Die besser als erwarteten Konjunkturdaten?

Der Jahreswechsel ist eine Zeit, in der neue Erwartungen formuliert und alte überprüft werden. Vor allem bei Letzterem begegnet man häufiger einer fragwürdigen Formulierung.

Frage

Ist die folgende Formulierung zulässig?

die meist besser als erwarteten Konjunkturdaten

Müsste es nicht etwa heißen: „Die Konjunkturdaten, die meist besser ausfielen als erwartet …“?

Antwort

Sehr geehrter Herr F.,

die Formulierung ist tatsächlich „krumm“. Das liegt daran, dass erwartet in besser als erwartet sich nicht als Adjektiv auf Konjunkturdaten bezieht. Es ist ein Partizip, das zu einem Vergleichssatz gehört:

besser, als man erwartet hatte

Dieser verkürzte Vergleichssatz ist eine Erweiterung von besser (wie? – besser als erwartet). Die Wortgruppe als erwartet bezieht sich also auf besser. Das Adjektiv, das sich auf Konjunkturdaten bezieht, ist besser.

Die Konjunkturdaten sind besser.
die besseren Konjunkturdaten

Die Konjunkturdaten sind viel besser.
die viel besseren Konjunkturdaten.

Die Konjunkturdaten sind besser als erwartet.
die ??? Konjunkturdaten

Das Partizip erwartet kann hier eigentlich nicht attributiv vor das Substantiv gestellt werden. Vergleichen Sie zum Beispiel:

Die Konjunkturdaten sind nicht so hoch wie erwartet.
Die Konjunkturdaten sind besser als von den Analysten erwartet.
Die Konjunkturdaten sind besser als letztes Jahr.
(Der Schrank ist breiter als hoch.)

In diesen Fällen kann erwartet ebenfalls nicht vor das Substantiv treten. Also nicht:

*die nicht so hoch wie erwarteten Konjunkturdaten
*die besser als von den Analysten erwarteten Konjunkturdaten
*die besser als letztes Jahr Konjunkturdaten
(*der breiter als hohe Schrank)

Genauso wenig kann man eigentlich sagen:

*die besser als erwarteten Konjunkturdaten

Trotzdem kommt die letzte Formulierung häufig vor, auch in eher standardsprachlichen Kontexten. Sie ist nämlich so schön kurz und bündig. Grammatisch ist sie aber wie gesagt sehr fragwürdig und stilistisch ist sie alles andere als ein Meisterwerk. Ich würde sie auf jeden Fall vermeiden! Zum Beispiel:

Die Konjunkturdaten, die meist besser ausfielen als erwartet, …
Die Konjunkturdaten sind meist besser als erwartet. Sie …

Manchmal lohnt es sich einfach, ein paar Wörter mehr zu „investieren“.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Nicht minder wichtig als oder wie

Die Frage nach als und wie in Vergleichen ist ein Dauerbrenner in vielen Diskussionen rund um den korrekten Sprachgebrauch. „Bei Gleichheit wie, bei Ungleichheit als“, lautet die allgemeine Regel:

gleich groß wie
größer als

Die Formulierung größer wie wird im Allgemeinen als falsch oder zumindest als nur umgangssprachlich bezeichnet. Sie kommt allerdings so häufig vor, dass ich mich schon lange frage, ob man diese Regel nicht einmal etwas lockerer nehmen könnte. Doch darum geht es hier heute nicht. Die maßgeblichen deutschsprachigen Geister (wer immer das sein mag) sind noch lange nicht so weit. Man sollte deshalb in der Standardsprache als und wie noch schön säuberlich voneinander trennen.

Doch wie ist es genau im folgenden Fall?

Frage

Die Aufgabe lautet:

Die Vorbereitungen halte ich für nicht minder wichtig … die eigentliche Arbeit.

Auf dem Lösungsblatt steht „wie“. Da es sich um einen verneinten ungleichen Vergleich handelt, bin ich aber für „als“. Was meinen Sie?

Antwort

Sehr geehrte Frau K.,

Sie haben recht. Im heutigen Standarddeutsch sollte hier als stehen. Mit nicht minder wird auf der Bedeutungsebene zwar eine Art Gleichheit ausgedrückt, die eigentliche Konstruktion ist aber, wie Sie richtig sagen, ein verneinter ungleicher Vergleich. Bei Ungleichheit steht in Vergleichen als.

Die Vorbereitungen halte ich für minder wichtig als die eigentliche Arbeit.
Verneint:
Die Vorbereitungen halte ich für nicht minder wichtig als die eigentliche Arbeit.

Dass die Verneinung hier keinen Einfluss auf die Wahl von als oder wie hat, zeigen auch die folgenden Beispiele:

– Sie sind besser als wir.
– Nein, sie sind nicht besser als wir.

– Mit dem Zug ist man weniger schnell als mit dem Auto.
– Nein, mit dem Zug ist man nicht weniger schnell als mit dem Auto.

Kurz zusammengefasst: Bei verneinter Ungleichheit steht in Vergleichen als. Komplizierter als das ist es nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die nächste und die näheste Tankstelle

Frage

Mich fragte ein Student neulich, was es mit dem Komparativ und Superlativ von „nah“ auf sich hat.

nah – näher – am nächsten

Gibt es nicht auch im Volksmund den Begriff „am nähesten“ und ist das eine legitime Alternative?

Antwort

Sehr geehrter Herr D.,

das Adjektiv nah oder nahe hat nach den Angaben aller Grammatiken, Lehrbücher und Wörterbücher die folgenden Steigerungsformen:

nah(e) – näher – am nächsten

Dies sind die standardsprachlich akzeptierten Formen. Daneben trifft man aber auch die Superlativform am nähesten an. Sie gilt standardsprachlich als nicht korrekt, aber sie ist nicht einfach nur „dumm“. Sie lässt sich wahrscheinlich wie folgt erklären:

Die Form näheste folgt einem regelmäßigen Steigerungsmuster:

nah – näher – am nähesten

wie zum Beispiel:

froh – froher – am frohesten
lang – länger – am längsten

Wichtiger als diesen formalen Aspekt finde ich, dass diese Steigerungsform dem offenbar bei einigen bestehenden Bedürfnis entgegenkommt, nächste im Sinne von a) unmittelbar folgende und nächste im Sinne von b) am wenigsten weit entfernte voneinander zu unterscheiden:

  1. am nächsten Morgen
    Wir halten nicht bei dieser Tankstelle, sondern erst bei der nächsten.
  2. Dieses Zimmer liegt am *nähesten beim Ausgang.
    Ich muss tanken. Wo ist die *näheste Tankstelle?

Die Form näheste kommt nur für nächste im Sinne b) vor. Äußerungen wie am *nähesten Morgen oder Wir halten nicht bei dieser Tankstelle, sondern erst bei der *nähesten hört man nicht. Die Form näheste hat also neben nächste eine unterscheidende Funktion. Dabei steht sie als die formal regelmäßigere Form für die auch sinngemäß regelmäßigere Steigerung von nahe.

Dass diese Unterscheidung nicht an den Haaren herbeigezogen ist, zeigt ein Vergleich mit anderen Sprachen, in denen die Bedeutungen a) und b) durch verschiedene Wörter ausgedrückt werden:

unmittelbar folgend am wenigsten weit entfernt
en the next service station the nearest service station
fr la prochaine station-service la station-service la plus proche
it la prossima stazione di servizio la stazione di servizio più vicina
nl de volgende benzinepomp de dichtstbijzijnde benzinpomp
Zum Vergleich:
de die nächste Tankstelle die nächste Tankstelle

Das Deutsche ist hier nicht gerade ein Paradebeispiel für Präzision. Es gäbe also gute Gründe dafür, neben nächste auch eine Form näheste zu haben!

Bevor man mich nun aber beschuldigt, dass ich hier falsche Formen doziere, wiederhole ich noch einmal: Die Form näheste ist in der deutschen Standadsprache nicht akzeptiert. Wenn einmal eine Unterscheidung oder Verdeutlichung notwendig sein sollte, drückt man dies standardsprachlich nicht mit näheste, sondern mit zum Beispiel nächstgelegene aus. Ich möchte hier nur zeigen, dass eine Form wie näheste oft nicht einfach nur ein dummer Fehler ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn breitbandig nicht breit genug ist, wie sagt man dann?

Frage

Wenn man sagt „breitbandigere Verbindung in der Telekommunikation“, weiß jeder, was gemeint ist, aber ist diese vielleicht erst gerade erfundene Steigerungsform auch richtig? Muss es heißen „breiterbandig“ – oder ist das genau so schlimm?

Antwort

Sehr geehrte Frau M.,

wenn man denn das Wort breitbandig unbedingt steigern will oder muss, ist breitbandiger eine grammatisch richtige Möglichkeit (vgl. weiträumig –  weiträumiger, breitschultrig – breitschultriger). Diese Form ist allerdings nicht sehr geläufig. Auch breiterbandig wäre im Prinzip möglich (vgl. hochwertig – höherwertiglangfristig – längerfristig), es scheint aber noch weniger üblich zu sein.

Bei manchen Zusammensetzungen dieser Art wird der erste Teil gesteigert (längerfristig), bei vielen aber der zweite Teil, d. h. das ganze Adjektiv (zartgliedriger). Es ist übrigens nie richtig, beide Teile zu steigern (nicht: *breiterbandigere, *höherwertigere).

Stilistisch ist es wohl am besten, breitbandig nicht zu steigern, sondern – wenn Platz und andere Vorgaben es zulassen – eine Formulierung wie zum Beispiel Verbindungen mit größerer Bandbreite zu verwenden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

So schnell wie möglich, so schnell als möglich

Frage

„Wir haben Ihre Anfrage erhalten und werden diese so schnell als möglich beantworten.“ Ist das korrekt? Müsste es nicht heissen „… so schnell wie möglich“?

Antwort

Sehr geehrte Frau G.,

beide Formulierungen sind möglich und korrekt:

so schnell wie möglich
so schnell als möglich

In Vergleichen mit der Grundstufe ist das Vergleichswort normalerweise wie:

Der Baum ist gleich hoch wie das Haus.
Das Mittel war
so teuer wie nutzlos.
Ich bleibe so lange wie möglich bei euch.

In Verbindung mit möglich, das heißt, wenn so … wie möglich die Bedeutung möglichst … hat, wird seltener als statt wie verwendet:

Ich bleibe so lange als möglich bei euch.

Ebenso:

so bald wie möglich / so bald als möglich
so rasch wie möglich / so rasch als möglich
so viel wie möglich / so viel als möglich
usw.

Die Verwendung von als ist seltener, sie gilt aber in diesem Fall als korrekt. Sehen Sie auch diese Seite der CanooNet-Grammatik (insbesondere unter „Vergleichswort“).

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Bopp

Das Allerwesentlichste

Frage

Bisher glaubte ich, dass „das Allerwesentlichste“ eindeutig zuviel ist; also „das Wesentliche in Kürze“, allenfalls noch „das Wesentlichste in Kürze“. Nun habe ich gesehen, dass es dafür sogar Übersetzungen in Englisch, Portugiesisch etc. gibt. Kann man das so sagen?

Antwort

Sehr geehrte Frau M.,

im Prinzip reicht es, das Wesentlichste zu sagen, wenn man das wirklich Wichtigste meint. Wesentlicheres als das Wesentlichste kann es rein logisch gesehen ja nicht geben. Dennoch kennt das Deutsche eine Vorsilbe, mit der man Superlative zusätzlich verstärken kann: aller-:

allerbeste
allergrößte
allerheiligste
allerliebste
allerschönste
allerwichtigste
usw.

Die Form allerwesentlichste gibt es also – und sie ist korrekt. Stilistisch gesehen sollte man Formen mit aller- aber eher sparsam verwenden, denn man riskiert sonst ziemlich marktschreierisch zu wirken.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warum „am besten“ kein großes B hat

Frage

Ich weiß nicht, ob es auf folgende Frage überhaupt eine Antwort gibt, aber wieso werden Superlative, die mit am gebildet werden, nicht wie Nomen behandelt und großgeschrieben? Spielt mir mein Sprachgefühl hier einen Streich und macht mich glauben, dass diese Superlative großgeschrieben werden „sollten“, da nach der verschmolzenen Präposition (an + dem = am) großgeschrieben wird?

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

warum schreibt man Superlativformen mit am wie zum Beispiel am besten klein, wenn man mit wie nach ihnen fragen kann? Die einfachste Antwort auf diese Frage lautet: weil dies in den Rechtschreibregeln ausdrücklich so steht (amtl. Regelung § 58.2).

Es geht hier um eine Frage, die zeigt, dass es in Sprache und Rechtschreibung oft mehr als eine „logische“ Lösung gibt. Man könnte nach der allgemeinen Regel sagen, dass ein Adjektiv nach am (an dem) wie ein Nomen verwendet wird und deshalb großgeschrieben werden sollte (wie zum Beispiel in: sich nur mit dem Besten zufriedengeben). Andererseits kann man sagen, dass diese Superlativform einfach eine gebeugte Form des Adjektivs ist, die mit am und der Endung -sten gebildet wird. Entsprechend schreibt man klein.

Die Rechtschreibregelung wählt die zweite Variante. Warum? – Die Superlativform mit am wird genau gleich verwendet wie die ungebeugten Formen des Positivs und des Komparativs:

Ich finde das gut/besser/am besten.
Dieses Auto fährt schnell/schneller/am schnellsten.
das schnell/schneller/am schnellsten fahrende Auto

Die Form am …sten übernimmt die Rolle der ungebeugten Superlativform, die es bis auf wenige Ausnahmen wie herzlichst (in herzlichst grüßen) nicht gibt. Sie wird deshalb nicht als Substantivierung gesehen, sondern als eine besondere Beugungsform des Adjektivs. Dafür spricht auch die Tatsache, dass das am in dieser Verwendung auch bei besonderer Betonung nicht in an dem aufgelöst werden kann:

Ich bin nur am Besten interessiert
Ich bin nur an dem Besten interessiert

Du weißt am besten, was du brauchst.
NICHT: Du weißt an dem besten, was du brauchst.

Bei der Schreibung der mit am gebildeten Superlativformen hat also eine „logische“ Begründung (Kleinschreibung als Flexionsform) die besseren Karten als die andere (Substantivierung durch bestimmten Artikel).

Natürlich geht es auch hier nicht ganz ohne Komplikationen. Wenn man nicht mit wie, sondern mit woran fragen kann, „gewinnt“ die Substantivierung aus syntaktischen Gründen. Man schreibt die Superlativform dann auch nach am groß:

Das brauchen sie am nötigsten (Wie brauchen sie das?)
Es fehlt ihnen am Nötigsten (Woran fehlt es ihnen?)

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Zu unserer vollsten Zufriedenheit

Frage

In der Zeugnissprache taucht immer wieder die Formulierung auf: „… erledigte die Aufgaben zu unserer vollsten Zufriedenheit“. Das mag inzwischen eine Standardformulierung für einen sehr guten Mitarbeiter sein, drückt aber auch eine gewisse Respektlosigkeit vor der Logik und auch der deutschen Sprache aus. Behelfsweise nutze ich Formulierungen wie zu unserer höchsten Zufriedenheit. Nicht undankbar wäre ich für weitere Alternativvorschläge, vor allem solchen, die eine Leistung als „1a“ bewerten ohne zugleich allzu schwülstig zu sein.

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

die Formulierung zur vollsten Zufriedenheit ist zwar umstritten, aber eindeutig.

stets zu unserer vollsten Zufriedenheit = Note 1
stets zu unserer vollen Zufriedenheit = Note 2
zu unserer vollen Zufriedenheit = Note 3
usw.

Da diese „Benotung“ in Arbeitszeugnissen sehr wenig mit Logik, dafür sehr viel mit verhüllendem Sprachgebrauch zu tun hat, finde ich die Form vollste in diesem Zusammenhang nicht störend. Sie ist Teil einer unter Eingeweihten verwendeten „Geheimsprache“. So muss man zum Beispiel auch wissen, dass jemand, der sich bemühte, ein Versager auf der ganzen Linie war. Ob mir diese „Geheimsprache“ als Ganzes gefällt, ist eine ganz andere Frage.

Es gibt natürlich viele andere mögliche Formulierungen wie zum Beispiel:

stets zu unserer höchsten Zufriedenheit
waren wir äußerst zufrieden

Ich wage es aber nicht, diese oder andere Formulierungen zu empfehlen. Dafür kenne ich die „Geheimsprache“, das heißt die Regeln und Gepflogenheiten der zuständigen Chefs und Manager beim Verfassen von Arbeitszeugnissen, nicht gut genug. Jede Hinzufügung oder Weglassung kann ganz unerwartete Bedeutungsveränderungen bewirken. So liegt die Beurteilung stets zu unserer vollen Zufriedenheit ohne das Wörtchen stets eine ganze Note tiefer (siehe oben). Etwas, das in der Allgemeinsprache positiv klingt, kann in Arbeitszeugnissen ganz anders gemeint sein. Wie bereits erwähnt: Wer sich bemüht, taugt nichts.

Sie können sich deshalb mit dieser Frage besser an Verfasser und Beurteiler von Arbeitszeugnissen als an einen Sprachler wenden. Bei diesem Thema bin ich leider nicht „vom Fach“.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

In keinster Weise

Frage

In „keinster Weise“, sehr geehrter Herr Dr. Bopp, glaube ich Sie zu überfordern, wenn ich frage ob kein so steigerbar ist, wie es im z.B. Deutschen Bundestag oft gesteigert wird.

Antwort

Sehr geehrter Herr S.,

das Wort kein hat im Prinzip keine Steigerungsformen. Im Standarddeutschen kann man deshalb nur sagen in keiner Weise. In der Umgangssprache – und offenbar auch im Bundestag – hört man allerdings oft die nachdrücklichere Form in keinster Weise. Im Standarddeutschen sollte man diese Form höchstens bewusst scherzhaft übertreibend verwenden, denn sie gilt dort allgemein als nicht korrekt. Irgendwie klingt die Wendung in keinster Weise auch etwas gar gewichtig. Das könnte ihre häufigere Verwendung in Debatten im Bundestag erklären …

Wenn man es mit Nachdruck sagen will, sagt man wohl besser in gar keiner Weise oder ganz schlicht und einfach überhaupt nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn länger weniger lang ist als lang

Es wird vor allem Logiker und Fremdsprachige ziemlich erstaunen: Im Deutschen ist ein älterer Mann oft jünger als ein alter Mann, und eine jüngere Frau kann älter sein als eine junge Frau. Wie ist das möglich, wenn doch jünger und älter eindeutig die Steigerungsformen von jung und alt sind? Dann muss doch ein älterer Mann älter sein als ein alter Mann. Und eine jüngere Frau muss jünger sein als eine junge Frau.

Innerhalb eines Vergleichs ist das auch genau so: Wenn Sie einen Mann von achtunddreißig mit einem Fünfundvierigjährigen vergleichen, ist der zweite ein älterer Mann als der erste. Und mit siebenundzwanzig ist eine Frau eindeutig eine jüngere Frau als eine Zweiunddreißigjährige. Die Anwendung des Komparativs hält sich hier genau an die Bedeutung seines deutschen Namens „Höherstufe“: Er gibt einen höheren Grad der Eigenschaft an, die das Adjektiv alt oder jung ausdrückt.

Die Vergleichsformen werden aber auch außerhalb von Vergleichen angewendet. Dann haben sie kurioserweise nicht eine verstärkende, sondern eine abschwächende Funktion. Wenn man mit einer jungen Frau gesprochen hat, war die betreffende Person einfach jung. Wenn man aber sagt, dass man mit einer jüngeren Frau gesprochen hat (ohne sie dabei mit jemand anderem zu vergleichen), meint man, dass die Gesprächspartnerin nicht mehr ganz so jung, aber sicher noch nicht alt war. Wenn man diese relativen, außerhalb von Vergleichen verwendeten Charakterisierungen miteinander vergleicht, bezeichnet also tatsächlich jünger eine ältere Person als jung!

Natürlich ist alles relativ: Für Elfjährige ist jeder Mann über zwanzig ein älterer Mann und jeder über dreißig ein alter Mann. Als Sechzigjähriger hält man sich vielleicht für einen älteren Mann, aber bestimmt noch nicht für einen alten Mann. Auch hier gilt aber in beiden Fällen, dass älter jünger ist als alt.

Das ist auch bei anderen Adjektiven möglich: Niemand wartet gerne. Wenn Sie aber einmal warten müssen, welche Antwort ist Ihnen lieber: „Es wird noch längere Zeit dauern“ oder „Es wird noch lange Zeit dauern“? Eine längere Zeit ist lang, aber eine lange Zeit ist in diesem Fall noch länger. Gewinnen Sie im Lotto lieber einen größeren Geldbetrag oder einen großen Geldbetrag? Im Allgemeinen ist ein großer Gewinn mehr als ein größerer Gewinn – außer wenn man die Beträge direkt miteinander vergleicht …

Verwirrend? – Nur wenn man zu viel darüber nachdenkt und den Begriff Steigerung im Namen Steigerungsform nicht loslassen kann. Sehen Sie hier, was die Grammatik kurz zu diesem Thema zu sagen hat.