Frage
Ein bekannter Mobilfunkanbieter warb Ende des vergangenen Jahres mit der Frage „Was würdest du tun, wenn du alles kannst?“. Ist hier nicht Konjunktiv II anzuwenden („Was würdest du tun, wenn du alles könntest?“)?
Antwort
Sehr geehrter Herr B.,
in der Standardsprache steht in der Regel in beiden Sätzen eines Bedingungsgefüges der gleiche Modus. Anders gesagt: Bei Satzgefügen mit einem Bedingungssatz mit wenn und einem Hauptsatz steht in der Regel in beiden Sätzen der Indikativ oder in beiden Sätzen der Konjunktiv. Ein paar Beispiele mit dem Indikativ:
Wenn der Zug verspätet ist, warten wir im Restaurant auf euch.
Das Fest findet im Garten statt, wenn es die Wetterverhältnisse zulassen.
Was geschieht, wenn jemand alle Zahlen errät?
Wenn du alle Zahlen errätst, gewinnst du den Hauptpreis.
Der Konjunktiv steht bei einem irrealen Bedingungssatz. Ein irrealer Bedingungssatz beschreibt einen Sachverhalt, der möglich oder wahrscheinlich ist, der aber nur in Gedanken konstruiert wird. Dabei formuliert der Nebensatz eine Bedingung, die – wenn sie erfüllt wäre – eine bestimmte Folge hätte.
Es wäre gut für sie, wenn sie bald eine neue Stelle fänden.
Wenn ich genug Zeit gehabt hätte, hätte ich euch besucht.
Was würde geschehen, wenn jemand alle Zahlen erraten würde?
Du würdest den Hauptpreis gewinnen, wenn du alle Zahlen erraten würdest.
Standardsprachlich heißt es entsprechend auch besser:
Was würdest du tun, wenn du alles könntest?
Was würdest du tun, wenn du alles tun könntest?
Der Satz, der in der Werbung benutzt wird, ist allerdings nicht einfach völlig falsch. Er ist umgangssprachlich. Wir sind nicht nur bei Lidl und Aldi gerne sparsam, sondern oft auch bei sprachlichen Äußerungen. Oft geben wir im Deutschen nur einmal an, was genau gemeint ist. Bei einem Bedingungsgefüge reicht es im Prinzip, wenn nur in einem der Teilsätze mit einem Konjunktiv angegeben wird, dass es sich um ein „irreales“ Gefüge handelt:
Was würdest du tun, wenn du alles kannst?
Was tust du, wenn du alles könntest?
Diese standardsprachlich besser zu vermeidenden Formulierungen gefallen mir persönlich auch stilistisch nicht. Man kann aber nicht sagen, dass die umgangssprachlichen Äußerungen unverständlich sind. Man versteht genau, was gemeint ist.
Der Mobilfunkanbieter hat sich vielleicht für die umgangssprachliche Variante entschieden, um „eine größere Nähe“ zur potenziellen Kundschaft bewirken. Vielleicht schwebte der Marktetingabteilung auch eine andere implizite Botschaft vor. Wie dem auch sei, einen Werbespruch der Art „Was wäre, wenn …“ halte ich mit und ohne standardsprachliche Verwendung des Konjunktivs für riskant. Es ist für Konkurrenz und unzufriedene Kundschaft wirklich zu einfach, ihm eine ganz andere Wendung zu geben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp