„Happy Chanukka“ auf Deutsch

Seit Freitagabend, dem Vorabend des 25. Tages des jüdischen Monats Kislew, wird Chanukka gefeiert. Chanukka oder das Lichterfest ist das jährlich gefeierte achttägige Fest zum Gedenken an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem  im 2. Jahrhundert v. Chr. (nach dem jüdischen Kalender im Jahr 3597). Es ist ein Familienfest, das verschieden Gebräuche kennt: Die Kerzen des Chanukka-Leuchters werden in einer bestimmten Reihenfolge eine nach der anderen angezündet, Kinder erhalten Geschenke, man isst traditionell in Öl gebackene Gerichte (u. a. Berliner Pfannkuchen) usw.

Ich muss gestehen, dass meine Kenntnisse des jüdischen Brauchtums sehr beschränkt sind. Ohne die Hilfe von Nachschlagwerken wäre die obenstehende Information noch viel spärlicher geblieben. Fast am meisten habe ich mich aber über die folgende Wissenslücke gewundert:  Dank amerikanischen Filmen und Seifenopern wusste ich zwar, dass man jemandem auf Englisch „Happy Chanukka!“ wünscht, aber wenn ich das auf Deutsch hätte sagen wollen, wäre ich nicht viel weiter gekommen als „ähm…“. Nach einigem Suchen bin ich dann fündig geworden. Es ist ganz einfach: „Frohes Chanukka!“ Es gibt wahrscheinlich noch anderer Arten, jemandem ein schönes Chanukka-Fest zu wünschen, aber diese Wendung kann sogar ich mir gut merken. Sie gleicht ja ungemein einem der gebräuchlichsten Wünsche zum bevorstehenden Weihnachtsfest. Wenn Sie also Chanukka feiern: Frohes Chanukka!

Wo bist Du? – Ich bin einkaufen

Dank einer Frage von Frau D. habe ich eine neue Verbalkonstruktion entdeckt! Damit meine ich nicht, dass ich deren Entdecker bin. Diese Ehre kommt wahrscheinlich dem Linguisten Casper de Groot zu (s. u.). Neu ist die Konstruktion nur insofern, als sie erst vor Kurzem beschrieben wurde und ich noch nie etwas über sie gelesen hatte. Es geht also nicht, wie Sie vielleicht vermuten könnten, um das Doppelperfekt (ich habe gesagt gehabt) oder das Doppelplusquamperfekt (ich hatte gesagt gehabt). Diese Formen sind ja fast so bekannt wie sie bei vielen verpönt sind. Nein, es geht um etwas anderes:

Frage

Schon seit vielen Jahren unterrichte ich Deutsch als Fremdsprache und heute hat mir eine Teilnehmerin eine Frage gestellt, auf die mir auch nach längerem Grübeln keine richtige Antwort einfiel. Was hat es mit der Form ich bin laufen gewesen auf sich? Wäre es ein Perfekt, müsste doch das Präsens logischerweise ich bin laufen heißen? Ist es vielleicht tatsächlich nur Umgangssprache und entbehrt einer grammatischen Grundlage? Mache ich einen Denkfehler?

Antwort

Sehr geehrte Frau D.,

der Satz Ich bin laufen gewesen steht im Perfekt. Im Präsens müsste die Form also tatsächlich heißen: Ich bin laufen. Im Präsens klingt der Satz aber recht ungewohnt. Weshalb? – Weil er in der ersten Person steht. Eine etwas ausführlichere Erklärung ist hier sicher angebracht:

Es handelt sich hier um eine Konstruktion, die aus dem Verb sein und einem Infinitiv besteht. Beispiele:

Präs: Wo ist er? – Er ist einkaufen.
Perf: Wo ist sie gewesen? – Sie ist schwimmen gewesen.
Prät: Wo waren sie? – Sie waren Fußball spielen.

Diese Konstruktion kann, vereinfacht gesagt, bei den gleichen Verben verwendet werden, bei denen auch die Konstruktion gehen+Infinitiv verwendet wird:

Er geht einkaufen – Er ist einkaufen.
Sie ist schwimmen gegangen – Sie ist schwimmen gewesen.
Sie gingen Fußball spielen – Sie waren Fußball spielen.

Die Konstruktion sein+Infinitiv wird Absentiv genannt (absent = abwesend). Das Subjekt der Verbhandlung ist nämlich abwesend (und man erwartet, dass die abwesende Person wieder zurückkehrt). Im Perfekt ist das auch in der ersten Person kein Problem:

Ich bin einkaufen gewesen.

Ich bin also abwesend gewesen, bevor ich diese sage. Im Präsens klingt die gleiche Wendung dann aber etwas ungewohnt.

Ich bin einkaufen.

Ich muss also abwesend sein, während ich dies sage. Der Satz klingt deshalb ohne jeden Kontext etwas sonderbar. Aus diesem Grund konnten Sie ich bin laufen auch nicht einordnen. In der heutigen Zeit ist aber dank moderner Kommunikationsmittel vieles möglich, auch ein Absentiv in der ersten Person im Präsens. Der Satz Ich bin einkaufen klingt als Antwort auf die Frage „Wo bist du?“ übers Handy ganz passabel. Während ich dies sage, bin ich im Normalfall für die Person am anderen Ende der Telefonverbindung abwesend. Hier sieht man, das technischer Fortschritt auch neue grammatische Möglichkeiten mit sich bringen kann.

Stilistisch ist diese Konstruktion eher der gesprochenen Umgangssprache zuzuordnen. Wie Sie sehen, entbehrt sie aber keineswegs einer grammatischen Grundlage. Sie hat sogar einen eigenen, richtig eindrücklich grammatisch klingenden Namen: Absentiv.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

de Groot, Casper. 2000. The absentive. In: Dahl, Östen (ed.) Tense and aspect in the languages of Europe. Berlin: Mouton de Gruyter. 641-667.

Über das Teilen von Meinungen

Vielleicht ist Ihnen das Folgende schon lange einmal aufgefallen. Ich aber bin erst heute durch eine E-Mail aus Frankreich auf zwei ähnlich lautende Ausdrucksweisen aufmerksam geworden, die ziemlich widersprüchlich sind, wenn man sie miteinander kombiniert:

eine Meinung teilen = die gleiche Meinung haben
geteilter Meinung sein = nicht die gleiche Meinung haben

Ist es nicht erstaunlich, dass man gerade dann geteilter Meinung ist, wenn man eine Meinung nicht teilt?!

Die Kirchenmaus

Seit langem habe ich heute Morgen wieder einmal die Redewendung arm wie eine Kirchenmaus gelesen. Für die Jüngeren und Deutschlernenden unter uns: Wenn jemand arm wie eine Kirchenmaus ist, dann ist er oder sie sehr arm. Weshalb ist oder war nun eine Kirchenmaus so besonders arm, dass sie es zu einer eigenen Redewendung geschafft hat? In Wohnhäusern, Scheunen und Ställen konnten Mäuse überall etwas Essbares finden. Man musste sich als Maus zwar sehr gut vorsehen, nicht der Katze oder der Mausefalle zum Opfer zu fallen, aber zu essen gab es. Nicht so in der Wohnstätte einer Kirchenmaus. In Kirchen findet sich nichts, womit ein Mäuschen seinen Magen füllen könnte.

Wenn man den Ausdruck etwas aufpeppen und modernisieren möchte, könnte man im heutigen Sprachgebrauch auch sagen: so arm wie eine Designerküchenmaus. Falls man den Bildern in vorabendlichen Fernsehserien und schicken Küchenprospekten glauben darf, wird in vielen dieser Küchen nämlich nie gekocht. Es gibt dort zwar Essbares, aber an Suppendosen aus dem Delikatessenshop, griechischen Kalamataoliven im Glas und Champagner- oder Wodkaflaschen beißt auch eine noch so gut gerüstete Maus sich nur die Zähne aus.