Ein Stück ökologisch einwandfreier Schweinebraten

Draußen ist es für einen Sonntagmorgen im Juni sehr, sehr grau. Leichtes Getröpfel hat in Kombination mit Windböen aus unterschiedlichen Richtungen sämtliche Pläne für ein Frühstück auf der Terrasse zunichtegemacht. Ich schiebe es einfach einmal diesem wenig inspirierenden Wetter in die Schuhe, dass ich Sie schon wieder mit Mengenangaben belästige. Sie sind wahrscheinlich nicht gerade das Interessanteste, was die deutsche Sprache zu bieten hat, aber sie geben immer wieder Anlass zu Fragen. Das Beispiel in Frau F.s Frage passt im Übrigen gut zu einem klassisches Sonntagsmenü. Ich bin mir bewusst, dass diese Wahl für vegetarisch, koscher und halal essende Menschen oder für Leserinnen und Leser, die streng auf ihren Cholesterinspiegel achten müssen, ungeeignet ist. Der Schweinebraten ist aber immerhin ökologisch einwandfrei – und es geht sowieso nur um Grammatik.

Frage

Heißt es „mit einem Stück ökologisch einwandfreien Schweinebraten“ oder „mit einem Stück ökologisch einwandfreiem Schweinebraten“? Starke oder schwache Beugung?

Antwort

Sehr geehrte Frau F.,

richtig ist:

mit einem Stück ökologisch einwandfreiem Schweinebraten.

Es geht hier u. a. um die Frage der Deklination bei Mengenangaben. Wenn das Gemessene in der Einzahl steht und von einem Adjektiv begleitet wird, steht es heute in der Regel im gleichen Fall wie die Maßangabe. Gemessen wird hier ökologisch einwandfreier Schweinebraten, die Maßangabe ist Stück:

ein Stück ökologisch einwandfreier Schweinebraten
für ein Stück ökologisch einwandfreien Schweinebraten
mit einem Stück ökologisch einwandfreiem Schweinebraten
wegen eines Stücks ökologisch einwandfreien Schweinebratens

In Ihrem Beispiel, das heißt nach mit, sollte der Schweinebraten also im Dativ stehen.

Das Adjektiv einwandfrei wird stark gebeugt, weil es ohne Artikelwort vor dem Nomen steht, das es bestimmt. Der Artikel einem gehört nämlich nicht zu Schweinebraten, sondern zu Stück. Das adverbial verwendete ökologisch hat keinen Einfluss auf die Deklination des ihm folgenden Adjektivs. Die folgenden Beispiele zeigen hoffentlich besser als lange Erklärungen, was damit gemeint ist:

mit einem [ökologisch] einwandfreien Schweinbraten
mit [ökologisch] einwandfreiem Schweinebraten
mit einem Stück [ökologisch] einwandreiem einwandfreiem Schweinebraten
mit zwei Stück [ökologisch] einwandfreiem Schweinebraten

Es heißt also mit einem Stück ökologisch einwandfreiem Schweinebraten. Ganz so eindeutig ist es natürlich wieder einmal nicht. Das Gemessene kann nämlich auch im Genitiv stehen:

ein Stück ökologisch einwandfreien Schweinebratens
für ein Stück ökologisch einwandfreien Schweinebratens
mit einem Stück ökologisch einwandfreien Schweinebratens

Wenn das Gemessene wie hier in der Einzahl steht, wird der Genitiv heute aber nur noch selten verwendet. Er wirkt eher gespreizt und veraltet. Das gilt natürlich nicht, wenn die Maßangabe ebenfalls im Genitiv steht:

wegen eines Stücks ökologisch einwandfreien Schweinebratens

Das Stück ökologisch einwandfreier Schweinbraten, oder was sonst auf Ihrem Sonntagsmenü steht, möge Ihnen schmecken! Und wenn Sie dann nach dem Nachtisch wider Erwarten alles noch einmal nachlesen möchten, finden Sie es auf dieser Grammatikseite.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eine Menge schwarzer Schafe / schwarze Schafe / von schwarzen Schafen

Heute geht es um etwas, was mich sehr erstaunt hat, als ich zum ersten Mal in einem Grammatikbuch darauf stieß: wie ungenau die deutsche Sprache ausgerechnet bei Mengenangaben ist!

Frage

Gerade hörte ich im Radio, dass sich im Bildungssektor eine ganze Menge schwarze Schafe tummle. Muss es nicht heißen eine ganze Menge schwarzer Schafe?

Antwort

Sehr geehrter Herr K.,

bei Mengenangaben zeigt die deutsche Grammatik erstaunlicherweise nicht die Präzision, die man gerade dort erwarten würde. Beide Formulierungen sind nämlich möglich:

eine ganze Menge schwarzer Schafe
eine ganze Menge schwarze Schafe

Bei ungenauen Mengenangaben wie Menge, Reihe, Anzahl, Strauß usw. und etwas Gemessenem im Plural kommt der (partitive) Genitiv am häufigsten vor:

eine ganze Menge schwarzer Schafe
eine Gruppe französischer Bergsteiger
ein Strauß roter Rosen

Es ist jedoch ebenfalls möglich, das Gemessene als Apposition (Beisatz) zur Mengenangabe zu verwenden:

eine ganze Menge schwarze Schafe
eine Gruppe französische Bergsteiger
ein Strauß rote Rosen

Dabei übernimmt die Apposition den Fall der Mengenangabe. Im Dativ kann das Gemessene auch unverändert im Nominativ stehen:

mit Kasusangleichung:
mit einer ganzen Menge schwarzen Schafen
mit einer Gruppe französischen Bergsteigern
mit einem Strauß roten Rosen

ohne Kasusangleichung:
mit einer ganzen Menge schwarze Schafe
mit einer Gruppe französische Bergsteiger
mit einem Strauß rote Rosen

Das wären dann also schon drei verschiedene mehr oder weniger akzeptierte Möglichkeiten, wie man Mengengaben dieser Art formulieren kann. Das ist aber noch nicht alles! Nach Sammelbegriffen ist auch noch die Formulierung mit von möglich:

eine ganzen Menge von schwarzen Schafen
eine Gruppe von französischen Bergsteigern
eine Strauß von roten Rosen

Das führt dazu, dass bei einer Mengenangabe im Dativ und etwas Gemessenem im Plural vier Formulierungen möglich sind:

mit einem Strauß roter Rosen (partitiver Genitiv)
mit einem Strauß rote Rosen (Apposition ohne Kasusangleichung)
mit einem Strauß roten Rosen (Apposition mit Kasusangleichung)
mit einem Strauß von roten Rosen (Präpositionalgruppe mit „von“)

Diese Vielzahl verschiedener/verschiedene/von verschiedenen Möglichkeiten führt oft dazu, dass man ins Zweifeln gerät, sobald man anfängt, über die korrekte Formulierung nachzudenken. Am besten tun Sie dies deshalb nicht und formulieren Sie einfach so, wie Ihr Sprach- und Stilgefühl es Ihnen eingibt. Bei so viel Formulierungsspielraum kann ja kaum etwas schiefgehen! Falls Sie einmal wirklich nicht mehr weiterwissen: Der Genitiv ist in den hier beschriebenen Fällen immer richtig und wird auch von niemandem angezweifelt.

Die entsprechende Grammatikseite finden Sie hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Beinah Unaussprechbares: röntgen

Vor langer Zeit habe ich einmal Deutsch für Fremdsprachige unterrichtet. Ich kann mich noch gut an eine spanische Dame erinnern, die im Anfängerunterricht das Wortpaar gut und schlecht vorlesen sollte: gut ging gut, aber dann seufzte sie verzweifelt, dass es ihr nie, aber auch gar nie gelingen werde, ein Wort mit so vielen Konsonanten und nur einem e auszusprechen. Als ihr klar wurde, dass sch und ch nur für je einen Laut stehen, beruhigte sie sich ein wenig. Mir kam damals gleich das Wort Zwetschge in den Sinn. Das habe ich aber wohlweislich für mich behalten. Mit welchem Wort ich die arme Kursistin wirklich hätte erbleichen lassen können, wusste ich damals noch nicht.

Frage

Schreibt man  „Der Knochen wurde geröntgt“ oder „wurde geröntget“ oder existieren beide Formen. Wenn ich google, finde ich beide Formen.

Antwort

Sehr geehrte Frau V.,

man schreibt:

Der Knochen wurde geröntgt.

Bei der Beugung des Verbs röntgen wird kein e eingeschoben, wenn der Verbstamm von t oder s gefolgt wird. Also:

du röntgst
er/sie/es röntgt
er röntgte
geröntgt
Siehe auch Canoonet.

So viel zur Schreibung, die einfach der allgemeinen Regel folgt: Man hängt die Endungen direkt an den Verbstamm röntg-. Schwieriger wird es bei der Aussprache. Während einem bei Formen wie röntgt und geröntgt das /ntkt/ am Wortende mit etwas Mühe noch einigermaßen gelingen will, weigert sich mein Artikulationsapparat entschieden, die Wortform röntgst nach der „offiziellen“ Aussprache auf /ntkst/ enden zu lassen. Nur mit äußerster Konzentration und nicht allzu trockenem Mund gelingt es mir beim dritten Anlauf, diese fünf Konsonanten nacheinander auszusprechen.

Es ist deshalb kein Wunder, dass bei der Aussprache oft „geschummelt“ wird. Statt /geröntkt/ sagt man je nach Region zum Beispiel /geröncht/ oder /gerönkt/ und statt /röntkst/ hört man /rönchst/ oder /rönkst/. Die Aussprache /geröntget/, die die Schreibung geröntget rechtfertigen würde, kenne ich übrigens nicht.

Wenn man dieses Verb also nach der Standardaussprache beugen will, bleibt einem nur der Trost, dass man mit etwas Mühe und Konzentration geröntgt gerade noch schaffen kann und dass die Form du röntgst nur selten vorkommt. Nur wenige duzen den Röntgenassistenten oder die Röntgenärztin, wenn es ums Röntgen geht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Alle seine(r) Schüler

Vorwarnung: Heute gibt es wieder einmal etwas für Liebhaber und Liebhaberinnen grammatischer Erklärungen.

Frage

Was ist richtig: „Alle seine Schüler sind begeistert“ oder „Alle seiner Schüler sind begeistert“?

Antwort

Sehr geehrter Herr H.,

beide Formulierungen sind korrekt [siehe aber den Nachtrag unten]:

Alle seine Schüler sind begeistert.
Alle seiner Schüler sind begeistert.

Falls Sie an der Grammatik interessiert sind, können Sie weiterlesen. Falls Grammatisches Ihnen nicht so viel sagt, erfreuen Sie sich einfach der Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten, die uns die deutschen Sprache bietet, und klicken Sie weiter!

Warum kann seine(r) Schüler hier sowohl im Nominativ als auch im Genitiv stehen? Das liegt daran, dass alle sowohl als Artikelwort als auch als Indefinitpronomen verwendet werden kann. Als Artikelwort bestimmt es seine Schüler. Als Indefinitpronomen folgt ihm das Genitivattribut seiner Schüler.

Artikelwort alle:

Alle Schüler sind begeistert.

Als Artikelwort kann alle mit anderen Artikelwörtern wie diese, jene und seine kombiniert werden:

Alle seine Schüler sind begeistert.

Das Subjekt des Satzes ist hier eine Nomengruppe mit dem Kern Schüler. Der Kern wird durch die Artikelwörter seine und alle erweitert.

Indefinitipronomen alle:

Alle sind begeistert.

Als Indefinitpronomen kann alle wie ein Nomen durch ein Genitivattribut erweitert werden:

Alle seiner Schüler sind begeistert.

Das Subjekt des Satzes ist hier eine Pronomengruppe mit dem Kern alle. Der Kern wird durch das Genitivattribut seiner Schüler erweitert.

Je nachdem, ob man alle hier als Artikelwort oder als Pronomen verwendet, steht alle seine Schüler oder alle seiner Schüler. Ich sehe keinen wesentlichen Bedeutungsunterschied zwischen den beiden Formulierungen. Mehr dazu finden Sie hier, hier und hier.

Dieses Beispiel zeigt, dass oft gleichberechtigt verschiedene grammatische Mittel angewandt werden können, um etwas auszudrücken. Hier ist die aus nur drei Wörtern bestehende Wortgruppe, die das Subjekt des Satzes bildet, ganz unterschiedlich strukturiert. Erstaunlicherweise sieht man dies an der Oberfläche nur an einem kleinen r.

Nachtrag:

Ganz so gleichberechtigt, wie ich es gerne hätte, sind die Formen allerdings nicht. Nach den strengeren Grammatikern gilt die Verwendung von alle mit einem Genitiv dieser Art aus irgendeinem Grund als „umgangssprachlich“ oder gar „falsch“. Wundern Sie sich also nicht, wenn nicht alle mit der Formulierung alle seiner Schüler einverstanden sind.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn Zeiten nicht ihrem Namen entsprechen: das Perfekt des Zukünftigen

Frage

Kann man im folgenden Satz das Perfekt verwenden, auch wenn jemand erst in der Zukunft gesund sein wird?

„Wir bleiben hier, bist du gesund geworden bist.“

Antwort

Sehr geehrte Frau A.,

Ihr Beispielsatz ist korrekt. Er zeigt schön, dass man sich nicht genug davor hüten kann, die Bezeichnungen für die verschiedenen Zeitformen des Verbs wörtlich zu verstehen. Die Namen der verschiedenen Verbzeiten sind nicht viel mehr als reine Namen. Die größte Schwierigkeit bei der Verwendung der Zeitformen ist die Tatsache, dass es keinen direkten, gradlinigen Zusammenhang zwischen ihrem Namen und der wirklichen, objektiv messbaren Zeit gibt. Anders ausgedrückt: Die Zeitformen „Vergangenheit“, „Gegenwart“ und „Zukunft“ haben nicht immer etwas mit der wirklichen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu tun.

So auch in diesem Fall: Das Perfekt (die Vorvergangenheit Vorgegenwart) kann ausdrücken, dass etwas in Zukunft abgeschlossen sein wird:

Wir bleiben hier, bis du gesund geworden bist.
Wir haben es bald geschafft.
Übermorgen habe ich alles wieder vergessen.

Es ist hier auch möglich, die ihrem Namen nach „passendere“ Zeit zu verwenden, nämlich das Futur II, das mit deutschem Namen „Vorzukunft“ heißt:

Wir bleiben hier, bis du gesund geworden sein wirst.
Wir werden es bald geschafft haben.
Übermorgen werde ich alles wieder vergessen haben.

Das ist aber nicht notwendig. Wenn bereits durch zum Beispiel bis, bald, übermorgen oder nächstes Jahr angegeben wird, dass es sich um etwas Zukünftiges handelt, kann man werden einfach weglassen. So effizient kann die deutsche Sprache sein!

Mehr zum Perfekt des Zukünftigen und anderes Wissenswertes zu den Zeitformen finden sie hier.

Die Fälle entlang – entlang der Fälle

Frage

Ich habe ein Problem mit „entlang“: Heißt es „Gesteinsbänder, entlang denen die Strecke verläuft“ oder „Gesteinsbänder, entlang derer die Strecke verläuft“?

Antwort

Sehr geehrte Frau G.,

das Wort entlang lässt einem so viel Freiheit bei der Wahl des Falles, dass viele ganz unsicher werden und dann „vorsichtshalber“ den Genitiv verwenden. Das ist zwar auch richtig, aber nicht immer:

Das Wort entlang wird dem Substantiv oft nachgestellt. Es steht dann in der Regel mit dem Akkusativ:

Die Strecke führt die Allee entlang.
Den Fluss entlang stehen Trauerweiden.

(Selten steht v. a. in der Schweiz auch der Dativ:
Die Strecke führt der Allee entlang.
Dem Fluß entlang stehen Trauerweiden.)

Wenn entlang vorangestellt wird, folgt ihm der Genitiv oder der Dativ:

Die Strecke führt entlang der Allee.
Entlang des Flusses stehen Trauerweiden.
Entlang dem Fluss stehen Trauerweiden.

Auch in Ihrem Beispiel steht entlang vor dem Wort das es bestimmt. Es kann entsprechend mit dem Genitiv oder mit dem Dativ stehen. Beide Varianten, die Sie vorschlagen, sind deshalb richtig:

Gesteinsbänder, entlang denen die Strecke verläuft. (Dativ)
Gesteinsbänder, entlang derer die Strecke verläuft. (Genitiv)

Wem diese Auswahlmöglichkeiten noch nicht genügen, dem stellt der Genitiv noch eine Variante zur Verfügung. Das ist ein weiterer komplizierender Faktor bei Ihrem Beispielsatz. In der weiblichen Einzahl und wie hier im Plural lautet die Genitivform des Relativpronomens nicht nur derer, sonder auch deren:

Gesteinsbänder, entlang deren die Strecke verläuft.

Weitere Angaben finden Sie in der LEO-Grammatik hier und hier.

Das Wörtchen entlang kann einen mit all seinen Möglichkeiten ziemlich verunsichern! So kurz nachdem ich dies alles aufgeschrieben habe, wüsste ich jedenfalls nicht mehr spontan, was richtig ist. Glücklicherweise hat man bei der Wahl des richtigen Falles fast immer viel weniger Schwierigkeiten, wenn man nicht darüber nachdenkt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Mitarbeitende haben nach alle ein n

Frage

Meine Beispielsätze, um die es sich heute dreht:

Alle Mitarbeitende unterstehen der obligatorischen Versicherung.
Die Firma versichert alle Mitarbeitende bei einer Versicherung.

Wäre nicht in beiden Sätzen „alle Mitarbeitenden“ richtig? Warum ist es bei „Mitarbeitende“ so knifflig, während die Endungen bei „Angestellte“ so viel einfacher sind?

Antwort

Sehr geehrte Frau M.,

warum einem alle Mitarbeitenden nicht so zügig aus der Tastatur fließen will wie alle Angestellten, weiß ich nicht. Es könnte damit zu tun haben, dass man viel häufiger das Wort Angestellte gehört und gelesen hat und deshalb besser an seine Formen gewöhnt ist. Es ist jedenfalls so, dass Mitarbeitende wie Angestellte ein sogenanntes substantiviertes Partizip ist, das in der Regel genau gleich wie ein Adjektiv gebeugt wird:

Alle mitarbeitenden Menschen unterstehen …
Alle Mitarbeitenden unterstehen …

Die Firma versichert alle angestellten Leute.
Die Firma versichert alle Angestellten

Mitarbeitende Menschen dürfen mitreden.
Mitarbeitende dürfen mitreden.

Angestellte Leute sind versichert.
Angestellte sind versichert.

Am 1. Mai feiert unser ältester mitarbeitender Kollege sein 40. Dienstjubiläum.
Am 1. Mai feiert unser ältester Mitarbeitender sein 40. Dienstjubiläum.

Am 1. Mai feiert unsere älteste mitarbeitende Kollegin ihr 40. Dienstjubiläum.
Am 1. Mai feiert unsere älteste Mitarbeitende ihr 40. Dienstjubiläum.

Das klingt alles komplizierter als es (für Muttersprachige!) normalerweise ist. Man macht es meistens spontan richtig und zweifelt erst, wenn man anfängt, darüber nachzudenken. Wenn Sie bei den Endungen von Angestellte sicher sind, ist die Sache sowieso ganz einfach: Mitarbeitende funktioniert genau gleich.

Dasselbe gilt übrigens für Wortgruppen wie zum Beispiel: der Angeklagte, ein Angeklagter; alle Anwesenden, zwei Anwesende; die lieben Studierenden, liebe Studierende; motivierte Unterrichtende, diese motivierten Unterrichtenden; unser Vorsitzender, unsere Vorsitzende usw. usf. Siehe auch „Liebe Auszubildende“.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wundert es jemand, wenn man niemand ohne Endung begegnet?

Frage

Was ist richtig: „Sicher gibt es in Ihrem Bekanntenkreis jemand oder jemanden, der noch nicht … ist.“

Antwort

Sehr geehrte Frau T.,

beide Formulierungen sind möglich. Sowohl die endungslose als auch die Form mit Endung gelten hier als richtig:

Sicher gibt es in Ihrem Bekanntenkreis jemanden, der …
Sicher gibt es in Ihrem Bekanntenkreis jemand, der …

Das gilt nicht nur für den Akkusativ, sondern auch für den Dativ:

Reden Sie mit jemandem darüber, der …
Reden Sie mit jemand darüber, der …

… und für niemand:

Es gibt in meinem Bekanntenkreis niemanden, der …
Es gibt in meinem Bekanntenkreis niemand, der …
Ich möchte mit niemandem darüber reden.
Ich möchte mit niemand darüber reden.

Bevor Sie sich nun aber allzu sehr über so viel Freiheit freuen oder sich leicht irritiert fragen, ob denn heutzutage alles erlaubt sei, hier noch zwei Einschränkungen: Es ist nicht richtig, im Dativ die Endung –en zu verwenden:

Nicht: Man kann hier niemanden vertrauen.
Sondern: Man kann hier niemandem/niemand vertrauen.

Und den schicken Genitiv trifft man natürlich nie ohne seine Endung an:

Wie kann man jemandes (jemands) Charakter beurteilen?
Das ist in niemandes (niemands) Interesse.

Falls Sie alles noch einmal in der Grammatik nachlesen möchten, können Sie das hier tun.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Neues mit klassischer Endung: Nova, Novä, Novum, Nova

Frage

Die Anwendungen und Aussprachen der Mehrzahl in der deutschen Sprache haben sich ja oft verändert. So heißt die Mehrzahl von Atlas eigentlich Atlanten, aber ich glaube, es ist auch erlaubt, Atlasse zu sagen. Nun aber die für mich nicht nachzuvollziehende Mehrzahl von Supernova: Ich habe gerade wieder einen Bericht gesehen und immer wieder spricht man hier in der Mehrzahl von Supernovae. Ist das richtig und in irgendeiner Art und Weise nachzuvollziehen?

Antwort

Sehr geehrter Herr T.,

man darf zum Entsetzen einiger Traditionsbewusster heute tatsächlich nicht nur Atlanten, sondern auch Atlasse sagen und schreiben. Bei Supernova hingegen ist die Welt auch für Liebhaber klassisch beeinflusster Wortformen noch in Ordnung: Der Plural lautet Supernovae oder Supernovä. Woher kommt diese im Deutschen ungewöhnliche Endung?

Nova bezeichnete ursprünglich einen Himmelskörper, der vorher nicht sichtbar gewesen war. (Heute ist die Definition etwas komplizierter.) Eine Supernova ist eine besonders starke Nova. Das Wort Nova kommt aus dem Lateinischen: stella nova = neuer Stern. Die Form stella nova ist weiblich und steht im Singular. Die entsprechende Form ist im Nominativ Plural stellae novae. Deshalb lautet der Plural auch im Deutschen Novae oder Novä und Supernovae oder Supernovä.

Vom gleichen lateinischen Adjektiv novus (neu) kommt auch das Wort das Novum = die Neuheit, die neue Tatsache. Hier verwenden wir die sächliche Form novum. Der dazugehörende Nominativ Plural ist nova. Entsprechend lautet der selten vorkommende Plural von das Novum auch im Deutschen die Nova.

Die Nova trägt ihren Namen, weil sie gewissermaßen ein Novum ist. Mehrere Novä sind also Nova. Die Nova in der Einzahl und die Nova in der Mehrzahl könnten einem so glatt durcheinandergeraten. Glücklicherweise gibt der Kontext in der Regel an, ob von einem astronomischen Phänomen oder von Neuheiten die Rede ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn breitbandig nicht breit genug ist, wie sagt man dann?

Frage

Wenn man sagt „breitbandigere Verbindung in der Telekommunikation“, weiß jeder, was gemeint ist, aber ist diese vielleicht erst gerade erfundene Steigerungsform auch richtig? Muss es heißen „breiterbandig“ – oder ist das genau so schlimm?

Antwort

Sehr geehrte Frau M.,

wenn man denn das Wort breitbandig unbedingt steigern will oder muss, ist breitbandiger eine grammatisch richtige Möglichkeit (vgl. weiträumig –  weiträumiger, breitschultrig – breitschultriger). Diese Form ist allerdings nicht sehr geläufig. Auch breiterbandig wäre im Prinzip möglich (vgl. hochwertig – höherwertiglangfristig – längerfristig), es scheint aber noch weniger üblich zu sein.

Bei manchen Zusammensetzungen dieser Art wird der erste Teil gesteigert (längerfristig), bei vielen aber der zweite Teil, d. h. das ganze Adjektiv (zartgliedriger). Es ist übrigens nie richtig, beide Teile zu steigern (nicht: *breiterbandigere, *höherwertigere).

Stilistisch ist es wohl am besten, breitbandig nicht zu steigern, sondern – wenn Platz und andere Vorgaben es zulassen – eine Formulierung wie zum Beispiel Verbindungen mit größerer Bandbreite zu verwenden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp