Nicht minder wichtig als oder wie

Die Frage nach als und wie in Vergleichen ist ein Dauerbrenner in vielen Diskussionen rund um den korrekten Sprachgebrauch. „Bei Gleichheit wie, bei Ungleichheit als“, lautet die allgemeine Regel:

gleich groß wie
größer als

Die Formulierung größer wie wird im Allgemeinen als falsch oder zumindest als nur umgangssprachlich bezeichnet. Sie kommt allerdings so häufig vor, dass ich mich schon lange frage, ob man diese Regel nicht einmal etwas lockerer nehmen könnte. Doch darum geht es hier heute nicht. Die maßgeblichen deutschsprachigen Geister (wer immer das sein mag) sind noch lange nicht so weit. Man sollte deshalb in der Standardsprache als und wie noch schön säuberlich voneinander trennen.

Doch wie ist es genau im folgenden Fall?

Frage

Die Aufgabe lautet:

Die Vorbereitungen halte ich für nicht minder wichtig … die eigentliche Arbeit.

Auf dem Lösungsblatt steht „wie“. Da es sich um einen verneinten ungleichen Vergleich handelt, bin ich aber für „als“. Was meinen Sie?

Antwort

Sehr geehrte Frau K.,

Sie haben recht. Im heutigen Standarddeutsch sollte hier als stehen. Mit nicht minder wird auf der Bedeutungsebene zwar eine Art Gleichheit ausgedrückt, die eigentliche Konstruktion ist aber, wie Sie richtig sagen, ein verneinter ungleicher Vergleich. Bei Ungleichheit steht in Vergleichen als.

Die Vorbereitungen halte ich für minder wichtig als die eigentliche Arbeit.
Verneint:
Die Vorbereitungen halte ich für nicht minder wichtig als die eigentliche Arbeit.

Dass die Verneinung hier keinen Einfluss auf die Wahl von als oder wie hat, zeigen auch die folgenden Beispiele:

– Sie sind besser als wir.
– Nein, sie sind nicht besser als wir.

– Mit dem Zug ist man weniger schnell als mit dem Auto.
– Nein, mit dem Zug ist man nicht weniger schnell als mit dem Auto.

Kurz zusammengefasst: Bei verneinter Ungleichheit steht in Vergleichen als. Komplizierter als das ist es nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Rechtsklicken Sie?

Frage

Bei uns kam die Diskussion auf, ob es das Wort „rechtsklicken“ überhaupt gibt. Zum Beispiel:

Rechtsklicken Sie auf das Objekt, um das Kontextmenü zu öffnen.

Ich finde, dass das furchtbar klingt, bin mir aber nicht sicher, ob man es dennoch verwenden kann/darf.

Antwort

Sehr geehrte Frau F.,

wenig subtil ausgedrückt könnte man sagen: Wenn Sie ein Wort verwenden, gibt es das Wort. Die Frage ist nur, ob es verständlich und üblich ist.

Ist rechtsklicken verständlich? – Die meisten, die regelmäßiger mit einer Computermaus arbeiten, sollten eigentlich verstehen, was mit rechtsklicken gemeint ist.

Ist rechtsklicken üblich? – Das Wort kommt relativ häufig vor. Selbst ein eingefleischter Apple-Nutzer wie ich hat es schon hin und wieder gelesen. (Ich besitze keine Macintosh-Aktien und bin auch sonst in keiner Weise mit Apple verwandt oder verschwägert. Ich erwähne dies nur, weil Apple-Mäuse in der Regel keine rechte Maustaste haben.)

Ihr Zweifel ist aber dennoch verständlich. Das Verb rechtsklicken gehört zu einer Gruppe von zusammengesetzten Verben, die häufig nur im Infinitiv (und Partizip) verwendet werden. Andere Beispiele sind:

bauchtanzen, fehlernähren, kaltschweißen, paarlaufen, seilhüpfen, tieftauchen

Bei den konjugierten Formen entsteht im Hauptsatz nämlich eine Problem: Ist das Verb trennbar, wie seine Betonung es eigentlich vermuten ließe, oder ist es untrennbar? Heißt es also ich rechtsklicke oder ich klicke rechts? Diese Frage stellt sich bei rechtsklicken auch für die Befehlsform, die man in Anleitungen u. Ä. häufiger antrifft:

a) Rechtsklicken Sie auf das Objekt!
b) Klicken Sie rechts auf das Objekt!
c) Klicken Sie auf das Objekt rechts!

Die meisten werden wohl einverstanden sein, dass für das Verb rechtsklicken nur die untrennbare Variante a) in Frage kommt.

Weshalb „klemmt“ die Formulierung aber trotzdem irgendwie? Das hat mit der Betonung zu tun. Das Verb rechtsklicken wird auf dem ersten Teil betont: rechtsklicken. Verben, die auf dem ersten Teil betont werden, sind normalerweise trennbar. Zum Beispiel:

einladen: Laden Sie die Waren ein!
entladen: Entladen Sie den Wagen!

umfahren: Fahren sie den Kegel um!
umfahren: Umfahren Sie den Kegel!

anklicken: Klicken Sie das Objekt an!
verklicken: Verklicken Sie sich nicht!
rechtsklicken: Rechtsklicken Sie auf das Objekt!

Deshalb klingt die ungetrennte Befehlsform Rechtsklicken Sie! ungewohnt. Solche ungetrennten Formen kommen allerdings auch bei einigen anderen Verben vor, die auf dem ersten Wortteil betont werden. Zum Beispiel:

Downloaden Sie hier unseren Katalog!
Staubsaugen Sie die Teppiche regelmäßig!

Der langen Rede kurzer Sinn: Gegen den Infinitiv rechtsklicken als fachsprachlichen Begriff gibt es wenig einzuwenden. Es ist auch nicht „verboten“, ungetrennte Formen wie Rechtsklicken Sie! oder Rechtsklicke! zu verwenden. Sie klingen für viele eher ungewohnt, aber sie sind nicht grundsätzlich falsch. Stilistisch gesehen würde ich aber trotzdem in den meisten Fällen eine etwas wortreichere Formulierung verwenden:

Klicken Sie mit der rechten Maustaste auf das Objekt!

Dasselbe gilt übrigens auch für doppelklicken

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Manchmal ist besonders nicht besonders

Frage

Vor einiger Zeit habe ich einer Studentin den folgenden Satz angekreidet:

Besonders ist schon die Rezeptionsgeschichte von Mozarts Requiem.

Meine Kritik bezog sich darauf, dass „besonders“ in dem Beispielsatz die Funktion eines Adjektivs habe, was aber nicht korrekt sei, da „besonders“ nur als Adverb verwendet werden könne. Nun hat ein Satz in einer seriösen deutschen Wochenzeitung meine Auffassung ein wenig ins Wanken gebracht. Dort lese ich:

Das war sehr besonders an ihr.
(http://www.zeit.de/2011/45/Annie-Leibovitz/seite-3)

[…] Ist es standardsprachlich korrekt, „besonders“ als prädikatives Adjektiv zu verwenden?

Antwort

Sehr geehrter Herr S.,

Sie haben recht: In der deutschen Standardsprache wird besonders nur adverbial verwendet:

Wir werden das Thema noch besonders behandeln.
Ich möchte besonders darauf hinweisen, dass …
Was hat dir an diesem Film besonders gefallen?
Dr. Bopp kann reizbar sein, besonders wenn er schlecht geschlafen hat.
eine besonders elegante Kreation

Das Wort besonders tritt in der Standardsprache nicht als prädikativ verwendetes Adjektiv auf. Die Verwendung von besonders in den Sätzen, die Sie zitieren, wird zur gesprochenen (regionalen) Umgangssprache gerechnet:

Besonders ist die Rezeptionsgeschichte von Mozarts Requiem.
Das war sehr besonders an ihr.

Das Adverb besonders wird hier anstelle der nicht vorhandenen endungslosen Form des Adjektivs besondere verwendet. Das ist nicht sehr erstaunlich, denn es fehlt hier eigentlich eine Form:

Es ist eine interessante Rezeptionsgeschichte.
Interessant ist die Rezeptionsgeschichte.

Es ist eine besondere Rezeptionsgeschichte.
??? ist die Rezeptionsgeschichte.

Das war eine sehr bemerkenswerte Eigenschaft von ihr.
Das war sehr bemerkenswert an ihr.

Das war eine sehr besondere Eigenschaft von ihr.
Das war sehr ??? an ihr.

In der Standardsprache kann man für diese fehlende Form auf Adjektive wie zum Beispiel außergewöhnlich und bemerkenswert oder auf eine andere Formulierung ausweichen:

Außergewöhnlich ist die Rezeptionsgeschichte.
Das war sehr bemerkenswert / etwas sehr Besonderes an ihr.

In der Umgangssprache wird hier aber, wie man sieht, manchmal das Adverb besonders verwendet.

Eine häufig vorkommende, ebenfalls umgangssprachliche Wendung ist nicht besonders im Sinne von nicht gut:

Es geht ihr heute nicht besonders.
Der Film ist nicht besonders.

Umganssprachlich kann man also sagen, dass die Verwendung von besonders als prädikatives Adjektiv standardsprachlich nicht besonders ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die nächste und die näheste Tankstelle

Frage

Mich fragte ein Student neulich, was es mit dem Komparativ und Superlativ von „nah“ auf sich hat.

nah – näher – am nächsten

Gibt es nicht auch im Volksmund den Begriff „am nähesten“ und ist das eine legitime Alternative?

Antwort

Sehr geehrter Herr D.,

das Adjektiv nah oder nahe hat nach den Angaben aller Grammatiken, Lehrbücher und Wörterbücher die folgenden Steigerungsformen:

nah(e) – näher – am nächsten

Dies sind die standardsprachlich akzeptierten Formen. Daneben trifft man aber auch die Superlativform am nähesten an. Sie gilt standardsprachlich als nicht korrekt, aber sie ist nicht einfach nur „dumm“. Sie lässt sich wahrscheinlich wie folgt erklären:

Die Form näheste folgt einem regelmäßigen Steigerungsmuster:

nah – näher – am nähesten

wie zum Beispiel:

froh – froher – am frohesten
lang – länger – am längsten

Wichtiger als diesen formalen Aspekt finde ich, dass diese Steigerungsform dem offenbar bei einigen bestehenden Bedürfnis entgegenkommt, nächste im Sinne von a) unmittelbar folgende und nächste im Sinne von b) am wenigsten weit entfernte voneinander zu unterscheiden:

  1. am nächsten Morgen
    Wir halten nicht bei dieser Tankstelle, sondern erst bei der nächsten.
  2. Dieses Zimmer liegt am *nähesten beim Ausgang.
    Ich muss tanken. Wo ist die *näheste Tankstelle?

Die Form näheste kommt nur für nächste im Sinne b) vor. Äußerungen wie am *nähesten Morgen oder Wir halten nicht bei dieser Tankstelle, sondern erst bei der *nähesten hört man nicht. Die Form näheste hat also neben nächste eine unterscheidende Funktion. Dabei steht sie als die formal regelmäßigere Form für die auch sinngemäß regelmäßigere Steigerung von nahe.

Dass diese Unterscheidung nicht an den Haaren herbeigezogen ist, zeigt ein Vergleich mit anderen Sprachen, in denen die Bedeutungen a) und b) durch verschiedene Wörter ausgedrückt werden:

unmittelbar folgend am wenigsten weit entfernt
en the next service station the nearest service station
fr la prochaine station-service la station-service la plus proche
it la prossima stazione di servizio la stazione di servizio più vicina
nl de volgende benzinepomp de dichtstbijzijnde benzinpomp
Zum Vergleich:
de die nächste Tankstelle die nächste Tankstelle

Das Deutsche ist hier nicht gerade ein Paradebeispiel für Präzision. Es gäbe also gute Gründe dafür, neben nächste auch eine Form näheste zu haben!

Bevor man mich nun aber beschuldigt, dass ich hier falsche Formen doziere, wiederhole ich noch einmal: Die Form näheste ist in der deutschen Standadsprache nicht akzeptiert. Wenn einmal eine Unterscheidung oder Verdeutlichung notwendig sein sollte, drückt man dies standardsprachlich nicht mit näheste, sondern mit zum Beispiel nächstgelegene aus. Ich möchte hier nur zeigen, dass eine Form wie näheste oft nicht einfach nur ein dummer Fehler ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Bis zu und die Fälle

Frage

Welcher Fall steht nach der Präposition „bis zu“? Zum Beispiel:

Sie können bis zu 20 Bücher(n) aussuchen.
Das Projekt kann bis zu 2 Jahre(n) dauern.

Was bestimmt in diesen Beispielen den Fall?

Antwort

Sehr geehrte Frau G.,

die Wendung bis zu ist in Ihren Beispielen nicht als Präposition zu verstehen, die den Fall bestimmt. Man muss bis zu hier mit einem Adverb wie höchstens vergleichen. Den Fall bestimmt also nicht bis zu, sondern die weitere Satzkonstruktion. Konkret gesagt bedeutet dies: Wenn bis zu weggelassen oder durch höchstens ersetzt werden kann, steht der gleiche Fall, wie wenn nichts steht oder höchstens eingesetzt wird. Zum Beispiel:

Sie können bis zu 20 Bücher aussuchen.
Vgl. Sie können (höchstens) 20 Bücher aussuchen.

Sie können aus bis zu 20 Büchern auswählen.
Vgl. Sie können aus (höchstens) 20 Büchern auswählen.

Das Projekt kann bis zu zwei Jahre dauern.
Vgl. Das Projekt kann (höchstens) zwei Jahre dauern.

eine Verspätung von bis zu 2 Jahren
eine Verspätung von (höchstens) 2 Jahren

Die Teilnehmer sind bis zu 50 Jahre alt.
Die Teilnehmer sind (höchsten) 50 Jahre alt.

Wenn bis zu nicht weggelassen und nicht durch höchstens ersetzt werden kann, steht wie nach einfachem zu der Dativ:

Teilnehmen können Jugendliche bis zu 18 Jahren.
Gemeinden bis zu 5 000 Einwohnern

Hier wird das zu wird gelegentlich weggelassen. Dann steht nach bis der Akkusativ:

Teilnehmen können Jugendliche bis 18 Jahre.

Das klingt alles komplizierter als es ist. Je nachdem ob bis zu als Präposition oder wie ein Adverb verwendet wird, bestimmt es den Fall oder eben nicht. Und wenn Sie wieder einmal unsicher werden sollten, können Sie alles hier nachlesen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Befehle Er/Sie heute nicht mehr so!

Frage

Es geht um die etwas altertümliche Anrede „er“. Benutzt man hierbei bei einem Befehl den Imperativ oder den Konjunktiv? Heißt es also beispielsweise „Gib Er mir das Buch!“ oder „Gebe Er mir das Buch!“? Ich bin auf Beispiele gestoßen, die beide Möglichkeiten nahelegen, aber eine eindeutige Aussage habe ich nicht gefunden.

Antwort

Sehr geehrter Herr K.,

diese Form der Anrede und Aufforderung ist nicht nur etwas altertümlich, sondern hoffnungslos veraltet. Ob Sie jemanden nun mit „Nehme Er Platz!“ oder „Nimm Er Platz!“ auffordern sich zu setzen, die zu erwartenden Reaktionen sind verwundertes Kopfschütteln, beleidigtes Schnauben,  nicht verstehendes „Wie bitte?“ oder einfach amüsiertes Lächeln. Die Anrede „Er“ für einen Mann oder „Sie“ für eine Frau wurde gegenüber Untergebenen und Standesniedrigeren verwendet.

Johann, melde Er der Gräfin meine Ankunft!
Frau Wirtin, hat Sie guten Wein im Hause?

Das ist ein weiterer Grund, weshalb man diese Anrede heute nur noch scherzhaft oder in Kostümfilmen und historischen Romanen verwenden sollte.

Eine Aufforderung in der dritten Person steht im Prinzip im Konjunktiv I. Dies ist uns aber nicht bewusst, weil die Formen des Indikativs und des Konjunktivs in der dritten Person Plural (Sie)  identisch sind:

Geben Sie mir ein Glas Wasser!
Nehmen Sie Platz!

Der Konjunktiv ist nur noch beim Verb sein ersichtlich:

Seien Sie still!

In den veralteten Befehlsformen der dritten Person Einzahl (Er, Sie) steht ebenfalls der Konjunktiv I. Er ist meistens identisch mit dem Imperativ der zweiten Person Einzahl:

Hole Sie ein Glas Wasser!
Sei er still!
Führe Sie die Kinder hinaus!

Dabei konnte wie im Imperativ die Endung e wegfallen:

Schweig[e] Er!

Nur bei den Verben, die im Imperativ Singular einen Ablaut haben, ist der Unterschied ersichtlich:

Gebe Er mir ein Glas Wasser! (nicht Gib Er …!)
Helfe Er mir auf das Pferd! (nicht Hilf Er …!)
Nehme Sie sich der Kinder an! (nicht Nimm Sie …!)
Trete Sie näher! (nicht Tritt Sie …!)

Man verwendet hier also nicht die Imperativformen der zweiten (!) Person Singular, sondern die Konjunktiv-I-Formen der dritten Person Singular. Bei so viel Formengleichheit ist es allerdnigs nicht erstaunlich, dass sich nicht immer alle an diese Regel halten und gehalten haben.

Dr. Bopp

Am Hafen von Boston

Frage

Ich wüsste gerne, wie es richtig heißt:

Er sitzt auf einer Bank an Bostons Old Harbor.

oder:

Er sitzt auf einer Bank am Bostoner Old Harbor.

Ist womöglich beides richtig? Die zweite Variante schätze ich als richtig ein, aber die erste gefällt mir besser. Oder sitzt man gar nicht am Hafen wie man am Strand sitzt?

Antwort

Sehr geehrte Frau S.,

Sie können die Formulierung wählen, die Ihnen besser gefällt. Möglich sind beide. Man kann hier sowohl den Genitiv des Ortnamens als auch das zum Ortsnamen gehörende Adjektiv verwenden:

an Bostons Old Harbor
am Bostoner Old Harbor

durch Deutschlands Wälder wandern
durch die deutschen Wälder wandern

in Genfs Nobelquartieren
in den Genfer Nobelquartieren

Tritt Italiens Ministerpräsident zurück?
Tritt der italienische Ministerpräsident zurück?

Der Genitiv wirkt oft etwas gehobener.

Ausnahmen gibt es natürlich auch. Beispiele dafür sind feste Wendungen und Namen, die nur in einer bestimmten Form üblich sind wie die Bremer Stadtmusikanten, das Deutsche Eck, die Salzburger Nachrichten oder die Emmentaler Liebhaberbühne. Zu guter Letzt: Man kann am Hafen sitzen. Wenn es ein schöner oder interessanter und nicht piratenfilmartig gefährlicher Hafen ist, geht das sogar sehr gut!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Die im Titel verwendete Formulierung mit von ist meist auch möglich, stilistisch aber nicht immer empfehlenswert und bei einigen sogar als „genitivmordend“ verpönt.

Wem gehört unser Geschenk?

Die erste Weihnachtsbeleuchtung hängt bereits. Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen! Passend dazu die folgende Frage, die sich allerdings auf Geschenke aller Art bezieht:

Frage

Ich wollte ein paar Sätze zu einem erhaltenen Geschenk schreiben und bin bei der Suche nach einer geeigneten Formulierung auf folgendes „Problem“ gestoßen. Wenn ich von „unserem Geschenk“ spreche, so ist doch damit eher das Geschenk von uns für jemand anderen gemeint und weniger das Geschenk für uns, also eines, das wir erhalten haben. Oder anders ausgedrückt unser Geschenk ist (zumindest nach dem Schenkvorgang) nicht unseres. Oder verhält es sich doch ganz anders? Gibt es evtl. einen anderen Ausdruck, der zu einer eindeutigeren Formulierung führt?

Antwort

Guten Tag P.,

mit unser Geschenk ist meist unser Geschenk für jemanden gemeint. Es bleibt auch dann unser Geschenk, wenn der Schenkvorgang abgeschlossen ist. Nur die verschenkte Flasche, CD oder iPad-Hülle ist nach dem Schenkvorgang nicht mehr von uns in unserem Besitz. Besitzanzeigende Wörter wie unser geben ein „Besitzverhältnis“ im weitesten Sinne an. Das Wort Geschenk bezieht sich hier gewissermaßen auf den Vorgang und die Absicht, die von uns ausgehen. Vorgang und Absicht bleiben dieselben, nur das Verschenkte wechselt den Besitzer. Sie können sich also gut wie folgt für ein Geschenk bedanken, das Sie erhalten haben: „Vielen Dank für euer Geschenk!“

Es wird allerdings komplizierter! Trotz allem, was bis jetzt gesagt wurde, nennen gelegentlich auch die Beschenkten das Geschenkte unser Geschenk. Dann geht es nicht mehr um Vorgänge und Absichten, sondern um das Haben, das Besitzen im wörtlichen Sinne. So drücken sich zum Beispiel zwei Geschwister grammatikalisch völlig korrekt aus, wenn sie sich unter dem Weihnachtsbaum streiten: „Das ist mein Geschenk, nicht deins!“ Damit wollen die lieben Kleinen in der Regel deutlich sagen, dass sie das mein Geschenk genannte Geschenk erhalten haben.

Sowohl die Schenkenden als auch die Beschenkten können also von unser Geschenk reden. Normalerweise ergibt sich dabei aus dem Kontext, was gemeint ist. Sollte dies einmal nicht der Fall sein, kann die Schenkrichtung zum Beispiel mit Hilfe von für und von angegeben werden:

Gefällt dir unser Geschenk?

Gefällt dir unser/das Geschenk für deine Mutter?
Gefällt dir unser/das Geschenk von deiner Mutter?

Doch wie gesagt, außer vielleicht dann, wenn mehrere Geschenke für mehrere Personen unter einem Weihnachtsbaum liegen, ist in der Regel klar, um wessen Geschenk es sich bei etwas Geschenktem handelt, ganz gleich ob nun unser, euer oder das vor Geschenk steht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Frage mit dem Ausrufezeichen

Frage

Ich habe eine Frage zu den Satzzeichen. Gesetzt den Fall, es findet eine Unterhaltung statt, in der einer der Partizipierenden sehr aufgebracht ist, wie kann ich das korrekt zum Ausdruck bringen? Zum Beispiel: „Sie wagen es, mich anzugreifen?!?“

Gibt es die Möglichkeit, Ausrufezeichen mit Fragezeichen zu kombinieren? Wenn ich lediglich ein Ausrufezeichen setze, ist zwar zum Ausdruck gebracht, dass hier eine stärkere Emotion vorherrscht, jedoch wird die Bedeutung dadurch verschoben. Was für „korrekte“ Möglichkeiten gibt es?

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

wenn eine Frage gleichzeitig auch ein Ausruf ist, kann man nach dem Fragezeichen noch ein Ausrufezeichen setzen:

Sie wagen es, mich anzugreifen?!
Wer soll das noch verstehen?!

Im Prinzip reicht es, ein Fragezeichen und ein Ausrufezeichen zu setzen. Mehrfache Frage- und Ausrufezeichen wirken eher comicartig (was sich allerdings manchmal gut als Stilmittel einsetzen lässt).

Wie man sieht, kann eine Äußerung gleichzeitig Frage und Ausruf sein. Die Grenzen zwischen Frage, Ausruf, Aufforderung und Aussage sind nicht ganz so deutlich, wie man dies auf Anhieb meinen würde.

Eine Frage ist einfach zu erkennen. Sie fängt entweder mit der konjugierten Verbform oder mit einem Fragewort an und man schließt sie mit einem Fragezeichen ab:

Hast du Zeit?
Wann hast du Zeit?

Es gibt aber auch Aussagesätze, die als Frage gemeint sind:

Du bist schon 16 Jahre alt?
Ich kann Deutsch mit Ihnen reden?

Es handelt sich meist um Vergewisserungsfragen, das heißt Fragen, deren Antwort man zu kennen glaubt und die man nur zur Vergewisserung stellt.

Es gibt auch Fragesätze, die gar nicht als Fragen gemeint sind. Dazu gehören rhetorische Fragen:

Wer hört schon auch mich? (= Es hört ohnehin nie jemand auf mich.)
Habe es dir nicht gesagt? (= Ich habe es dir doch gesagt.)

Auch höfliche Aufforderungen kleiden wir oft in die Form einer Frage:

Kannst du bitte herkommen?

Wenn die Aufforderung etwas eindringlicher gemeint ist, kann man auch mit einem Ausrufezeichen abschließen:

Kommst du bitte sofort hierher!

Nicht alle Fragen sind also als Fragesatz formuliert und nicht alles, was  wir als Fragesatz formulieren, ist auch als Frage gemeint.

Noch viel inkonsequenter sind wir, wenn es um Aufforderungen geht. Das Deutsche stellt uns dafür eigentlich den Imperativ, die Befehlform, zur Verfügung:

Geh schlafen!
Löschen Sie bitte das Licht!

Damit geben wir uns aber nicht zufrieden. Wie bereits oben gesagt, gießen wir eine höfliche Aufforderung häufig in die Form einer Frage:

Gehst du bitte schlafen?
Könnten Sie bitte das Licht löschen?

Damit ist unser Repertoire an Aufforderungsarten noch lange nicht ausgeschöpft. Bei Hinweistafeln, Zetteln, Anleitungen, Geboten und Verboten, die sich nicht an eine bestimmte Person richten, steht oft ein Infintiv:

Bitte beim Verlassen des Raumes Licht löschen.

Auch die Modalverben müssen und sollen können verwendet werden, um eine Aufforderung zu formulieren:

Du musst herkommen!
Sie sollten das Licht löschen!

Wenn man ihn entsprechend betont, kann auch ein Aussagesatz im Präsens oder Futur als dringliche Aufforderung dienen:

Du gehst jetzt schlafen!
Sie werden sofort das Licht löschen!

Erstaunlicherweise kann man sogar ein Passiv mit unpersönlichem es oder ganz ohne Subjekt als nachdrückliche Aufforderung verstehen:

Es wird jetzt geschlafen!
Nun wird sofort das Licht gelöscht!

Eine Frage ist nicht immer eine Frage, ein Aussagesatz kann auch Frage oder Aufforderung sein und alle möglichen Formulierungen können als Aufforderung gemeint sein. Wer soll das noch verstehen?!

Ganz so schlimm ist es allerdings nicht. Wir verstehen all diese Formulierungen meist problemlos. Zum Problem werden sie erst dann, wenn man die Bezeichnungen Aussagesatz, Fragesatz und Aufforderungssatz allzu eng nimmt und den Sätzen ausschließlich die Funktion zugesteht, nach der sie benannt sind.

Ich warte schon darauf/auf ihn

Frage

Für mich war es eigentlich immer klar:

  • Lebewesen: Präposition + Pronomen (mein Vater – ich denke an ihn)
  • Dinge: Pronominaladverb (der Unfall – ich muss oft daran denken).

Mein Problem sind nur Formulierungen wie die folgenden:

Angst – Wie gehe ich mit ihr um?
Schüchternheit – Manche schämen sich für sie, andere ärgern sich über sie und wieder andere fürchten sie.

Natürlich steht im letzten Satz „Schüchternheit = sie“, aber schämt man sich nicht dafür und ärgert sich darüber? Oft klingt die Formulierung Präposition+ Pronomen ganz normal, manchmal bekomme ich aber Bauchschmerzen. Damit kann ich nicht arbeiten! Ich könnte abschließend sagen: „Der nächste Wutanfall beim Korrigieren kommt bestimmt. Ich warte schon darauf / auf ihn“. Ja, was denn nun?

Antwort

Sehr geehrter Herr S.,

es steht zu befürchten, dass ich Ihre eventuellen Wutanfälle nicht durch die Angabe einer eindeutigen Regel verhindern kann. Ich würde Ihnen aber dringend empfehlen, sich in diesem Bereich vor allem auf Ihr Sprachgefühl zu verlassen und die Regeln nicht allzu streng anzuwenden. Das erspart einem Bauchschmerzen und Wutanfälle und ist somit gesund und bekömmlich für Leib und Seele.

Es gilt allgemein standardsprachlich als besser, in Ihren Beispielsätzen Pronominaladverbien zu verwendet:

Angst – Wie gehe ich damit um?
Schüchternheit – Manche schämen sich dafür, andere ärgern sich darüber und wieder andere fürchten sie.

Die Verwendung und Nichtverwendung der Pronominaladverbien wie daran, darauf, damit, darüber usw. ist allerdings ein komplexer, nicht vollständig geklärter Bereich. Man kann deshalb oft keine festen Regeln, sondern nur Tendenzen angeben.

Bei Personen verwendet man (fast) nie Pronominaladverbien:

Die neue Mitarbeiterin – Wir sind sehr zufrieden mit ihr (NICHT damit).
Mein Vater – Ich denke oft an ihn (NICHT daran).

Bei Sachverhalten, Nebensätzen, Infinitiven u. Ä. muss man sie verwenden:

Er ging weg und lachte dabei (NICHT bei ihm).
Rauchen, du solltest damit aufhören (NICHT mit ihm).

Dazwischen, das heißt bei Dingen und Abstrakta, ist die Lage etwas komplizierter. Es ist oft besser, dafür statt für ihn oder für sie zu sagen (vgl. Ihre Beispielsätze oben). Es ist aber nicht immer die einzig richtige Möglichkeit. Die Verbindung Präposition + Pronomen wird nämlich manchmal verwendet, um etwas hervorzuheben oder zu verdeutlichen:

Hervorhebung:
Ich finde diesen Satz den wichtigsten von allen, weil gerade in ihm zum Ausdruck kommt, was …

Verdeutlichung:
Ich habe diese Zeichnung selbst gemacht und möchte wissen was du von ihr hältst.
(d.h. von der Zeichnung, nicht von der Tatsache, dass ich sie selbst gemacht habe)

Sie können entsprechend beides sagen:

Der nächste Wutanfall kommt bestimmt. Ich warte schon darauf.
Der nächste Wutanfall kommt bestimmt. Ich warte schon auf ihn.

Im zweiten Satz verdeutlichen Sie, dass Sie auf den Wutanfall warten und nicht auf das Kommen des Wutanfalls. Das klingt im Zusammenhang mit Wutanfällen allerdings etwas ungewöhnlich. Besser sieht man das bei Bussen:

Der nächste Bus kommt bestimmt. Ich warte hier darauf.
(auf den Bus, auf das Kommen des Busses)
Der nächste Bus kommt bestimmt. Ich warte hier auf ihn.
(auf den Bus)

Es gibt also eine Grundregel, von der man in gewissen Fällen abweichen kann. Wann man abweicht, hängt von Situation, Kontext und Bedeutung/Absicht der Aussage ab. Wahrlich kein einfaches Feld für einfache Regeln.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Eine zusammenfassende Darstellung der Verwendung der Pronominaladverbien finden Sie hier.