Die Callas und die Huber: der Artikel bei Eigennamen

Frage

Warum heißt es: „Der Ball rollt zu Jakob“? Kann man nicht auch sagen: „Der Ball rollt zum Jakob“?

Antwort

Sehr geehrter Herr H.,

im Standarddeutschen werden Vornamen ohne Artikel verwendet. Deshalb sagt man zu Jakob und nicht zum Jakob (= zu dem Jakob). Andere standarddeutsche Sätze sind:

Das hat Susanne gesagt
Hast du Jakob gesehen?
Ich habe die Geschichte Jakob und Susanne erzählt.

Es ist allerdings so, dass vor allem im südlichen deutschen Sprachraum in der Umgangssprache Vornamen häufig mit dem Artikel verwendet werden. Zum Beispiel:

Das hat die Susanne gesagt.
Hast du den Jakob gesehen?
Ich habe die Geschichte dem Jakob und der Susanne erzählt.

Diese Formen gelten aber wie gesagt als umgangssprachlich.

Der Artikel wird aber auch in der Standardsprache manchmal bei Namen verwendet. Das geschieht vor allem bei Familiennamen von Frauen, denen man so den Status einer Diva zuspricht:

Mit dem „Blauen Engel“ gelang der Dietrich der internationale Durchbruch.
Die Callas brillierte unter anderem in Verdis „Traviata“ und Bellinis „Norma“.
Doch einen Oscar bekam die Lollobrigida im Gegensatz zur „Busenfeindin“ Sophia Loren nie.

Bei weniger bekannten Frauen und Männern hat die Verwendung des Artikels beim Familiennamen interessanterweise den gegenteiligen Effekt. Der Artikel gilt hier wieder als umgangssprachlich und er zeugt oft von einer – gelinde gesagt – nicht allzu ehrfurchtsvollen Haltung gegenüber der Person, über die man spricht:

Hast du gehört, was die Huber gemacht haben soll!?
Das ist wohl wieder so ein Hirngespinst vom Schröder.

So kann also die gleiche sprachliche Strategie, nämlich die Verwendung des bestimmten Artikels vor einem Familiennamen, ganz unterschiedliche Bedeutungen haben, je nachdem ob man von Stars oder Nachbarn spricht.

Mehr zum Thema Artikel bei Eigennamen finden Sie hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Was ist häufiger: der, die oder das?

Frage

Meine Zweitklässer möchten gern Folgendes wissen: Welcher bestimmte Artikel ist am häufigsten; der, die oder das? Gibt es Prozentzahlen? Unsere Stichprobenforschung hat ergeben, dass der am häufigsten ist. Stimmt das?

Antwort

Sehr geehrte Frau B.,

Ihre Frage ist komplizierter, als sie sich auf Anhieb anhört. Gemäß den Angaben des Wortschatz-Projektes der Universität Leipzig sind die folgenden zehn Wörter die häufigsten deutschen Wörter:

der
die
und
in
den
von
zu
das
mit
sich
(http://wortschatz.uni-leipzig.de/Papers/top10000de.txt)

Die Reihenfolge für der, die, das wäre somit:

1. der
2. die
3. das

ABER: In dieser Aufstellung entspricht zum Beispiel der nicht dem männlichen Artikel, sondern nur der Wortform der.

Die Wortform der kann auch weiblich (das Auto der Frau, mit der Tochter) oder allgemein Mehrzahl sein (die Spielsachen der Kinder). Sie kann unter anderem auch Relativpronomen sein (der Mann, der das gesagt hat). In gleicher Weise ist die nicht nur der weibliche Artikel, sondern auch der bestimmte Artikel des Nominativ und des Akkusativ Plural, ein Relativpronomen usw. Außerdem steht der Akkusativ des männlichen Artikels, d.h. den, selbstständig auf Platz fünf der Liste der Uni Leipzig.

Die obenstehende Reihenfolge sagt also nichts darüber aus, wie häufig die verschiedenen Artikel vorkommen, sondern nur, wie oft eine bestimmte Form vorkommt. Eine Liste, die genaue Aussagen über die Häufigkeit der einzelnen Artikel angibt, ist mir leider nicht bekannt. Es ist wegen der verschiedenen Funktionen der Wortformen der, die, das, den usw. auch sehr schwierig, eine solche Liste zu erstellen.

Wenn die Frage lautet, ob es mehr männliche, mehr weibliche oder mehr sächliche Nomen gibt, ist die Antwort auch nicht ganz so einfach. In unseren Daten sieht das wie folgt aus:

weibliche Nomen: ca. 68’000 = 40%
männliche Nomen: ca. 52’000 = 31%
sächliche Nomen: ca. 49’000 = 29%

Es gibt also am meisten weibliche und am wenigsten sächliche Nomen. Dies sind aber nicht endgültige, unverrückbar feststehende Zahlen, denn die folgenden Einschränkungen müssen gemacht werden:

  • So umfangreich unserer Daten sind, sie können nicht nicht den ganzen deutschen Wortschatz abdecken.
  • Die Prozentzahlen sagen nichts darüber aus, wie häufig weibliche, männliche und sächliche Nomen tatsächlich verwendet werden.

Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine kurze und eindeutige Antwort geben kann. Ich befürchte auch, dass sie für Zweitklässler etwas gar kompliziert ist. Ich hoffe aber, dass Sie trotzdem etwas damit anfangen können.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Nachtrag
Zweitklässler sind offenbar viel schlauer, als ich dachte. Wie mich Frau B. wissen lässt, können sie sehr wohl etwas mit der Antwort anfangen. Wie man sieht, sollte man (oder besser: sollte ich) die Kleinen nicht unterschätzen. Es ist auch schon so lange her …

in Urlaub sein / im Urlaub sein?

Eine der klassischsten Sommerfragen zur deutschen Sprache ist die folgende Frage eines Canoonet-Nutzers:

Ich beschäftige mich mit der Frage, wie folgender Satz richtig heißt:

Da Sie sich im Urlaub befanden …
Da Sie sich in Urlaub befanden …

Oder ist beides möglich? Welche Regel gibt es hier?

Antwort

Es gibt hier keine Grammatikregel, sondern der allgemeine Gebrauch bestimmt, was richtig und akzeptiert ist. Man kann sowohl im Urlaub sein als auch in Urlaub sein sagen. Beide Varianten werden verwendet und gelten als standardsprachlich richtig.

Das hat wohl damit zu tun, dass Urlaub sowohl ohne Artikel als auch mit Artikel verwendet werden kann:

Ohne Artikel:

Urlaub haben
Urlaub nehmen
Urlaub machen
Urlaub nötig haben

Mit Artikel(wort):

den Urlaub im Ausland verbringen
der diesjährige Urlaub
unser Urlaub am Meer
die große Liebe im Urlaub kennen lernen

Ohne Artikelwort ist Urlaub im Allgemeinen abstrakter als mit Artikelwort. Dieser Unterschied ist aber bei in/im Urlaub sein kaum merkbar.

Für mich unerklärlich ist dann aber, warum das Gleiche nicht auch für Ferien gilt:

Ferien haben
Ferien nehmen
Ferien machen
Ferien nötig haben

Und trotzdem kann man nur in den Ferien sein sagen. Die Variante ohne Artikel ist nicht korrekt. Es kann nicht ausschließlich am Plural liegen, denn man kann ganz gut ohne Artikel in Nöten sein oder von Sinnen sein. Vielleicht komme ich Anfang September irgendwie auf die Lösung dieses Rätsels. Dann bin ich nämlich ein paar Tage im oder in Urlaub. Und wenn Sie die Antwort auf diese Frage kennen, lassen Sie mich bitte nicht weiter im Ungewissen.

Dr. Bopp