Konjunktiv oder Indikativ: Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge/untergeht …

Frage

Ich habe eine Frage bezüglich des Konjunktivgebrauchs in folgendem Satz (angeblich ein Zitat Luthers):

Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterGINGE, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.

Das kam mir sprachlich nicht richtig vor. Ich hätte hier eher den Indikativ „untergeht“ im Nebensatz benutzt. Also begann ich im Netz zu recherchieren, wo man aber leider nur ein großes Durcheinander vorfindet, auch auf Seiten, die sich mit Sprache befassen. […]

Antwort

Guten Tag Frau S.,

Sie finden keine eindeutige Erklärung, weil es im Deutschen beim Konjunktivgebrauch fast keine festen Regeln gibt. Vieles ist möglich und wenig ist wirklich falsch.

In diesem konkreten Beispiel würde auch ich spontan den Indikativ wählen:

Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.

Es geht um einen sogenannten irrealen Bedingungssatz. In einer solchen Konstruktion steht normalerweise in Haupt- und Nebensatz der Konjunktiv II:

Wenn ich das wüsste, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.

Die Frage ist nun, ob der von wüsste abhängige Nebensatz auch im Konjunktiv II stehen muss. Das ist nicht der Fall. Häufig steht „einfach“ der Modus, der auch bei einem realen Satz steht:

Wenn ich wüsste, was du willst, könnte ich dir helfen.
vgl. Wenn ich weiß, was du willst, kann ich dir helfen.

Wenn ich sicher wäre, dass er recht hat, ginge ich …
vgl. Wenn ich sicher bin, dass er recht hat, gehe ich …

Wenn ich wüsste, dass es nicht regnen wird, wäre ich beruhigter.
vgl. Wenn ich weiß, dass es nicht regnen wird, bin ich beruhigter.

Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich … pflanzen
vgl. Wenn ich weiß, dass morgen die Welt untergeht, pflanze ich …

Der Indikativ ist auch im letzten Satz in Ordnung, obwohl ich nicht wissen kann, ob die Welt morgen untergeht, und obwohl ich wahrscheinlich davon ausgehe, dass sie nicht untergehen wird. In diesem Fall kann formal nicht zwischen Realität und Irrealität im Nebensatz unterschieden werden (Irrealität wird im Deutschen bei Weitem nicht immer mit dem Konjunktiv II ausgedrückt). Dass auch der dass-Satz irreal zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Kontext und/oder dem Gesamtsinn.

Manchen genügt das offenbar aber nicht immer. Sie drücken die Irrealität auch im Nebensatz durch den Konjunktiv II aus:

Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich …
Vgl. Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich …

Der Konjunktiv II unterginge ist hier nicht notwendig, aber verständlich und kommt zum Beispiel bei diesem Zitat sehr häufig vor – von wem immer es auch stammen mag. Ich würde ihn nicht wählen, da es aber in diesem Bereich keine festen Regeln gibt, ist richtig, was üblich ist. Und üblich ist beides, wie die folgenden Beispiele zeigen:

Dies würde zum selben Ergebnis […] führen, wenn man davon ausginge, dass für die Berichtigung der Umsatzsteuer und der Vorsteuer die gleichen Grundsätze gelten.

Wenn Sie wüssten, dass diese Schachtel den kostbarsten Diamanten der Welt enthält, wäre es plötzlich eine ganz besondere Schachtel.

Was würden Sie tun, wenn Sie wüßten, dass Sie nur mehr ein Jahr zu leben hätten?

Wenn wir davon ausgingen, dass es wirklich nur einen einzigen Soulmate gäbe, stünden die Chancen, diese Person zu finden, in der Tat ziemlich schlecht.

Diese Sätze wären auch mit dem Konjunktiv bzw. dem Indikativ richtig:

Dies würde zum selben Ergebnis […] führen, wenn man davon ausginge, dass für die Berichtigung der Umsatzsteuer und der Vorsteuer die gleichen Grundsätze gelten würden.

Wenn Sie wüssten, dass diese Schachtel den kostbarsten Diamanten der Welt enthielte, wäre es plötzlich eine ganz besondere Schachtel.

Was würden Sie tun, wenn Sie wüßten, dass Sie nur mehr ein Jahr zu leben haben?

Wenn wir davon ausgingen, dass es wirklich nur einen einzigen Soulmate gibt, stünden die Chancen, diese Person zu finden, in der Tat ziemlich schlecht.

Wenn ich davon ausgehen könnte, dass es im Deutschen eindeutige Regeln für den Konjunktivgebrauch gibt/gäbe, hätte ich beim Beantworten solcher Fragen weniger zu tun.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

… als ob sie krank wäre, sei oder ist: Konjunktiv II, Konjunktiv I oder Indikativ?

Frage

Nach „als wenn“, „als ob“ und „als“ kommt der Konjunktiv II. Im Lehrbuch wird der Konjunktiv II als Grammatikpunkt behandelt, aber im Textteil steht auch den Konjunktiv I. Wie erkläre ich den Sprachschülern die beiden Sätze:

Sie verhält sich so, als ob sie krank wäre (Konjunktiv II)
Sie verhält sich so, als ob sie krank sei (Konjunktiv I)

Wann verwenden wir den Konjunktiv I und wann den Konjunktiv II mit „als ob“, „wie wenn“ bzw. „als“?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

in irrealen Vergleichssätzen – um solche handelt es sich hier – mit als ob, als wenn, wie wenn oder als steht das Verb üblicherweise im Konjunktiv II (oder die würde-Form):

Sie schimpfen auf mich, wie wenn der Fehler meine Schuld wäre.
Ich fühlte mich, als ob die Sonne nur für mich schiene.
(Ich fühlte mich, als ob die Sonne nur für mich scheinen würde.)
Er sieht aus, als ob er die ganze Nacht nicht geschlafen hätte.
Sie stürzen sich aufs Büfett, als gäbe es nie wieder etwas zu essen.
(Sie stürzen sich aufs Büfett, als würde es nie wieder etwas zu essen geben.)

Sie verhält sich so, als ob sie krank wäre.

Wie so oft bei der Verwendung des Konjunktivs im Deutschen, ist diese „Regel“ nicht in Stein gemeißelt. Seltener steht hier nämlich auch der Konjunktiv I, und dies ohne Bedeutungsunterschied. Die Sätze haben jeweils die gleiche Bedeutung und sie sind als standardsprachlich korrekt anzusehen:

Sie schimpfen auf mich, wie wenn der Fehler meine Schuld sei.
Ich fühlte mich, als ob die Sonne nur für mich scheine.
Er sieht aus, als ob er die ganze Nacht nicht geschlafen habe.
Sie stürzen sich aufs Büfett, als gebe es nie wieder etwas zu essen.

Sie verhält sich so, als ob sie krank sei.

Üblicher ist hier aber, wie gesagt, der Konjunktiv II. Vielleicht ist es für Ihre Sprachschüler am besten, wenn sie hier aktiv den Konjunktiv II lernen, aber daneben passiv auch den Konjunktiv I als gleichbedeutend erkennen.

Um es noch komplizierter zu machen: In der gesprochenen Sprache kommt hier auch der Indikativ vor (allerdings nicht bei irrealen Vergleichssätzen, die mit einfachem als eingeleitet sind). Ich halte den Indikativ hier für standardsprachlich nicht zu empfehlen:

Sie schimpfen auf mich, wie wenn der Fehler meine Schuld ist.
Ich fühlte mich, als ob die Sonne nur für mich schien.
Er sieht aus, als ob er die ganze Nacht nicht geschlafen hat.

Sie verhält ich so, als ob sie krank ist.

Sie können alles auch in der Leo-Grammatik nachlesen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp