzes hat nämlich noch mehr Tücken.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Reihenfolge der Adjektive: der rote, kleine Wagen oder der kleine, rote Wagen?

Frage

Eine Frage zu den Adjektiven als Attribut: Gibt es eine Reihenfolge, die man beachten muss, wenn man mehrere Adjektive als Attribut vor einem Nomen hat?

Antwort

Guten Tag Frau J.,

wenn mehrere Adjektive vor einem Nomen stehen und die Adjektive das Nomen in gleicher Weise bestimmen, ist die Reihenfolge im Prinzip egal. Es gibt zwar typischere und weniger typische Reihenfolgen (so stehen zum Beispiel Farbadjektive, Materialangaben, Herkunftsangaben u. Ä. meist näher beim Nomen als andere Adjektive), aber es gibt im Deutschen keine feste Reihenfolge der Adjektive vor einem Nomen, die man streng befolgen muss.

In diesem Sinne ist die Reihenfolge bei gleichrangigen Adjektiven (Nebenordnung) im Prinzip frei:

langes, lockiges Haar
lockiges, langes Haar

ein großer, verwilderter Garten
ein verwilderter, großer Garten

ein gut erhaltenes, altes Fahrrad
(= ein Fahrrad, das gut erhalten und alt ist)
ein altes, gut erhaltenes Fahrrad
(= ein Fahrrad, das alt und gut erhalten ist)

der kleine, rote Wagen
(= der Wagen ist klein und rot)
der rote, kleine Wagen
(= der Wagen ist rot und klein)

Wenn die Adjektive nicht gleichrangig sind (Unterordnung), bestimmt das näher stehende Adjektiv das Nomen näher. Das weiter weg stehende Adjektiv bestimmt die nach ihm stehende Adjektiv-Nomen-Gruppe näher. Je näher das Adjektiv beim Nomen steht, desto enger ist es mit ihm verbunden:

ein gut erhaltenes altes Fahrrad
(= ein altes Fahrrad, das gut erhalten ist)
ein altes gut erhaltenes Fahrrad
(= ein gut erhaltenes Fahrrad, das nicht neu, sondern alt ist)

ein kleiner roter Wagen
(= ein roter Wagen, der klein ist)
ein roter kleiner Wagen
(= ein kleiner Wagen, der rot und nicht z. B. blau ist)

Die Reihenfolge von Adjektiven vor einem Nomen ist also nicht immer ganz unwichtig und bedeutungslos, aber verbindliche Regeln gibt es nicht. Auch bei der Nebenordnung und Unterordnung von Adjektiven gibt es übrigens mehr Freiheit, als oft beschrieben wird (siehe hier).

Ich hoffe, dass Sie nicht enttäuscht sind, dass ich keine einfachen, verbindlichen Regeln oder verbindlichen, einfachen Regel angeben kann.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Wortfolge im desto-Satz

Frage

Ich versuche eine Regel für folgendes Phänomen zu finden. Hier sind zwei Varianten möglich:

Je erfolgreicher unser Betrieb ist, desto mehr brauchen wir Mitarbeiter.
Je erfolgreicher unser Betrieb ist, desto mehr Mitarbeiter brauchen wir.

Bei den folgenden Sätzen geht das nicht:

Je netter die Chefs sind, desto lieber gehen die Mitarbeiter zur Arbeit.
Falsch: Je netter die Chefs sind, desto lieber die Mitarbeiter gehen zur Arbeit.

Je ruhiger meine Wohnung liegt, desto seltener bekomme ich Kopfschmerzen.
Falsch: Je ruhiger meine Wohnung liegt, desto seltener Kopfschmerzen bekomme ich.

Warum ist das so? Welche Regel lässt sich benennen, um zu klären, wann ein Nomen direkt hinter dem Komparativ stehen kann und wann das nicht möglich ist?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

es geht hier um zwei verschiedene Phänomene: einerseits um die unveränderliche Form mehr (die Sie vielleicht auf eine falsche Spur gebracht hat) und andererseits um die Wortstellung in Satzverbindungen mit je – desto.

Die unveränderliche Form mehr kann attributiv vor einem Nomen stehen:

Wir brauchen viele Mitarbeiter / mehr Mitarbeiter
Wir brauchen viel Geld / mehr Geld

Sie kann aber auch adverbial verwendet werden und hat dann die Bedeutung in größerem Maße, stärker:

Wir sind sehr / mehr auf Mitarbeiter angewiesen.
Wir achten stark / mehr darauf, Geld zu verdienen.

In Ihrem ersten Beispielsatz wird mehr adverbial verwendet, im zweiten Beispielsatz als attributives Adjektiv:

Je erfolgreicher unser Betrieb ist, desto mehr brauchen wir Mitarbeiter (= desto stärker/dringender brauchen wir Mitarbeiter)

Je erfolgreicher unser Betrieb ist, desto mehr Mitarbeiter brauchen wir (= eine desto größerer Anzahl Mitarbeiter brauchen wir)

Dann zur Wortfolge in Satzverbindungen mit je – desto: Unmittelbar nach je und nach desto (oder umso) folgt ein Komparativ. Der mit je eingeleitete Teilsatz ist ein Nebensatz, das heißt, die gebeugte Verbform steht am Schluss des Satzes. Der Teilsatz mit desto ist ein Hauptsatz, das heißt, die gebeugte Verbform steht an zweiter Stelle.

Für den desto-Satz, der Sie hier interessiert, bedeutet dies, dass immer der Satzteil mit der Komparativform an erster Stelle steht. Danach folgt die gebeugte Verbform und dann kommen alle anderen Satzteile. Am Anfang eines desto-Satzes kann ein Nomen also nur dann direkt hinter dem Komparativ stehen, wenn es zusammen mit diesem einen Satzteil bildet:

Wen oder was brauchen wir? – mehr Mitarbeiter (Akkusativobjekt)
… desto mehr Mitarbeiter brauchen wir

In welchem Maße brauchen wir Mitarbeiter? – mehr (Adverbialbestimmung)
… desto mehr brauchen wir Mitarbeiter

Die Tatsache, dass im desto-Hauptsatz nur ein Satzteil an der ersten Stelle vor dem Verb stehen kann, erklärt auch, warum die anderen Sätze in Ihrer Frage nicht möglich sind. Im folgenden Satz ist lieber eine Adverbialbestimmung und die Mitarbeiter Subjekt. Deshalb können die beiden nicht gemeinsam vor gehen stehen:

Je netter die Chefs sind, desto lieber gehen die Mitarbeiter zur Arbeit.
nicht: Je netter die Chefs sind, *desto lieber die Mitarbeiter gehen zur Arbeit.

Im folgenden Satz haben wir es mit einer Adverbialbestimmung (wie oft? – seltener) und einem Akkusativobjekt (wen oder was? – Kopfschmerzen) zu tun, die nicht gemeinsam vor dem Verb stehen können:

Je ruhiger meine Wohnung liegt, desto seltener bekomme ich Kopfschmerzen.
nicht: Je ruhiger meine Wohnung liegt, *desto seltener Kopfschmerzen bekomme ich.

Nur wenn das Adjektiv und das Nomen zusammen zum Beispiel Subjekt oder Akkusativobjekt sind, können sie gemeinsam vor dem gebeugten Verb stehen:

Je erfolgreicher unser Betrieb ist, desto größere Einnahmen haben wir.
Je lauter es wird, desto heftigere Kopfschmerzen quälen mich.
Je netter die Chefs sind, desto arbeitsfreudigere Mitarbeiter kann man erwarten.

Die abschließende Antwort auf Ihre Frage könnte also wie folgt lauten: Ein Komparativ kann am Anfang eines desto-Satzes nur dann direkt vor einem Nomen stehen, wenn der Komparativ als vorangestelltes Adjektiv das Nomen näher bestimmt, also zusammen mit ihm einen Satzteil bildet. Ist der Komparativ eine Adverbialbestimmung, ein Prädikativ oder ein Adverb, gehört das Nomen nicht zu ihm und kann es nicht direkt folgen.

Je genauer man es erklären will, desto komplizierter [Prädikativ] können die Erklärungsversuche werden.

Je genauer man es erklären will, desto kompliziertere Erklärungsversuche [Akkusativobjekt] kann man erwarten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wortstellung, wenn „entweder – oder“ Hauptsätze verbindet

Frage

Es geht um die Wortstellung bei der Doppelkonjunktion „entweder … oder …“. Manchmal steht das Verb nach „entweder“ und manchmal steht dort ein Substantiv oder ein Personalpronomen. Zum Beispiel:

Entweder gehe ich nach England arbeiten oder ich studiere in Deutschland.
Entweder ich gehe auf Weltreise oder ich mache eine Rundreise.

Antwort

Guten Tag Herr B.,

mit „entweder – oder“ werden Wörter, Satzteile und Sätze miteinander verbunden. Der Teil „entweder“ verhält sich aber nicht immer wie eine Konjunktion. Wenn „entweder – oder“ zwei Hauptsätze miteinander verbindet, kann „entweder“ wie eine Konjunktion oder wie ein Adverb verwendet werden.

Als Konjunktion ist „entweder“ kein Teil des ersten Hauptsatzes. Es steht vor dem Hauptsatz, der mit unveränderter Wortstellung folgt:

Entweder ich gehe nach England arbeiten oder ich studiere in Deutschland.
Entweder deine Schwester begleitet dich zur Bank oder sie gibt dir eine Vollmacht.

Als Adverb ist „entweder“ ein Teil des Hauptsatzes und kann an erster Stelle stehen. An zweiter Stelle folgt das gebeugte Verb:

Entweder gehe ich nach England arbeiten oder ich studiere in Deutschland.
Entweder begleitet dich deine Schwester zur Bank oder sie gibt dir eine Vollmacht.

Als Adverb kann „entweder“ auch im Satzinneren stehen:

Ich gehe entweder nach England arbeiten oder ich studiere in Deutschland.
Deine Schwester begleitet dich entweder zu Bank oder sie gibt dir eine Vollmacht.

Mit dieser Wortstellungsvielfalt steht „entweder – oder“ nicht alleine da. Auch zu „nicht nur – sondern auch“, „sowohl – als/wie auch“ und „weder – noch“ gibt es Ähnliches zu sagen, wenn sie Hauptsätze miteinander verbinden. Mehr dazu hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Genug lang und lang genug

Frage

Es heißt: „die Schnur ist lang genug“. Kann man auch sagen: „die Schnur ist genug lang“?

Antwort

Guten Tag Frau B.,

ein sonst sehr geschätzter ehemaliger Kollege beantwortete Fragen dieser Art häufig mit der Bemerkung: „Sagen kann man es, aber ob es richtig ist?“ Man kann tatsächlich „genug lang“, „genug groß“ oder „nicht genug heiß“ sagen und es wird umgangssprachlich auch mehr oder weniger häufig gesagt (vor allem in der Schweiz). Als ich die Frage las, kam mir „genug lang“ zwar seltsam vor, aber auch wieder nicht hundertprozentig falsch. Wie kann man Ihre Frage also beantworten?

Üblicherweise steht „genug“ nicht vor, sondern hinter dem Adjektiv oder Adverb, auf das es sich bezieht. Es heißt also:

Die Schnur ist lang genug.
Du bist jetzt groß genug, um es besser zu wissen.
Das Wasser ist noch nicht heiß genug.
Wir haben lange genug gewartet.
Man kann es nicht oft genug sagen.

Formulierungen wie „genug lang“ oder „nicht genug heiß“ kommen, wie gesagt, auch vor, sie gelten aber als umgangs- oder regionalsprachlich und können besser vermieden werden. Das gilt auch für Formulierungen wie diese, in denen das Adjektiv vor dem Substantiv steht:

besser nicht: eine genug lange Schnur
besser nicht: eine genug große Auswahl

Wenn besser nicht so, wie dann sonst? Die Lösung ist nicht, „genug“ nachzustellen:

nicht: eine lang genuge Schnur
nicht: eine groß genuge Auswahl

Hier bleibt nur, auf ein anderes Wort auszuweichen:

eine genügend lange Schnur
eine ausreichen große Auswahl o. eine ausreichende Auswahl

Interessanterweise zeigt kein anderes graduierendes Wort dasselbe Verhalten wie „genug“:

Die Schnur ist zu lang / eine zu lange Schnur
Die Schnur ist sehr lang / eine sehr lange Schnur
Die Schnur ist ziemlich lang / eine ziemlich lange Schnur
aber:
Die Schnur ist lang genug / eine genügend lange Schnur

Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass „genug“ manchmal nach vorn rutscht. Am besten lässt man es aber dem Adjektiv oder Adverb folgen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Variantenvielfalt: Hat er aufgehört sich zu drehen, sich zu drehen aufgehört oder sich aufgehört zu drehen?

Frage

Ich hätte eine Frage bzgl. Infinitivsätze mit Reflexivpronomen. Ich glaube, ein Satz wie

(1) “Er hat aufgehört, sich zu drehen.”

wird auch oft als

(2) “Er hat sich aufgehört zu drehen.”

gesprochen. Ist der Satz (2) grammatikalisch korrekt?

Ich habe einen Satz gesehen wie:

(3) “Der Hase hat sich versucht zu verstecken.”

und es hieß, korrekter wäre

(4) “Der Hase hat versucht, sich zu verstecken.”

Ist der Satz (3) nur falsch, weil es fehlgedeutet werden kann (als “sich versuchen” = erfolglos suchen), oder ist er grammatikalisch falsch?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

wieder einmal gibt es nicht nur “richtig” und “falsch”. Es geht um die Stellung der Infinitivgruppe und des ihr übergeordneten Verbs. Wir leisten uns dabei eine recht große Formulierungsfreiheit, die zu ziemlich verschlungenen Resultaten führen kann. Dies übrigens nicht nur, wenn ein Reflexivpronomen beteiligt ist.

Als standardsprachlich korrekt gelten Formulierungen, in denen die Infinitivgruppe außerhalb der Satzklammer hinter dem übergeordneten Verb (= im Nachfeld) steht. Die Infinitivgruppe und der übergeordnete Satz sind dann schön sauber voneinander getrennt – sogar durch ein Komma, wenn man möchte:

a) Er hat aufgehört[,] sich zu drehen.
b) Der Hase hat versucht[,] sich im Kohlfeld zu verstecken.
c) Sie hatte mir versprochen[,] das Fahrrad zu reparieren.

Standardsprachlich ebenfalls akzeptiert sind Formulierungen, bei denen die ganze Infinitivgruppe innerhalb der Satzklammer (= im Mittelfeld) steht, die durch das übergeordnete Verb gebildet wird:

d) Er hat sich zu drehen aufgehört.
e) Der Hase hat sich im Kohlfeld zu verstecken versucht.
f) Sie hatte mir das Fahrrad zu reparieren versprochen.

Nicht von allen als korrekt akzeptiert werden Formulierungen, in denen ein Teil der Infinitivgruppe innerhalb der Satzklammer steht, der Infinitiv selbst aber am Schluss:

g) Er hat sich aufgehört zu drehen.
h) Der Hase hat sich im Kohlfeld versucht zu verstecken.
i) Sie hatte mir das Fahrrad versprochen zu reparieren.

Auch ich halte die verschränkten Formulierungen g), h) und i) für zweifelhaft, zumindest umgangssprachlich kommen sie aber vor.

Es sage noch jemand, die Umgangssprache sei nur eine vereinfachte Version der Standardsprache. Bei derart verschlungenen Formulierungen ist es eigentlich erstaunlich, dass wir nicht „unterwegs“ den Faden verlieren. In den Beispielen oben stehen übrigens nicht alle mehr oder weniger akzeptierten Formulierungsarten, die vorkommen können!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Infinitivgruppe nach Doppelpunkt mit oder ohne „zu“? – Hauptsache: nicht lange darüber [zu] grübeln

Frage

Die folgende Frage habe ich in unserer Übersetzungsgruppe gestellt: Würdet ihr hier „respektieren“ oder „zu respektieren“ bevorzugen?

Die wichtigste Geste: Anderen zeigen, dass wir sie respektieren.

Die Meinungen waren geteilt. Nur drei Mitglieder der Gruppe stimmten für eine Änderung mit „zu zeigen“. Zu denen zähle ich auch. […] Gibt es da eine Regel, die ich nicht finde?

Antwort

Guten Tag Frau W.,

es geht hier wieder einmal um einen Fall, bei dem Sie die Qual oder, meiner Meinung nach, den Luxus der Wahl haben. Die Formulierung ist nämlich mit und ohne zu korrekt. Mit Doppelpunkt würde ich persönlich die Variante ohne zu wählen:

Die wichtigste Geste: anderen zeigen, dass wir sie schätzen

Die Formulierung mit zu, die Sie bevorzugen, ist aber ebenfalls möglich:

Die wichtigste Geste: anderen zu zeigen, dass wir sie schätzen

Hier noch eine anderes Beispiel:

Die einzige Möglichkeit für ihn: ein neues Auto kaufen
Die einzige Möglichkeit für ihn: ein neues Auto zu kaufen

Eine feste Regel gibt es nicht. Man kann die Infinitivgruppe nach dem Doppelpunkt nämlich in dreierlei Weise interpretieren:

a) als eigenständige Infinitivgruppe (ohne „zu)

anderen zeigen, dass wir sie respektieren
ein neues Auto kaufen

b) als Subjekt (mit oder ohne „zu“):

Anderen [zu] zeigen, dass wir sie schätzen, ist die wichtigste Geste
Ein neues Auto [zu] kaufen, ist die einzige Möglichkeit.

c) als Prädikativ (mit „zu“):

Die wichtigste Geste ist, anderen zu zeigen, dass wir sie respektieren.
Die einzige Möglichkeit ist, ein neues Auto zu kaufen.

Deshalb kann hier nach dem Doppelpunkt mit und ohne zu formuliert werden. Das Wichtigste: nicht lange darüber [zu] grübeln.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Was „nicht nur – sondern auch“ alles verbinden kann

Frage

Welche Sätze sind richtig? Alle? Und warum? Die Satzstruktur von zweiteiligen Konnektoren wird nirgends mit trennbaren Verben erklärt.

  1. Stress hängt nicht nur von äußeren, sondern auch von inneren Faktoren ab.
  2. Stress hängt nicht nur von äußeren Faktoren, sondern auch von inneren (Faktoren) ab.
  3. Stress hängt nicht nur von äußeren Faktoren ab, sondern auch von inneren (Faktoren).

Alle Varianten tönen korrekt, aber wie erklärt man das jemandem richtig? Welche Regel liegt zugrunde? […]

Antwort

Guten Tag Frau L.,

mit der mehrteiligen Konjunktion nicht nur – sondern auch können nicht nur Sätze, sondern auch Wortgruppen und Wörter miteinander verbunden werden. Das lässt sich anhand Ihrer Beispielsätze gut zeigen:

Im ersten Satz werden von äußeren und von inneren miteinander verbunden:

nicht nur von äußeren, sondern auch von inneren
Stress hängt nicht nur von äußeren, sondern auch von inneren Faktoren ab.

Vgl. die gleiche Formulierung mit der einfachen Konjunktion und:

von äußeren und von inneren
Stress hängt von äußeren und von inneren Faktoren ab.

Im zweiten Satz werden von äußeren Faktoren und von inneren (Faktoren) miteinander verbunden:

nicht nur von äußeren Faktoren, sondern auch von inneren (Faktoren)
Stress hängt nicht nur von äußeren Faktoren, sondern auch von inneren (Faktoren) ab.

Vgl. die gleiche Formulierung mit der einfachen Konjunktion und:

von äußeren Faktoren und von inneren (Faktoren)
Stress hängt von äußeren Faktoren und von inneren (Faktoren) ab.

Im dritten Satz werden zwei Sätze miteinander verbunden, von denen der zweite nur unvollständig realisiert wird, das heißt, identische Teile des Satzes werden nicht wiederholt:

Stress hängt nicht nur von äußeren Faktoren ab, sondern [Stress hängt] auch von inneren (Faktoren) [ab]
Stress hängt nicht nur von äußeren Faktoren ab, sondern auch von inneren (Faktoren).

Beim dritten Satz ist aber auch eine anderer Analyse möglich:

Im dritten Satz werden wie im zweiten Satz von äußeren Faktoren und von inneren (Faktoren) miteinander verbunden. Dabei wird das zweite Element der Aufzählung aber ins sogenannte Nachfeld ausgelagert, das heißt, es wird hinter ab gestellt:

nicht von äußeren Faktoren, sondern auch von inneren (Faktoren)
Stress hängt nicht nur von äußeren Faktoren ab, sondern auch von inneren (Faktoren)

Alle Formulierungen sind korrekt. Sie unterscheiden sich dadurch, dass nicht nur – sondern auch unterschiedliche Satzelemente miteinander verbindet. Der Vollständigkeiten halber noch ein Beispiel, in dem es zwei einzelne Wörter verbindet:

Mit nicht nur freundlichen, sondern auch sonnigen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn es um „es“ geht, wird es manchmal kompliziert

Warnhinweis: Es folgt eine etwas haarspalterische Betrachtung zum Thema es, die vor allem Fans von grammatisch Kniffligerem interessieren könnte.

Frage

Ich habe eine Frage zur Funktion von „es“ als Korrelat. Zum Beispiel:

Er bereut es, sie besucht zu haben

Hier ist „es“ Korrelat zum Objektsatz. Dieses „es“ kann aber nicht im Vorfeld [an erster Stelle vor dem konjugierten Verb] auftreten, also nicht:

*Es bereut er, sie besucht zu haben

Ein anderes Beispiel:

Viele finden es gut, den Smalltalk witzig zu beginnen

Mit es im Vorfeld:

Es finden viele gut, den Smalltalk witzig zu beginnen

Wenn „es“ als Korrelat zum Objektsatz nicht vorfeldfähig ist, warum hört sich der zweite Satz doch richtig an? Haben Sie vielleicht eine Erklärung dafür?

Antwort

Guten Tag Herr K.,

wenn es um es geht, kann es im Deutschen ziemlich kompliziert werden. Es geht hier nämlich um zwei verschiedene es:

1) es als Korrelat zum Objektsatz (siehe hier)
Dieses es vertritt sozusagen den Nebensatz im übergeordneten Satz. Manchmal kann es weggelassen werden (erster Beispielsatz), manchmal aber eher nicht (zweiter Beispielsatz):

Er bereut [es], sie besucht zu haben.
Viele finden es gut, den Smalltalk witzig zu beginnen.

Dieses es kann im Satz nicht an erster Stelle stehen:

nicht: *Es bereut er, sie besucht zu haben.
nicht: *Es finden viele gut, den Smalltalk witzig zu beginnen.

2) Platzhalter-es im Vorfeld (siehe hier):
Das Pronomen es kann an erster Stelle im Satz stehen, wenn kein anderes Satzglied diese Stellung im Vorfeld einnimmt:

Jemand wartet auf dich.
Es wartet jemand auf dich.

Ein Schrank steht im Gang.
Es steht ein Schrank im Gang.

Dieses Platzhalter-es kann im Prinzip immer stehen, es ist nur je nach Verb unterschiedlich üblich. In Ihrem zweiten Satz ist es relativ gut möglich:

Viele finden es gut, den Smalltalk witzig zu beginnen.
Es finden es viele gut, den Smalltalk witzig zu beginnen.

Beim Ihrem ersten Satz muss man sich etwas Mühe geben, um einen Kontext zu konstruieren, in dem ein Platzhalter-es vertretbar ist. Und auch dann klingt die Formulierung sehr gestelzt und ist wirklich kein stilistisches Meisterwerk:

Er kommt unverrichteter Dinge zurück.
Er bereut nun, sie besucht zu haben.

Es kommt er unverrichteter Dinge zurück.
Es bereut er nun, sie besucht zu haben.

Der Satz, der oben unter 1) als nicht möglich bezeichnet wird, ist also zumindest theoretisch doch möglich. Das es ist dann aber kein Korrelat zum Objektsatz, sondern ein Platzhalter-es:

Er bereut es, sie besucht zu haben.
Es bereut er es, sie besucht zu haben.

Er bereut, sie besucht zu haben.
Es bereut er, sie besucht zu haben.

Wie wir bereits gesehen haben, ist auch Ihr zweiter Beispielsatz möglich, aber meiner Meinung nach besser mit zwei es:

Viele finden es gut, den Smalltalk witzig zu beginnen.
Es finden es viele gut, den Smalltalk witzig zu beginnen.

Viele finden gut, den Smalltalk witzig zu beginnen [?]
Es finden viele gut, den Smalltalk witzig zu beginnen [?]

Das Pronomen es kann so viele verschiedene Funktionen haben, dass wir ihm in unserer Grammatik eine eigene Seite gewidmet haben. Wie eingangs schon gesagt; Wenn es um es geht, kann es im Deutschen ziemlich kompliziert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn Subjekt und Pronomen um den Vorrang ringen

Wenn es um Fragen der Wortstellung im deutschen Satz geht, sollten Muttersprachige dem lieben Herrgott auf Knien dafür danken, dass sie sich nicht bewusst damit herumschlagen müssen! Was wir normalerweise intuitiv richtig machen, ist für Deutschlernende – und Deutschlehrende! – oft alles andere als einfach. Hier ein ganz kleiner Einblick anhand von Herrn B.s Frage:

Frage

Welcher Regel unterliegt die Satzgliedreihenfolge des hervorgehobenen Abschnitts bei:

Das ist der Mann, von dem mir meine Nachbarin viel erzählt hat.
Das ist der Mann, von dem meine Nachbarin mir viel erzählt hat.

Wenn ich meine Nachbarin durch sie ersetze, können Subjekt und Dativobjekt nicht mehr die Plätze tauschen:

Das ist der Mann, von dem sie mir viel erzählt hat.
falsch: Das ist der Mann, von dem mir sie erzählt hat.

Was ist hier die Regel?

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

die Regeln der deutschen Wortstellung sind bis auf wenige Ausnahmen keine festen Regeln, sondern mehr oder weniger starke Tendenzen. Komplizierend kommt hinzu, dass diese Tendenzen zum Teil widersprüchlich sind. Das ist auch hier der Fall. Im ersten Satz sind beide Wortstellungen möglich, weil hier zwei starke Tendenzen aufeinandertreffen.

Tendenz A*: Das Subjekt steht im Mittelfeld an erster Stelle.

Gestern hat mein Freund[Subj.] ein neues Smartphone[Akkusativobj.] gekauft.
Plötzlich musste ein Autofahrer[Subj.] dem Lastwagen[Dativobj.] ausweichen.
…, weil die Tochter[Subj.] den Eltern[Dativobjekt] das Kind[Akkusativobj.] verheimlicht hatte.

Tendenz B*: Pronomen steht vor Nomen.

Paula hat ihm[Pron.] die Bücher[Nomen] geschenkt.
Paula hat sie[Pron.] ihrem Freund[Nomen] geschenkt.
Die Tochter hatte es[Pron.] den Eltern[Nomen] verheimlicht.
Die Tochter hatte ihnen[Pron.] das Kind[Nomen] verheimlicht.

Wenn wir nun diese beiden Tendenzen im ersten Satz so wirken lassen, dass Tendenz A gewinnt, sieht er so aus:

Das ist der Mann, von dem meine Nachbarin[Subj.] mir[Obj.] erzählt hat.

Gewinnt hingegen die ungefähr gleich starke Tendenz B, erhalten wir diese Wortfolge:

Das ist der Mann, von dem mir[Pron.] meine Nachbarin[Nomen] erzählt hat.

Beim Ihrem zweiten Beispielsatz sind beide Satzglieder Pronomen. Die Tendenz B (Pronomen vor Nomen) hat deshalb ausgespielt und es wirkt nur noch die Tendenz A (Subjekt an erster Stelle):

Das ist der Mann, von dem sie[Subj.] mir[Dativobj.] erzählt hat.
nicht: Das ist der Mann, von dem mir sie erzählt hat.

Während im ersten Satz zwei  starke, einander widersprechende Tendenzen zu zwei möglichen Wortstellungen führen, wirkt im ersten Satz nur eine starke Tendenz und ist deshalb nur eine Wortstellung möglich. In der Theorie sieht es also relativ einfach aus. Im praktischen Sprachgebrauch ist es aber schwierig bis unmöglich, während des Formulierens bewusst solche Entscheidungen zu treffen – zumal Tendenz A und B bei Weitem nicht die einzigen sind!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

*Es steht hier Tendenz und nicht Regel. Andere Wortstellungen sind also nicht prinzipiell ausgeschlossen. Siehe zum Beispiel die Angaben auf den oben verlinkten Seiten.