Steche oder stich dich nicht!

Frage

Es ist nirgendwo nachzulesen, wie der folgende Satz geschrieben wird: „Stich dich nicht!“ oder „Steche dich nicht!“? Es wäre sehr nett, wenn Sie mir weiterhelfen könnten. Es gab nämlich deswegen schon sehr viele Diskussionen.

Antwort

Sehr geehrter Herr K.,

richtig ist:

Stich dich nicht!

Es handelt sich hier um eine Befehlsform (einen Imperativ). Bei einer Gruppe von unregelmäßigen Verben wechselt der Selbstlaut im Stamm von e zu i, wenn sie in der Befehlsform der Einzahl stehen. Zum Beispiel:

brechen  – brich!
essen  – iss!
helfen  – hilf!
lesen  – lies!
nehmen  – nimm!

und eben

stechen – stich!

Es sind dies die gleichen Verben, bei denen es auch in der zweiten und dritten Person Einzahl der Gegenwart (Indikativ Präsens) zu einem solchen e/i-Wechsel kommt:

brechen  – du brichst er bricht
essen  – du isst, er isst
helfen  – du hilfst, er hilft
lesen  – du liest, er liest
nehmen  – du nimmst, er nimmt
stechen du stichst, er sticht

Man hört zwar hin und wieder Befehlsformen wie steche!, helfe!, lese! und benehme dich! (es ist also nicht sehr erstaunlich, dass es bei Ihnen zu Diskussionen kommt ), aber diese Formen gelten im Standarddeutschen als nicht korrekt.

Eine vollständige Liste dieser Verben finden Sie hier. Sie müssen aber nicht die ganze Liste auswendig lernen. Es gibt zumindest für Muttersprachige eine viel einfachere Regel: Wenn in der Gegenwart die ich-Form einen e-Laut und die du-Form einen i-Laut hat, hat auch die Befehlsform der Einzahl diesen i-Laut:

ich steche/du stichst  – stich!
ich lese/du liest  – lies!
ich nehme/du nimmst  – nimm!
ich zersteche/du zerstichst  – zerstich!
ich lese vor/du liest vor  – lies vor!
ich empfehle/du empfiehlst  – empfiehl!

Unsere deutsche Sprache wäre aber unsere deutsche Sprache nicht, wenn es nicht auch hier eine Ausnahm gäbe:

ich werde/du wirst – werde!

Aber das sollte man sich merken können.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eine Million Menschen kam oder kamen?

Frage

Unser Professor erwähnte in seinem Vortrag, dass die Formulierung Eine Million Menschen kamen zu XY falsch sei, da das Verb durch eine Million in der Einzahl stehen müsse. Ist das korrekt, oder gilt die Regel, dass das Subjekt im Plural steht und darum auch das Verb im Plural stehen muss?

Antwort

Guten Tag M.,

in der Mengenangabe eine Million Menschen ist das Substantiv Million der Kern der Wortgruppe, der durch das Attribut Menschen näher bestimmt wird. Rein formal hat ihr Professor deshalb recht, wenn er sagt, dass bei einem solchen Subjekt das Verb in der Einzahl stehen müsse.

Eine Million Menschen kam zu diesem Anlass.
Ein Pfund Nudeln reicht nicht.
Eine Anzahl teure Designerbrillen wurde gestohlen.

Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Das Verb wird oft nicht formal der Maßbezeichnung (dem Wortgruppenkern) sondern sinngemäß dem Gemessenen (dem Attribut) angeglichen. Dies geschieht bei Maßbezeichnungen in der Einzahl  mit einem Attribut in der Mehrzahl:   

Eine Million Menschen kamen zu diesem Anlass.
Ein Pfund Nudeln reichen nicht.
Eine Anzahl teure Designerbrillen wurden gestohlen.

Ihr Professor hat also nicht ganz recht. Nach eine Million Menschen kann das Verb auch in der Mehrzahl stehen. Strengere Grammatiker finden oder fanden die Mehrzahl hier zwar nicht korrekt, aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und zum Beispiel auch der Dudengrammatik ist sowohl eine Million Menschen kam als auch eine Million Menschen kamen korrekt. Sehen Sie hierzu auch diese Seite in Canoonet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Snowboard und Skibrett, Gleitbrett fahren und snöben

Da sich dieser Winter hartnäckiger zeigt, als mir eigentlich lieb wäre (aber Mitte Februar darf man ja noch nicht klagen), schreibe ich nach dem letztwöchigen Thema Skifahren heute etwas über Snowboard und snowboarden. Zuerst geht es um die Beugung, dann um die Wortwahl.

Wie alle im Deutschen verwendeten Verben muss sich auch snowboarden den deutschen Beugungsregeln beugen: Man nimmt die Grundform (den Infinitiv) des Verbs, schneidet -en ab und hängt die regelmäßigen deutschen Verbendungen an:

ich snowboarde, du snowboardest, er snowboardet, …
ich snowboardete, du snowboardetes, er snowboardete, …
die snowboardenden Massen

Dies gilt auch für das Partizip Perfekt, das übrigens sowohl mit sein als auch mit haben verwendet wird:

ich bin/habe gesnowboardet

Die Form gesnowboarded ist falsch, auch wenn die Endung -ed so schön zu einem englischen Verbstamm zu passen scheint. Alle Wortformen von snowboarden finden Sie hier.

Die Ableitung des Verbs snowboarden von einem Substantiv wie Snowboard folgt einer ganz normalen deutschen Wortbildungsregel, mit der unter vielen andern auch so schöne Wörter wie ehrgeizen, fuhrwerken, kuhhandeln, ohrfeigen, schauspielern und schulmeistern gebildet wurden. Auch die Wörter für Leute, die sich auf einem Snowboard fortbewegen, werden mit deutschen Endungen gebildet: Snowboarder und Snowboarderinnen wie zum Beipspiel Rodler und Rodlerinnen oder Eisläufer und Eisläuferinnen.

Beugung und Wortbildung folgen also ganz deutschen Mustern, auch wenn das Wort sehr englisch anmutet und es (ursprünglich) natürlich auch ist. Man kann sich aber die Frage stellen, ob es sich hier nicht um einen „unnötigen“ und „hässlichen“ Anglizismus handelt, den man besser durch ein deutsches Wort ersetzt. Aber welches?

Nicht in Frage kommt wohl die wörtliche Übersetzung Schneebrett. Dieses Wort hat bereits eine andere Bedeutung: Ein Schneebrett ist eine bestimmte Lawinenart. Wenn von Schneebrettgefahr die Rede ist, heißt das nicht, dass man sich vor rasenden Snowboardern in Acht nehmen soll, sondern dass man sich nicht abseits der freigegebenen Pisten bewegen sollte. Andere Vorschläge macht der Verein Deutsche Sprache e.V. in seinem Anglizismenindex: Skibrett oder Gleitbrett für Snowboard und Skibrett/Gleitbrett fahren oder schneebrettern für snowboarden.

Beim Wort Gleitbrett kann ich kurz sein, denn für mich klingt es irgendwie einfach nach Bügelbrett. Können Sie sich vorstellen, dass ein sich selbst respektierender, auch nur einigermaßen szenen- und modebewusster Snowboarder jemals von sich sagen wird, er sei ein Gleitbrettfahrer? Welche sportliche junge Frau wird sich je freiwillig als Gleibrettfahrerin bezeichnen?

Dann hat das Wort Skibrett doch die besseren Karten. Es beschreibt, was das Ding ist, es klingt nicht allzu verstaubt und man kann problemlos alle benötigten Wörter davon ableiten: Skibrett fahren, Skibrettfahrer, Skibrettfahrerin, Skibrettweltmeisterschaft usw. Da ich das Wort aber noch fast nie gehört oder gelesen habe, scheint es vorläufig doch nicht packend genug zu sein, um das Snowboard verdrängen zu können.

Ganz besonders gefällt mir der Vorschlag schneebrettern. Das klingt so „fetzig“, dass ich es ab sofort, allerdings eher scherzend als seriös, anstelle von snowboarden verwenden möchte. Am allerbesten gefällt mir aber das auf den Pisten der deutschsprachigen Schweiz gängige Verb snöben! Das ist eine Wortschöpfung, die es verdient, in den restlichen deutschen Sprachraum exportiert zu werden.

Und es ward Licht

Frage

Heute zitierte jemand in einer E-Mail die Passage „und es wart scheinbar schierer Wahnsinn“. Ich war der Meinung, es müsse ward mit d geschrieben werden, tippte also zur Überprüfung „canoo ward“ in die Adresszeile meines Bowsers (ja, ich habe mir bereits eine solche Verknüpfung angelegt), musste dann jedoch leider feststellen, dass Canoonet dieses Wort nicht in seiner Datenbank führt.

Antwort

Sehr geehrter Herr H.,

richtig schreibt man ich/er/sie/es ward und du wardst. Diese veralteten Vergangenheitsformen von werden schreibt man also tatsächlich mit d. Sie finden sie nicht in unserer Datenbank, weil sie im Standarddeutschen als veraltet gelten. Man begegnet der Form ward statt wurde heutzutage nur noch in älteren Zitaten („Und es ward Licht“) oder scherzhaft, wenn ein besonderer Effekt erzielt werden soll: „Er ging nur schnell Zigaretten holen und ward nimmermehr gesehen.“

Die Form wart gibt es übrigens auch. Es ist die zu ihr gehörende Vergangenheitsform des Verbs sein: „Ihr wart wieder einmal klasse!“ Vielleicht ist im genannten Zitat auch wart im Sinne von war gemeint, aber dann ist es entweder falsch oder greift auf ganz altes Textmaterial zurück.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Zweimal werden in einem Satz

Frage

In einer Zeitung las ich folgenden Satz: Die Weltmeisterschaft wird ohne uns stattfinden werden. Es scheint mir übeflüssig zu sein, in diesem Satz zweimal das Wort werden zu schreiben. Ist dieser Satz grammatisch richtig? Mir ist auch eingefallen, dass dieser Satz eine Wahrscheinlichkeit ausdrücken könnte.

Antwort

Sehr geehrter Herr H.,

ich vermute, dass der Zeitung hier ein Fehler unterlaufen ist. Man kann tatsächlich mit werden eine Vermutung ausdrücken:

Niemand reagiert auf das Klingeln. Sie werden nicht zu Hause sein.

Dieses werden der Vermutung wird aber in der Regel nicht wie im aus der Zeitung zitierten Satz zusammen mit einem werden der Zukunft verwendet. Das Hilfsverb werden kommt eigentlich nur im Zusammenhang mit dem werden-Passiv (dem Vorgangspassiv) zweimal in einem Satz vor.

werden-Passiv + Zukunft mit werden

Die WM wird von uns organisiert werden.

werden-Passiv + werden der Vermutung:

Das WC wird wohl gerade gereinigt werden.

Auch als sogenanntes Kopulaverb (= zusammen mit einem Adjekiv oder einem Substantiv) kann werden mit dem Hilfsverb werden kombiniert werden:

Das Wetter wird morgen schön werden.
Sie wird wohl Pilotin werden.

Vielleicht gibt es sogar noch andere Möglichkeiten, die mir im Moment nicht einfallen. Man darf richtig froh sein, dass man sich bei all diesen verschiedene Funktionen und Bedeutungen von werden (meistens) einfach auf sein Sprachgefühl verlassen kann! Erst wenn man anfängt, darüber nachzudenken, kann man so richtig schön unsicher werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Las ich oder habe ich gelesen? – Die Zeiten der Vergangenheit

Frage

Gibt es in der deutschen Sprache eine Vergangenheit und eine Vorgegenwart wie in manchen Fremdsprachen? Zum Beispiel:

Ich las ein Buch.
Ich habe ein Buch gelesen.

Ist das beides Vergangenheit oder gibt es da Unterschiede?

Antwort

Sehr geehrte Frau B.,

bei den Verbformen kennt das Deutsche die folgenden Zeiten der Vergangenheit:

Perfekt (Vorgegenwart): ich habe gelesen
Präteritum (Vergangenheit): ich las
Plusquamperfekt (Vorvergangenheit): ich hatte gelesen

Anders als in anderen Sprachen gibt es im Deutschen fast keinen Unterschied zwischen dem Perfekt und dem Präteritum. Ob Sie Ich habe ein Buch gelesen oder Ich las ein Buch sagen, hängt vor allem von stilistischen Kriterien ab. So gilt zum Beispiel das Präteritum als die typische „Erzählzeit“, die man häufig in Erzählungen, Romanen usw. verwendet. Die Region, aus der Sie kommen, kann auch eine Rolle spielen: je nördlicher, desto häufiger las, je südlicher desto häufiger habe gelesen.

Einen Unterschied gibt es aber doch: Wenn ein Bezug zur Gegenwart hergestellt wird, kann nur das Perfekt, aber nicht das Präteritum verwendet werden:

Ich habe das Buch gelesen, deshalb kenne ich es schon.
Nicht: *Ich las das Buch, deshalb kenne ich es schon.

Umgekehrt, d. h. wenn es keinen solchen direkten Gegenwartsbezug gibt, sind in der Regel sowohl Perfekt als auch Präteritum möglich:

Ich habe damals viel gelesen.
Ich las damals viel.

Es gibt noch mehr Wissenswertes zur Verwendung der verschiedenen Zeiten. So kann zum Beispiel

  • das Präsens (Gegenwart) als sogenanntes „historisches Präsens“ etwas Vergangenes ausdrücken:

Im Jahr 1492 entdeckt Kolumbus Amerika.

  • das Perfekt für etwas Zukünftiges verwendet werden:

Wir haben es bald geschafft.

Ein Übersicht dazu und weitere Hinweise finden Sie auf dieser Grammatikseite.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ich habe/bin gelegen, gesessen und gestanden.

Frage

Ich habe gerade entdeckt, dass die Verben stehen und liegen in Canoonet mit beiden Hilfsverben, haben und sein, aufgelistet sind. Ist dies so richtig? Wann benutzt man welches der beiden Hilfsverben?

Antwort

Guten Tag Fau N.,

Die Verben liegen, stehen und sitzen können tatsächlich sowohl mit dem Hilfsverb haben als auch mit dem Hilfsverb sein stehen. In diesem Fall ist aber kein subtiler Bedeutungsunterschied und keine grammatische Finesse zu beachten. Diese Verben werden im nördlichen deutschen Sprachraum mit haben und im südlichen deutschen Sprachraum mit sein verwendet. Wenn also jemand sagt: Ich habe auf dem Bett gelegen“, kommt er oder sie wahrscheinlich aus dem Norden. Käme die Person aus dem Süden, hätte sie eher gesagt: Ich bin auf dem Bett gelegen.“ Es handelt sich hier um regionale Varianten, die übrigens beide als korrekt gelten.

An der Waterkant hat man also vor verschlossener Tür gestanden, weil man zu lange in der Hafenkneipe gesessen hat, während man am Alpenrand vor verschlossener Tür gestanden ist, weil man zu lange im Beisel oder der Beiz gesessen ist.

Dies gilt auch für viele – aber nicht alle! – Zusammensetzungen mit liegen, stehen und sitzen:

Ich habe/bin eine Stunde lang im Lift festgesessen.
Du hast/bist wieder einmal völlig danebengelegen.
Für diesen Fall hätte/wäre unser ungarischer Professor zur Kandidatur bereitgestanden.
Die Tür hat/ist weit aufgestanden.

Aber man kommt im gesamten deutschen Sprachraum zu spät, weil man nicht rechtzeitig aufgestanden ist.

Sehen Sie hierzu auch hier den 3. Abschnitt „stehen, liegen, sitzen“.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Gebührt oder gebühren ihm Respekt und Anerkennung?

Frage

Wie muss es richtig heißen: „dafür gebührt ihm Respekt und Anerkennung“ oder „dafür gebühren ihm Respekt und Anerkennung“?

Antwort

Sehr geehrter Herr S.,

wenn das Subjekt aus mit und verbundenen Teilen besteht, muss das Verb im Prinzip im Plural stehen. Das Subjekt ist hier Respekt und Anerkennung.

Dafür gebühren ihm Respekt und Anerkennung.

Bei Wortpaaren, die ohne Artikel stehen und die als eine Einheit aufgefasst werden, kann das Verb aber auch im Singular verwendet werden. Zum Beispiel:

Freund und Feind war eingeladen. Essen und Trinken wurde draußen serviert, während im Saal Musik und Tanz die Gäste erfreute.

oder

Freund und Feind waren eingeladen. Essen und Trinken wurden draußen serviert, während im Saal Musik und Tanz die Gäste erfreuten.

Wenn ein solcher Empfang ein voller Erfolg war, lässt sich über den Organisator sagen:

Dafür gebührt im Respekt und Anerkennung.

Beide Formulierungen sind also möglich. Wenn man die Singularform gebührt verwendet, wird Respekt und Anerkennung als eine zusammengehörende Einheit aufgefasst. Nimmt man die Pluralform gebühren, sind Respekt und Anerkennung zwei selbstständige Einheiten. Sehen Sie auch die entsprechende Grammatikseite.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die indirekte Rede und der Konjunktiv

Frage

Ich habe eine Frage zur indirekten Rede: Wenn ich die Ausführungen im aktuellen Duden richtig verstehe, muss man in den Fällen, bei denen der eigentlich zu verwendende Konjunktiv Präsens mit dem Indikativ Präsens identisch ist, den Konjunktiv Präteritum verwenden. Stimmt das? Dieses ständige hätten stört mein Sprachgefühl, aber vielleicht liege ich da ja falsch und meine Kollegen, die das haben stört, richtig.

Beispiel:
Er sagte: „Wir haben uns getroffen.“
Er sagte, sie haben sich getroffen. ODER Er sagte, sie hätten sich getroffen.

Antwort

Sehr geehrte Frau F.,

die indirekte Rede wird mit Hilfe von zwei Mitteln ausgedrückt:

  • Konjunktiv
  • Nebensatz

In der indirekten Rede verwendet man im Prinzip den Konjunktiv I (Konjunktiv Präsens). Der Satz Er sagt: Ich habe sie getroffen“ wird dann in der indirekten Rede zu:

Er sagte, er habe sie getroffen.
Er sagte, dass er sie getroffen habe.

Der Konjunktiv gibt an, dass es sich nicht um die eigenen, sondern um die Worte von jemand anders handelt. Wenn nach Verben wie sagen, behaupten, erklären, erzählen, fragen usw. ein mit dass, ob oder einem Fragewort eingeleiteter Nebensatz folgt, kann das darin Ausgedrückte eigentlich nichts anderes als indirekte Rede sein. Deshalb ist der Konjunktiv nicht mehr unbedingt notwendig und wird in einem solchen Nebensatz auch der Indikativ verwendet:

Er sagte, dass er sie getroffen hat.

Einige strengere Grammatiker, bezeichnen die die Verwendung des Indikativs auch im Nebensatz als falsch oder umgangssprachlich. Diese Meinung teile ich nicht. In einem nicht eingeleiteten Nebensatz ist allerdings von der Verwendung des Indikativs abzuraten. Also nicht: Er sagte, er hat sie getroffen, denn das stimmt mit der direkten Rede überein: Er sagte: „Er hat sie getroffen.“

Wenn der Konjunktiv I mit dem Indikativ Präsens zusammenfällt, ist die Kennzeichnung der indirekten Rede durch den Konjunktiv nicht mehr möglich:

Nicht: Er sagte, sie haben einander getroffen

Sie müssen dann wie vom Duden angegeben auf den Konjunktiv II (oder in bestimmten Fällen auf die würde-Form) ausweichen.

Er sagte, sie hätten einander getroffen.
Er sagte, dass sie einander getroffen hätten.

Im Nebensatz ist dieses hätten allerdings nicht unbedingt notwendig, denn dort ist ja – wie oben erwähnt – auch der Indikativ möglich:

Er sagte, dass sie einander getroffen haben.

Ein weiteres Beispiel:

nicht: Sie sagten, sie verlieren die Geduld.
sondern: Sie sagten, sie verlören die Geduld
dafür gebräuchlicher: Sie sagten, sie würden die Geduld verlieren.

Oder mit einem Nebensatz:

Sie sagten, dass sie die Geduld verlören/verlieren würden.
Sie sagten, dass sie die Geduld verlieren.

Wenn Sie Ihrem Sprachgefühl folgend in solchen Fällen lieber nicht den Konjunktiv II (Konjunktiv Präteritum) oder die würde-Form verwenden, können Sie also immer erwägen, die indirekte Rede in einem Nebensatz auszudrücken.

Mehr Angaben finden Sie hier:
Indirekte Rede
insbesondere:
Indirekte Rede und Konjunktiv
Stilistische Kriterien

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Aggregat ist Probe gelaufen: Hilfsverb bei laufen

Frage

Welcher Satz ist korrekt: Gestern ist das neue Notstrom-Aggregat zur Probe gelaufen oder Gestern hat das neue Notstrom-Aggregat zur Probe gelaufen?

Antwort

Sehr geehrter Herr K., das Verb laufen wird meistens mit sein konjugiert:

Ich bin nach Hause gelaufen.
Ich bin schnell gelaufen.
Ich bin zehn Kilometer weit gelaufen.
Der Schweiß ist mir über das Gesicht gelaufen.

Ausnahmen sind Verwendungen wie zum Beispiel:

Ich habe mich müde gelaufen.
Ich bin oder habe 8 Runden gelaufen.
Ich bin oder habe einen neuen Rekord gelaufen.
Ich bin (selten: habe) Ski gelaufen.

Auch die Wendung Probe laufen steht mit dem Hilfsverb sein:

Gestern ist das neue Notstromaggregat Probe gelaufen.

Wie Sie sehen, lasse ich zur weg. In diesem Sinne sagt man besser einfach Probe laufen als zur Probe laufen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp