Mein Mitarbeiter oder ich stehe, stehen, steht …?

Frage

Heißt es bei dem Satz: Für Rückfragen stehe(n) ich oder mein Mitarbeiter Ihnen gerne zur Verfügung. Heißt es hier stehe oder stehen? Wie lautet die Regel ?

Antwort

Sehr geehrter Herr S.,

es gibt leider (oder je nach Einstellung zur Grammatik: zum Glück) keine allgemeingültige Regel zu dieser Frage. Es gibt allerdings eine starke allgemeine Tendenz, die auf der unten erwähnten Grammatikseite aufgezeigt wird.

Kurz zusammengefasst lautet die Tendenz, dass bei mit oder verbundenen Subjektteilen, die sich in Person und/oder Anzahl voneinander unterscheiden, das Verb sich nach dem ihm am nächsten stehenden Subjektteil richtet. In Ihrem Beispielsatz sind die Subjektteile erste Person Einzahl (ich) und dritte Person Einzahl (mein Mitarbeiter). Das Verb steht am nächsten bei ich und wird deshalb am ehesten in der ersten Person Einzahl verwendet:

Für Rückfragen stehe ich oder mein Mitarbeiter Ihnen gern zur Verfügung.
oder „umgekehrt“:
Für Rückfragen steht mein Mitarbeiter oder ich Ihnen gern zur Verfügung.

Am besten vermeidet man solche Konstruktionen, denn sie klingen für viele Deutschsprachige irgendwie unbefriedigend. Beispiele für mögliche Umschreibungen sind:

Für Rückfragen stehen ich und mein Mitarbeiter Ihnen gerne zur Verfügung.
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an mich oder meinen Mitarbeiter.

Weiter Informationen finden sie auf dieser Grammatikseite, insbesondere unter

  • Problemfälle: Zwei verschiedene Personen mit oder
  • Problemfälle; 1. Person und 3. Person

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Jeder Onkel und jede Tante hat/haben nette Verwandte?

Frage

Nach mehrtägigem „Streit“ an meiner Schule und einer Wette um eine Flasche Champagner wende ich mich nun an Sie in der Hoffnung, dass Sie bei folgenden Sätzen weiterhelfen können. Es geht in den Beispielsätzen um die Verbbildung (Singular oder Plural):

Vater und Mutter geht/gehen ins Kino.
Fritz und Hans läuft/laufen Marathon.
Der Turner und die Turnerin übt/üben ihre Kür.
Jeder Schüler und jede Schülerin hat/haben ein Recht auf Unterricht.
Jede Frau und jeder Mann läuft/laufen lange Strecken.
Jeder Onkel und jede Tante hat/haben nette Verwandte.

Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Mir geht es darum: Gibt es bei solchen Satzbildungen feste Regeln (welche?) oder kann man die Singular- oder Pluralform nach eigenem Ermessen bzw. Empfinden ausdrücken.

Antwort

Sehr geehter Herr M.,

in Ihren Beispielsätzen geht es immer um ein mehrteiliges Subjekt, dessen Teile mit und verbunden sind. Die Grundregel lautet, dass das Verb dann im Plural steht:

Vater und Mutter gehen ins Kino.
Fritz und Hans laufen Marathon.
Der Turner und die Turnerin üben ihre Kür.

Es gibt allerdings Ausnahmen, bei denen von dieser Regel abgewichen wird. Eine Ausnahmeregel lautet, dass das Verb im Singular steht, wenn beide Subjektteile in der Einzahl stehen und kein, jeder oder mancher vor ihnen steht.

Jeder Schüler und jede Schülerin hat Recht auf Unterricht.
Jede Pflanze und jedes Tier ist schützenswert.
Jeder Onkel und jede Tante hat nette Verwandte.
Kein Onkel und keine Tante hat nette Verwandte.
Mancher Onkel und manche Tante hat nette Verwandte.

Ebenso:

Jede und jeder hat Recht auf Unterricht.

Weshalb wird hier der Singular gewählt? Im Gegensatz zu alle, das sich auf sämtliche Individuen einer Gruppe bezieht, gibt jeder an, dass immer jeweils ein einzelnes Individuum aus einer Gruppe gemeint ist. Deshalb steht das Verb in der Einzahl:

Jede Schülerin hat …
= Jedes Individuum aus der Gruppe „Schülerinnen“ hat …

Bei jedes A und jedes B fasst das und die beiden Gruppen A und B zusammen. Obwohl jedes zweimal vorkommt, ist der Nachdruck auf einzelnes Individuum aus der Gesamtgruppe A und B so stark, dass das Verb in der Einzahl bleibt:

Jeder Schüler und jede Schülerin hat
= Jedes Individuum aus der Gesamtgruppe „Schüler und Schülerinnen“ hat

Wenn Sie mich zum Schiedsrichter machen würden, hätten also diejenigen, die auf den Plural in allen Beispielsätzen gewettet haben, die Flasche Champagner – so leid es mir tut – verloren. Mögen die Sieger den Verlierern auch ein Gläschen gönnen!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Du und er seid oder sind?

Frage

Was ist richtig?

Peter und du sind doof! oder
Peter und du seid doof!

Antwort

Sehr geehrter Herr J.,

die Bedeutung des Satzes ist wohl in beiden Varianten eindeutig: Ein gewisser Peter und die angesprochene Person stehen zum Sprechzeitpunkt auf einer eher niedrigen Sprosse der Sympathieleiter des oder der Sprechenden. Soweit zum Inhalt. Nun zur Form. Die entsprechende Regel lautet:

Sind eine 2. Person (du) und eine 3. Person (Peter) mit und verbunden, richtet sich das Verb nach der 2. Person Plural. Die beiden Subjekte können durch ihr zusammengefasst werden.

Richtig ist demnach:

Peter und du seid doof.

Für mehr Informationen hierzu siehe diese Grammatikseite.

Ihre Frage zeigt aber, dass der Satz irgendwie nicht so richtig gut läuft. Auch ich musste bei der Wahl der Verbform zuerst überlegen. Es ist deshalb zwar nicht notwendig, aber auch nicht übertrieben, hier ein ihr einzufügen.

Peter und du, ihr seid doof.

Der Satz lässt sich dadurch besser, das heißt ohne Zweifel über die Verbform aussprechen und interpetieren. Und in diesem Fall kann man vor dem ihr auch noch eine kleine „Kunstpause“ einfügen. Dadurch wird die Gesamtaussage noch prägnanter:

Peter und Du – ihr seid doof!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wer sind das? Was sind das?

Eine Frage, die im Internetformum „Deutsch als Fremdsprache“ diskutiert wurde, und zu der man mich um meine Meinung bat, beschäftigt sich damit, ob man im Deutschen Wer sind das? und Was sind das? sagen kann. Hier meine Antwort:

Auch mein Sprachgefühl sagt mir, dass die Fragen

Was sind das?
Wer sind das?

nicht korrekt formuliert sind. Ein Erklärungsversuch:

Die Fragewörter wer und was stehen im Prinzip mit dem Singular:

Wer wohnt dort?
Was geht hier vor?

Das ändert sich, wenn das Verb sein ist und ein Prädikativ im Plural folgt. Dann richtet sich das Verb nach dem Prädikativ:

Wer sind diese Leute?
Was sind Kaugummifrösche?

Bei den Konstruktionen

Was sind das, Adenome?
Adenome, was sind das?
Wer sind das, die anderen?
Diese Leute, wer sind das?

wird es schon schwieriger zu erklären, weshalb genau der Plural steht oder stehen darf. Auf jeden Fall ist das pluralische Element, für das das steht, explizit im Satz enthalten.

Letzteres scheint im Deutschen eine Bedingung zu sein, damit das Verb sein nach wer oder was im Plural stehen darf. Deshalb werden die isolierten Fragen

Wer sind das?
Was sind das?

nicht mehr als korrekt empfunden. Sowohl wer resp. was als auch das sind im Prinzip singularische Elemente und es steht kein anderes pluralisches Element im Satz, das eine Pluralform des Verbs unterstützen würde. Ein impliziter Verweis auf ein pluralisches Element außerhalb des Satzes scheint hier nicht auszureichen.

Sie haben recht, dass das sich auch auf nicht sächliche und nicht singularische Nomen beziehen kann. Aber auch hier gilt, dass dann das nicht sächliche oder nicht singularische Nomen explizit im Satz genannt wird. Vgl.

Das ist mein Wagen.
Das sind meine Kinder.

Dies ist auch keine knallharte Grammatikregel, wie wir sie normalerweise gerne hätten. Eine solche darf auch erst nach genauerer Untersuchung in größeren Textmengen formuliert werden. Ich hoffe aber trotzdem, dass die Antwort etwas deutlicher macht, weshalb das Sprachgefühl vieler hier offenbar keine Pluralform zulassen will.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp