Was für ein „moppel“ steckt in doppelt gemoppelt?

Frage

Woher stammt der Ausdruck doppelt gemoppelt?

Antwort

Sehr geehrter Herr A.,

leider kann ich Ihnen nur eine sehr unvollständige Antwort geben. Ich weiß weder, wann und wo der Ausdruck entstanden ist, noch, was für ein moppel genau in gemoppelt steht. Mit der umgangssprachlichen Wendung doppelt gemoppelt drückt man wie mit doppelt genäht hält besser aus, dass etwas (meist unnötigerweise) zweimal ausgedrückt wird.

Das umgangssprachliche Substantiv Moppel bezeichnet einen dicklichen Menschen, einen molligen Hund oder eine vollschlanke Katze. Das umgangssprachliche Verb moppeln hat unter anderem die Bedeutung – sagen wir es einmal ganz gesittet – beischlafen. Der Bedeutungszusammenhang mit doppelt gemoppelt ist mir in beiden Fällen ziemlich schleierhaft. Vielleicht gibt es auch eine Verbindung mit moppen (mit einem Mopp saubermachen). Es ist eigentlich gar nicht so wichtig, woher gemoppelt genau kommt. Es geht vor allem um die lautliche Wiederholung, die die Bedeutung der Wendung so schön wiedergibt. Wichtig ist bei gemoppelt also vielmehr der Klang als der Inhalt.

Vielleicht kennt ja ein Leser oder eine Leserin des Blogs die Antwort  – oder einen Teil davon – und ist so nett, dieses Wissen hier mit uns zu teilen. Das Wetter soll ja am Pfingstwochenende nicht überall ganz so schön werden, wie wir es gerne hätten. Freie Zeit und mäßige meteorologische Verhältnisse sind eine gute Voraussetzung für eine kurzen Griff zur Tastatur. Dr. Bopp ist eben auch nur ein Mensch und nicht allwissend. Dies festzustellen ist wohl noch nicht doppelt gemoppelt, aber eine Binsenwahrheit ist es in jedem Fall.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstwochende

Dr. Bopp

Warum geschlechtig fehlt

Frage

Im Biologieheft meines Sohnes finde ich die Ausdrücke „eingeschlechtig“ und „zweigeschlechtig“ in Verbindung mit Blüten. Mir war bisher nur „geschlechtlich“ bekannt. In canoonet finde ich kein „geschlechtig“, aber im Wahrig stehen beide Ausdrücke. Warum hat canoonet diesen Ausdruck bisher nicht aufgenommen?

Antwort

Sehr geehrter Herr K.,

Sie kannten das Wort geschlechtig nicht, weil geschlechtig im Deutschen nicht als allein stehendes Wort verwendet wird. Es kommt nur in Verbindung mit einem anderen Wort vor. Zum Beispiel:

eingeschlechtig
zweigeschlechtig
getrenntgeschlechtig

Das steht eigentlich auch in (meinem) Wahrig: „geschlechtig, in Fügungen, z. B. getrenntgeschlechtig“. Damit ist gemeint, dass geschlechtig nur in zusammengesetzten Wörtern wie zum Beispiel getrenntgeschlechtig vorkommt. Das ist auch der Grund, weshalb Sie das Wort geschlechtig nicht als separaten Eintrag im Canoonet-Wörterbuch finden. Sie finden aber Zusammensetzungen der Form …geschlechtig:

doppelgeschlechtig, eingeschlechtig, getrenntgeschlechtig, gleichgeschlechtig, ungleichgeschlechtig, zweigeschlechtig

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch diese Ansicht.

Neben geschlechtig gibt es noch viele andere Formen, die in gleicher Weise nur in Zusammensetzungen, nicht aber allein stehend vorkommen. Zum Beispiel:

-armig: achtarmig, beidarmig, langarmig
-äugig: blauäugig, großäugig, scharfäugig
-monatig: einmonatig, dreimonatig, mehrmonatig
-prozentig: hundertprozentig, hochprozentig
-randig: breitrandig, glattrandig, schmalrandig
-sprachig: dreisprachig, mehrsprachig, deutschsprachig

Dann noch kurz zur Bedeutung: Die Form -geschlechtig bedeutet ein Geschlecht habend. Die Form -geschlechtlich bedeutet auf das Geschlecht bezogen, sexuell. Zum Beispiel:

eingeschlechtig = ein Geschlecht habend
gleichgeschlechtig = das gleiche Geschlecht habend
gleichgeschlechtlich = auf das gleiche Geschlecht bezogen

Dieser Bedeutungsunterschied zwischen -geschlechtig und -geschlechtlich wird allerdings nicht immer von allen streng eingehalten.

Sie werden natürlich immer wieder Wörtern begegnen, die Sie nicht im Wörterbuch finden. Es gibt sehr, sehr viele und immer wieder neue Wörter, so dass kein Wörterbuch sie alle auflisten kann. Die Form geschlechtig zeigt aber, dass das „Fehlen“ eines Wortes manchmal auch daran liegen kann, dass das Wort in dieser Form gar nicht verwendet wird. Es gibt zwar eingeschlechtige und zweigeschlechtige Blüten, das Wort geschlechtig gibt es aber trotzdem nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Word und -bar

Frage

Beispiel: „Insbesondere haftet die Firma nicht für kundeninterne, nicht ohne Weiteres klärbare und bereinigbare Meinungsdifferenzen.“ Warum akzeptiert Word „klärbare“ und „bereinigbare“ nicht? „Verrechenbare Spesen“ will Word in „errechenbare“ oder „berechenbare“ ändern. Wir meinen aber diejenigen Spesen, die wir dem Kunden verrechnen können … also „verrechenbar“.

Antwort

Sehr geehrte Frau R.,

die Formen klärbare, bereinigbare und verrechenbare sind korrekt. Man kann von sehr vielen transitiven Verben ein Adjektiv auf –bar bilden. Wenn etwas x-bar ist, kann es ge-x-t werden: essbar, trinkbar, verschiebbar, aufklappbar, abschließbar, erklärbar usw. usw. Mehr dazu finden Sie hier. Es gibt so viele Verben, für die man ein Adjektiv auf –bar bilden kann, und deren Bedeutung ist in der Regel so durchsichtig, dass es kein Wörterbuch gibt, die sie alle auflistet – auch Canoonet nicht.

Warum Ihr Word klärbar, bereinigbar und verrechenbar nicht akzeptiert, weiß ich nicht genau. (Meine Version von Word stört sich übrigens nur an den ersten beiden Wörtern, verrechenbar „rutscht“ problemlos durch die Kontrolle.) Die nicht akzeptieren Wörter stehen wohl nicht im Wörterbuch des Korrekturprogramms. Es verfügt offensichtlich auch nicht über eine Regel, die solche Formen analysieren und erkennen kann. Wenn ein Wort nicht in der Basiswörterliste steht und nicht aufgrund einer Regel erkannt werden kann, muss es wohl falsch sein ­– sagt Word.

Aus diesem Grund darf man Korrekturprogrammen nicht blind vertrauen. Nicht alles, was sie korrigieren, ist tatsächlich falsch. Erst recht gilt übrigens umgekehrt, dass nicht alles, was sie unkorrigiert stehen lassen, auch richtig geschrieben ist! Trotz guter Kontrollprogramme muss – und darf! – man auch selbst noch ein wenig nachdenken.

Nicht alle komplexen Wörter, die einen Verbstamm an erster Stelle haben und auf -bar enden, sind im Übrigen Adjektive: Ist Musik nicht tanzbar, hört man sie selten in der Tanzbar, und wer nicht animierbar ist, dem hilft auch keine Animierbar. Diese Beispiele sind zwar ziemlich forciert, sie zeigen aber, was ein Grund dafür sein könnte, warum ein Korrekturprogramm mit unbekannten Wörtern auf –bar so seine Schwierigkeiten hat.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Pucken

Im Berg der nach dem Urlaub zu beantwortenden E-Mails habe ich wieder einmal eine Frage angetroffen, die ich nicht bantworten kann. Vielleicht weiß ja ein Leser oder eine Leserin dieses Blogs die Antwort. Herr L. und ich wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dieses Wissen mit uns teilen würden.

Frage

Es gibt ein neues Verb im Deutschen: pucken. Das Internet ist voller Seiten dazu. Es handelt sich um eine wiederentdeckte alte Wickelmethode für Kleinkinder. Woher kommt dieses Verb? Können Sie etwas zu seiner Etymologie sagen?

Antwort

Sehr geehrter Herr L.,

dank Ihrer Frage kenne ich nun die Wickelmethode Pucken. Woher das Verb pucken stammt, konnte ich aber leider nicht herausfinden. Keine der mir zur Verfügung stehenden Quellen erwähnt es. Es steht nicht einmal in Canoonet!

Mit freundlichen Grüßen

Dr.  Bopp

Wer kann uns hier weiterhelfen? Es geht nicht darum, was das Wort bedeutet oder woher die mit ihm beschriebene Wickeltechnik kommt, sondern darum, woher das Wort selbst stammt. Sämtliche Hinweise werden dankend entgegengenommen.

Ein Wort erfunden, was nun?

Frage

Ich würde gerne wissen, ob es möglich ist, ein neues Wort zu etablieren. Ich arbeite für eine Firma, die auf Metallverarbeitung spezialisiert ist. Nun hat diese Firma vor einigen Jahren eine neue Maschine entwickelt. Mit dieser Maschine lassen sich […]. Für ein solches Verfahren gibt es offiziell noch kein Wort, deshalb nannten wir es […]ieren, was sich vom Namen der Maschine ableitet. Da es sich hier natürlich um eine Wortfindung handelt, würde ich gerne wissen, was getan werden muss, damit dies ein offizielles Word wird.

Antwort

Sehr geehrter Herr S-,

es gibt im deutschen Sprachraum keine „offiziellen“ Wörter. Wörterbücher und Wörterlisten nehmen Wörter auf, die nachweisbar in der deutschen Sprache verwendet werden. Es gibt keine Möglichkeit, ein neues Wort bei einer bestimmten offiziellen Stelle anzumelden. Eine solche Stelle gibt es nicht. Der wirkliche Sprachgebrauch bestimmt, ob ein Wort in Wörterbüchern u. Ä. aufgenommen wird. Eine ähnliche Registrierungsmöglichkeit gibt es nur für Produkte und Einstellungen, deren Name markenrechtlich geschützt werden soll.

Das Einzige, was sie zurzeit tun können, ist das Wort in Ihrem Umfeld, gegenüber Lieferanten, Kunden, Konkurrenten usw. zu verwenden. Sie können auch versuchen, das Wort über Ihre Webseiten, Werbung, Prospekte u. Ä. in Ihrem Fachbereich zu positionieren. Kurzum, sie benötigen eher die Unterstützung von Marketingprofis als Ratschläge von Sprachkennern. Danach „entscheiden“ die Sprachbenutzer, ob sie das Wort verwenden oder nicht. Wenn es eine gewisse Zeit lang an mehreren Stellen verwendet wird, erscheint es irgendwann einmal auch in Wörterbüchern.

Es hilft im Allgemeinen nichts, ein neues Wort bei Wörterbuchverlägenverlagen anzumelden oder eigenhändig in zum Beispiel Wikipedia einzutragen. Das können Ihnen viele bestätigen, die schon einmal ernsthaft oder einfach zum Spaß ein neues Wort lancieren wollten. Wenn keine repräsentative Anzahl Fundstellen – an verschiedenen Orten und über eine längere Zeit – nachgewiesen werden kann, werden die Wörterbuchmacher und -macherinnen das Wort nicht aufnehmen und werden die wachsamen Geister, die bei Wikipedia am Werke sind, Ihren Neueintrag wieder löschen.

Umgekehrt gilt Folgendes: Die Tatsache, dass ein Wort nicht in Wörterbüchern steht, bedeutet keineswegs, dass es ein Wort nicht gibt. Es werden täglich neue Wörter gebildet (z. B. Orakelkrake) oder eingeführt (z. B.Vuvuzela). Viele von Ihnen verschwinden bald wieder, nur einige etablieren sich im Sprachgebrauch und finden nach ein paar Jahren Eingang in Duden, Langenscheidt, Pons, Wahrig, ‘canoonet’ usw. Andere Wörter sind so sehr auf einen gewissen Fachbereich beschränkt, dass sie nie in allgemeinen Wörterbüchern erwähnt werden. Sie können und dürfen […]ieren also benutzen. Das einzige Problem dabei ist, dass nicht alle ohne Erklärung verstehen werden, was dieses Wort bedeutet.

Vergessen Sie nicht, Ihre Neuschöpfung […]ieren, falls möglich und gewünscht, markenrechtlich schützen zu lassen! Wie das genau vor sich geht, weiß ich leider nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Das neue Wort heißt natürlich nicht buchstäblich […]ieren. Ich habe das Wort in Hinblick auf die allen Besuchern bei der Veröffentlichung von Fragen garantierte Anonymität sozusagen anonymisiert.

Gibt es die Verschlagwortung?

Frage

In einem Blog habe ich einen Beitrag gelesen, der für mich die folgende Frage aufwirft: Gibt es das dort verwendete  Wort „Verschlagwortung“ und, wenn ja, was bedeutet dieser Begriff? Er steht in keinem Wörterbuch.

Antwort

Sehr geehrter Herr F.,

das Wort Verschlagwortung gibt es. Es bedeutet Zuordnung zu einem Schlagwort, Indexierung.

Die Tatsache, dass ein Wort nicht in einem Wörterbuch steht, bedeutet nicht, dass es ein Wort nicht gibt. Diese „Regel“ gilt nur beim Scrabblespielen. Im Deutschen werden nämlich ständig neue Wörter gebildet. Nicht all diese (möglichen) Wörter können in einem Wörterbuch stehen.

Neue Wörter werden nicht nur aus anderen Sprachen übernommen, sondern sehr oft nach bestimmten Prinzipien aus bestehenden Wörtern gebildet. Das Wort Verschlagwortung ist das Substantiv zu verschlagworten. Dieses Verb ist in gleicher Weise von Schlagwort abgeleitet wie z.B.

verabschieden von Abschied
vergletschern von Gletscher
verkabeln von Kabel
verunglücken von Unglück
verursachen von Ursache
verwursten von Wurst

Ebenso fachsprachliche Ausdrücke wie:

vergesellschaften von Gesellschaft
vermessingen von Messing
verstoffwechseln von Stoffwechsel

Das Wortbildungsprinzip wird hier genauer beschrieben.

Das Verb verschlagworten ist also eine mögliche und korrekte Wortbildung. Die zweite Frage ist nun, ob ein solches Wort auch mehr als nur ein- oder zweimal verwendet wird. Das Wort verschlagworten scheint in gewissen Fachbereichen recht üblich zu sein; so üblich, dass man es sogar schon in den neuesten Auflagen von Rechtschreibwörterbüchern findet**.

Man kann der Verschlagwortung also die Daseinsberechtigung aus zwei Gründen nicht absprechen: Das Wort wurde korrekt gebildet und es wird verwendet. Ob man dieses Fachwort besonders schön findet, ist dann eine ganz andere Frage.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

** Verschlagwortung/verschlagworten in Rechtschreibwörterbüchern:

Verschlagwortung
PONS

verschlagworten (einem Schlagwort zuordnen)
Duden, Deutsche Rechtschreibung, 25. Auflage, 2009 (in der 24. Auflage stand das Verb noch nicht).

Das rätselhafte Wort sibyllinisch

Frage

Heute um die Mittagszeit habe ich auf DRS 2 den Ausdruck „sybillisch“ gehört. Weil ich nicht weiß, was das bedeutet, habe ich den Versuch unternommen, das via Duden, Brockhaus, Wikipedia etc. herauszubekommen – ohne Erfolg! Können Sie mir den Begriff erläutern?

Antwort

Sehr geehrter Herr Z.,

wahrscheinlich meinte der Sprecher oder die Sprecherin das Wort sibyllinisch oder sibyllenhaft. Beachten Sie die Reihenfolge von i und y innerhalb des Wortes. Das hilft beim Suchen. Weil ich das Wort eigentlich nie verwende, kann ich mir die Reihenfolge auch nicht merken. Ich kenne aber eine Sibylle, von der ich diese Eselsbrücke gelernt habe: „Sibylle mit i und y wie im Alphabet“. Das i steht ja auch im Alphabet vor dem y.

Das Adjektiv sibyllinisch oder sibyllenhaft gehört zum gehobenen oder literarischen Sprachgebrauch. Das ist wohl der Grund, weshalb das viel „gewöhnlicher“ klingende sibyllisch nicht üblich ist. Es bedeutet rätselhaft, geheimnisvoll oder auch wahrsagerisch. Es ist von Sibylle, dem antiken Namen weissagender Frauen, abgeleitet. Wenn jemand sibyllinische Worte spricht oder eine Frage sibyllenhaft beantwortet, ist die Aussage nicht direkt, sondern rätselhaft und geheimnisvoll verschlüsselt. Sibyllinische Worte versteht man nicht einfach so, sie müssen gedeutet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warum „darüberhinaus“ nicht im Wörterbuch steht

Frage

Das Wort „darüberhinaus“ fehlt in CanooNet und ich denke, es sollte wohl drin sein. In der Kombination „darüberhinausgehend“ ist es zu finden. Einfach zu Ihrer Information.

Antwort

Sehr geehrte Frau W.,

vielen Dank für Ihren Hinweis! In diesem Fall sind unsere Angaben allerdings richtig.

Das Wort darüberhinaus kommt nicht in unserem Wörterbuch vor, weil man hier nach der amtlichen Rechtschreibregelung getrennt schreiben muss: darüber hinaus. Zum Beispiel:

bis in die Unendlichkeit und darüber hinaus
Darüber hinaus finden Sie hier Informationen zu weiteren Veranstaltungen.
Angaben, die darüber hinausgehen
alles, was darüber hinausführt

Sehen Sie auch die Rechtschreibangaben zum Wort darüber.

Bei darüberhinausgehend handelt es sich nicht um eine Kombination von darüberhinaus und gehend, sondern von darüber und hinausgehend. Man kann es getrennt oder zusammenschreiben:

darüber hinausgehende Angaben
darüberhinausgehende Angaben

(Sehen Sie auch darüberhinaus und die entsprechende Rechtschreibregel)

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Abbildbar, das Suffix -bar und das Wörterbuch

Frage

Ich nutze Ihr Wörterbuch regelmäßig und gerne. Gelegentlich finde ich keine Antwort auf meine Fragen, einfach weil Wörter oder bestimmte Zusammensetzungen fehlen […]. Sind Sie daran interessiert, außer Fragen zur Grammatik auch generell Vorschläge zur Aufnahme neuer Begriffe zu erhalten, oder nervt Sie das? Ich habe zum Beispiel abbildbar vermisst.

Antwort

Sehr geehrter Herr F.,

es nervt keineswegs, wenn Sie neue Wörter zur Aufnahme vorschlagen. Wir nehmen solche Vorschläge sogar sehr gerne entgegen. Wir hoffen nur, dass es Sie dann nicht nervt, wenn wir ein Wort eventuell doch nicht aufnehmen oder wenn es lange dauert, bis ein Vorschlag online auf CanooNet erscheint.

Zu Ihrem konkreten Vorschlag abbildbar: Das Suffix -bar ist ein sehr produktives Suffix, das heißt, es werden sehr viele Adjektive mit ihm gebildet. Es kann nämlich bei sehr, sehr vielen Verben verwendet werden. Einige Beispiele, die dies zu illustrieren:

abbildbar, abänderbar, abbaubar, abberufbar, abbestellbar, abbezahlbar, abbrausbar, abbürstbar, abnehmbar, abschätzbar, abstellbar, …
anstellbar, aufstellbar, ausstellbar, beistellbar, bestellbar, darstellbar, einstellbar, erstellbar, verstellbar, vorstellbar, zustellbar, stellbar usw.

Sehen Sie diese Seite zur Wortbildung für weitere Informationen über -bar.

Unser Wörterbuch enthält über 18 000 Verben, von denen ein großer Teil ein Adjektiv auf -bar bilden kann. Es wird deshalb nicht möglich sein, alle auf -bar endenden Adjektive aufzunehmen. Es ist auch nicht immer unbedingt sinnvoll, denn manchmal sind solche Wortbildungen zwar möglich und korrekt, aber recht ungebräuchlich oder sehr ungewöhnlich. Zum Beispiel:

hinüberziehbar, kratzbar, eingrabbar, abkaubar

Übrigens: Wenn ein Wort nicht in einem Wörterbuch steht, heißt das noch lange nicht, dass es das Wort nicht gibt! Viele Wörter, die mit so produktiven Wortbildungselementen wie -bar gebildet werden (können), sind nicht in Wörterbüchern zu finden. Sie sind von sich aus verständlich und anwendbar, da ihre Bedeutung, Verwendung usw. sich einfach aus der Bedeutung des Grundwortes und der Art des Wortbildungselementes erschließen. Die Aufnahme von abbildbar werden wir natürlich trotzdem prüfen, denn dieses Adjektiv ist zum Beispiel im Bereich der Informatik recht gebräuchlich geworden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Freigebig und freigiebig

Frage

Im CanooNet-Wörterbuch erscheinen die Formen freigiebig und Freigiebigkeit ebenso wenig wie in meinem RS-Duden von 1986, im Warig DWb 1968 […] oder in verschiedenen PONS-Fremdsprach-Wörterbüchern. Andere Wörterbücher verweisen jedoch unter freigiebig, Freigiebigkeit auf freigebig, Freigebigkeit. Das Wort freigiebig taucht auch im gehobenen Sprachgebrauch Deutschlands bis zu Johannes Rau und dem Deutschen Kulturrat sehr häufig auf und ist auch in der NZZ zu finden […]. Gilt freigiebig mittlerweile also als hochsprachlich? Wie kam es überhaupt zur Differenzierung nachgiebig, ausgiebig vs. freigebig?

Antwort

Guten Tag Frau K.,

vielen Dank für diese Frage! Sie zeigt nämlich, dass es an der Zeit ist, unser Wörterbuch um zwei Einträge zu erweitern.

Das Wort freigiebig und das von ihm abgeleitete Freigiebigkeit galten und gelten bei einigen immer noch als falsch, weil es ausschließlich freigebig heißen dürfe. Wie ist das Wort freigiebig entstanden? Es wurde in Analogie mit ausgiebig und ergiebig gebildet. Diese Wörter gehen aber auf die Verben ausgeben und ergeben zurück (über ausgibig resp. ergibig, dann auch mit ie). Ein Verb freigeben gibt es zwar (zum Beispiel jemandem freigeben, Informationen freigeben), aber bedeutungsmäßig kann freigiebig nicht davon abgeleitet sein. Es kommt nämlich von der Wortgruppe frei geben (ungehindert, gern geben). Da es zu geben kein Adjektiv giebig (mehr) gibt, sei also freigiebig eine falsche Wortbildung. Zumindest so wurde und wird auch heute noch manchmal argumentiert.

Inzwischen ist freigiebig aber – wie Sie selbst auch festgestellt haben – im deutschen Sprachraum so weit eingebürgert, dass man es wirklich nicht mehr als falsch bezeichnen kann. Wir werden deshalb bei der nächsten Datenaktualisierung freigiebig und Freigiebigkeit neben freigebig und Freigebigkeit in unser Wörterbuch aufnehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp