Vor allem für diejenigen, die sich für Subtilitäten der Zeichensetzung interessieren, hier ein Problem, das ich nicht eindeutig zu lösen weiß:
Frage
Mit der Herausgabe des amtlichen Regelwerks im Jahr 2024 wurde das Kapitel zur Zeichensetzung vollständig überarbeitet. Besonders bei den infiniten Nebensätzen wurden viele, früher fakultative Vorschriften nun obligatorisch. Zum Beispiel müssen nun Subjektinfinitive aufgrund ihrer Satzwertigkeit mit einem Komma abgetrennt werden. Leider konnte ich weder in Ihrem Blog noch im Regelwerk etwas finden, was deren Kommatierung innerhalb von Nebensätzen beschreibt.
Konkret fiel mir beim Lesen folgender Satz auf:
Er erkannte, dass den Mund zu halten besser war, als zu reden.
In einem Hauptsatz wäre das Komma unstrittig:
Den Mund zu halten, war besser, als zu reden.
Auch mit einem Verweiswort/Korrelat wäre die Kommasetzung klar geregelt:
Er erkannte, dass es besser war, den Mund zu halten, als zu reden.
[…] Wie verhält es sich nun hinsichtlich Grammatik und korrekter Zeichensetzung? Ist die Kommatierung eines Subjektinfinitivs innerhalb eines Nebensatzes erforderlich, erlaubt oder verboten?
… dass[,] den Mund zu halten[,] besser war …
Antwort
Guten Tag Herr Z.,
im Prinzip werden infinite Nebensätze durch Kommas vom übergeordneten Satz abgetrennt. Nach der aktuellen Version der Rechtschreibregeln gilt dies, wie Sie richtig bemerken, auch für infinite Nebensätze mit Subjektfunktion:
Sich selbst zu besiegen, ist der schönste Sieg.
Unsere Gäste zu verwöhnen, macht uns Freude.
Den Mund zu halten, war besser, als zu reden.
Was bedeutet dies für den besonderen Fall in Ihrer Frage? Eine einfache Antwort mit einem Hinweis auf eine Regel muss ich Ihnen schuldig bleiben. Im Regelwerk wird keine Ausnahme für Subjektinfinitive in eingeleiteten Nebensätzen angegeben. Der Infinitiv (den Mund) zu halten bildet meiner Meinung nach auch kein mehrteiliges Prädikat mit war besser, so dass auch hier eigentlich Kommas gesetzt werden müssten. Es kommt ja ein infiniter Nebensatz vor, der nach der allgemeinen Regel abgetrennt werden sollte:
Stimmt es, dass, sich selbst zu besiegen, der schönste Sieg ist? [??]
Wichtig ist, dass, unsere Gäste zu verwöhnen, uns Freude macht. [??]
Er erkannte, dass, den Mund zu halten, besser war, als zu reden [??]
So machen wir es auch bei andere Nebensätze mit eingeschobenen finiten oder infiniten Nebensätzen (die allerdings nicht Subjekt sind):
Telemachus erkannte, dass, wenn er Gott dienen wollte, er den Menschen dienen müsste.
Oft kommt es vor, dass, um sich zu vergnügen, das Schiffsvolk einen Albatros ergreift …
Die eingeklammerten Fragezeichen oben sollen angeben, dass ich die Kommasetzung dort für nicht gelungen bis sehr zweifelhaft halte. Als „Lösung“ könnte man hier eine Ausnahme formulieren, die nicht in den Regeln vorgesehen ist und wie folgt lautet: Infinite Nebensätze als Subjekt eines eingeleiteten Nebensatzes werden nicht durch Kommas abgetrennt:
Stimmt es, dass sich selbst zu besiegen der schönste Sieg ist?
Wichtig ist, dass unsere Gäste zu verwöhnen uns Freude macht.
Er erkannte, dass den Mund zu halten besser war, als zu reden.
Wenn auch diese Zeichensetung nicht überzeugt oder wenn man dies alles etwas zu kompliziert findet, kann man das Kommaproblem umgehen, indem man zu weglässt. Das ist bei Subjektinfinitiven möglich:
Stimmt es, dass sich selbst besiegen der schönste Sieg ist?
Wichtig ist, dass unsere Gäste verwöhnen uns Freude macht.
Er erkannte, dass den Mund halten besser war als reden.
Noch besser ist es oft, etwas weniger verschachtelt zu formulieren:
Sich selbst zu besiegen, ist der schönste Sieg. Stimmt das?
Wichtig ist, dass es uns Freude macht, unsere Gäste zu verwöhnen.
Er erkannte, dass es besser war, den Mund zu halten, als zu reden.
Das gilt auch für den nicht allzu leicht verständlichen Titel dieses Beitrages:
Stimmt es, dass es besser ist, im Titel oben die Kommas im Nebensatz wegzulassen?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp