Wann ist die Preisverleihung?

Frage

Wenn einer Person zu einem gewissen Zeitpunkt ein Preis zugesprochen und dieser Preis zu einem späteren Zeitpunkt überreicht wird – für welchen Vorgang verwendet man korrekterweise das Verb „verleihen“?

Antwort

Guten Tag Frau D.,

üblicherweise wird das (feierliche) Überreichen eines Preises Preisverleihung genannt. Ein Preis, ein Recht, ein Orden, ein Titel u. Ä. wird zuerkannt und dann verliehen. So wird der Friedensnobelpreis jährlich am 10. Dezember verliehen. Wer ihn erhalten soll, wird schon früher bestimmt. Das gilt vor allem dann, wenn wie zum Beispiel bei der Oscarverleihung erst während der Zeremonie bekannt gemacht wird, wer einen Preis erhält. Die Zuerkennung kann auf allerlei Arten erfolgen (öffentlich, geheim, sachkundig, inkompetent, regelgebunden, spontan, demokratisch, [un]begründet, politisch motiviert, ehrlich, vetternwirtschaftlich, korrupt …), die Verleihung ist meist offiziell und feierlich.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Hätte ich es begreifen können oder begriffen haben können?

Frage

In der Netflix-Serie „Sandman“ gibt es dieses Zitat:

Weißt du, zuerst mal war es falsch, einen Plan für den Tag zu machen, damit meine Erwartungen erfüllt werden. Das hat es mir vollkommen unmöglich gemacht, zu genießen, was der Tag an neuen Erfahrungen bereithielt. Das hätte ich inzwischen doch begriffen haben können, oder?

Ich kann die Verbform des letzten Satzes nicht richtig einordnen. […] Wie unterscheiden sich „hätte begreifen können“ und „hätte begriffen haben können“? Ich dachte, es gäbe nur einen Konjunktiv 2 der Vergangenheit.

Auf Englisch lautet dieser Satz übrigens: „You’d think I would have learned that by now.“

Antwort

Guten Tag N.,

die Modalverben (dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen) können mit dem Infinitiv Präsens und mit dem Infinitiv Perfekt stehen.

  • Gleichzeitigkeit: Partizip Präsens

Du musst es [jetzt] tun.
Du müsstest es [jetzt] tun.
Du hättest es [damals] tun müssen.

  • Vorzeitigkeit: Partizip Perfekt

Du musst es [vorher/bereits] getan haben.
Du müsstest es [vorher/bereits] getan haben.
Du hättest es [vorher/bereits] getan haben müssen.

Ebenso:

Ich kann es [jetzt] begreifen
Ich könnte es [jetzt] begreifen.
Ich hätte es [damals] begreifen können.

Ich kann es [vorher/bereits] begriffen haben.
Ich könnte es [vorher/bereits] begriffen haben.
Ich hätte es [vorher/bereits] begriffen haben können.

In Ihrem Zitat kann man hätte können auch mit zum Beispiel müsste ausdrücken:

Ich hätte es doch inzwischen begreifen können.
Ich müsste es doch inzwischen begreifen.

Ich hätte es doch inzwischen begriffen haben können.
Ich müsste es doch inzwischen begriffen haben.

Ob es darum geht, inzwischen zu begreifen oder inzwischen begriffen zu haben, ist nicht dasselbe, aber es gibt in diesem Kontext dennoch keinen großen Unterschied. Wenn man es nicht begriffen hat, begreift man es nicht. Deshalb geht hier m.M.n. beides:

Das hätte ich inzwischen doch begreifen können, oder?
Das hätte ich inzwischen doch begriffen haben können, oder?

In beiden Sätzen steht das Modalverb im Konjunktiv II der Vergangenheit (hätte können); im ersten Satz mit dem Infinitiv Präsens (begreifen) im zweiten Satz mit dem Infinitiv Perfekt (begriffen haben). Eine andere Übersetzung des Zitats zeigt, wie groß oder eben klein der Unterschied zwischen den beiden Formulierungen ist:

Man sollte meinen, dass ich das inzwischen begreife.
Man sollte meinen, dass ich das inzwischen begriffen habe.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warme Temperaturen?

Frage

Im Zusammenhang mit dem Klimawandel hat sich seit einiger Zeit der Begriff „warme Temperaturen“ eingebürgert. Ich halte das für falsch, denn die Temperaturen sind m. E. hoch (oder niedrig), aber nicht warm. Warm sind Luft, Wasser oder das Klima. Wie stehen Sie zu dem Ganzen?

Antwort

Guten Tag Herr A.,

in der Standardsprache heißt es stilistisch gut:

hohe Temperaturen
niedrige/tiefe Temperaturen

Formulierungen wie warme Temperaturen und kühle Temperaturen sollte man vermeiden. Warm oder kühl ist die Luft, nicht ihre Temperatur.

Noch deutlicher ist der Unterschied zwischen „stilistisch gut“ und „standardsprachlich zu vermeiden“ bei folgenden Beispielen.

Standardsprachlich nicht:

teure Preise, teure Mieten
billige Preise, billige Mieten

sondern:

hohe Preise, hohe Mieten
niedrige/tiefe Preise, niedrige/tiefe Mieten

Teuer ist das Flugticket, nicht sein Preis. Der ist hoch.

Keine dieser Formulierungen ist aber logisch oder grammatisch grundsätzlich falsch. Es ist, wie gesagt, eine Frage der guten Wortwahl und des guten Stils. Man kann für mehr oder weniger billige Preise in die heißen Temperaturen des Südens fliegen, aber stilistisch reist man besser für niedrige Preise in die Hitze des Südens – und klimabewusster fliegt man ohnehin am besten nicht, damit die Temperaturen nicht noch höher werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Infinitivgruppen als Subjekt: sowohl mit als auch ohne „zu“

Frage

Ich beschäftige mich gerade damit, die Masterarbeit einer Freundin zu korrigieren, und dabei bin ich auf eine Satzstruktur gestoßen, die mich ein wenig ins Grübeln bringt. Ich hoffe, Sie können helfen.

Die Position des Schriftstellers miteinbeziehen bedeutet, auch die Entstehung des Werkes zu berücksichtigen.

Diese Satzstruktur kommt recht häufig vor und aus dem Gefühl heraus würde ich sagen, dass hier im ersten Teil ein Infinitiv mit „zu“ stehen müsste („die Position des Schriftstellers miteinzubeziehen bedeutet“). Oder sind hier beide Varianten möglich?

Antwort

Guten Tag Herr M.,

hier gibt es mehr als eine Möglichkeit. Wenn eine Infinitivgruppe im Satz Subjekt ist, kann sie auch ohne zu stehen. Das Komma entfällt dann.

Dich zu verstehen, ist nicht immer einfach.
Dich verstehen ist nicht immer einfach.

Mit vollem Mund zu reden, gilt als unhöflich.
Mit vollem Mund reden gilt als unhöflich.

Zusammen mit anderen zu spielen, macht mehr Spaß.
Zusammen mit anderen spielen macht mehr Spaß.

Das gilt auch in Ihrem Satz:

Die Position des Autors miteinzubeziehen, bedeutet, auch die Entstehung des Werkes zu berücksichtigen.
Die Position des Autors miteinbeziehen bedeutet, auch die Entstehung des Werkes zu berücksichtigen.*

(* Nicht alle finden es allerdings gut, Infinitivgruppen mit zu und Infinitivgruppen ohne zu in dieser Weise zu kombinieren.)

Bei Verben wie sein, heißen, bedeuten kann die Infinitivgruppe auch als Prädikativ o. Akkusativergänzung ohne zu stehen:

Wellness heißt, sich wohlzufühlen.
Wellness heißt sich wohlfühlen.

Zusammen mit anderen zu spielen, bedeutet, mehr Spaß zu haben.
Zusammen mit anderen spielen bedeutet mehr Spaß haben.

Möglich ist entsprechend auch:

Die Position des Autors miteinbeziehen bedeutet auch den Kontext der Entstehung des Werkes berücksichtigen.

Ich würde hier, wie Sie offenbar auch, die erste Formulierung mit zweimal zu wählen. Die Formulierungen ohne zu sind aber nicht falsch. Dabei gilt allerdings, dass die Kombination von Infinitivgruppe ohne zu und Infinitivgruppe mit zu in einem Satz nicht von allen gleichermaßen akzeptiert wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Mütze, sie/diese/die ist rot

Frage

Ich habe eine Frage zur Verwendung von Demonstrativpronomina: In meiner Schulzeit habe ich gelernt, dass man „diese(r/s)“ verwenden muss, wenn man sich auf das letzte Substantiv im vorherigen Satz bezieht. Beispiel:

Die Ente trägt eine Mütze. Diese ist rot.

Nun hat es sich aber eingebürgert, dass stattdessen oft „der/die/das“ verwendet wird, also:

Die Ente trägt eine Mütze. Die ist rot.

Das klingt in meinen Ohren schrecklich umgangssprachlich. Da meine Schulzeit aber schon eine Weile zurückliegt, würde mich interessieren, wie die offizielle Regelung hierzu aussieht. Gibt es eventuell eine Stelle im Duden, die man heranziehen kann? Mittlerweile habe ich sowohl das Internet als auch die Duden-Grammatik durchforstet, ohne einen brauchbaren Hinweis zu finden.

Antwort

Guten Tag Frau M.,

Sie finden hier keine festen Regeln, weil die Wahl des Pronomens (diese, die bzw. sie) keine grammatische, sondern eine stilistische Entscheidung ist. Dafür gibt es keine verbindlichen oder offiziellen Regeln.

Keine der folgenden Formulierungen ist falsch:

a) Die Ente trägt eine Mütze. Sie ist rot.
b) Die Ente trägt eine Mütze. Diese ist rot.
c) Die Ente trägt eine Mütze. Die ist rot.

Während bei a) mit etwas gutem Willen auch die Ente rot sein könnte, ist bei b) und c) deutlicher, dass die Mütze rot ist. Dabei ist diese formeller und die etwas weniger formell, ohne gleich umgangssprachlich zu sein. Für einen formellen Text würde ich deshalb diese oder sie empfehlen. In der Alltagssprache ist die aber auch gut vertretbar. Ebenso zum Beispiel:

Wir schauen in den Himmel und er ist blau.
Wir schauen in den Himmel und dieser ist blau.
Wir schauen in den Himmel und der ist blau.

Beim Bezug auf Personen gilt die Wahl von die oder der statt sie bzw. er allerdings als unhöflich und/oder umgangssprachlich:

Frau S. ist meine Nachbarin, aber die sieht man kaum.
Kennst du Rolf? Dem würde ich nicht vertrauen.

Hier geht es aber nicht um eine Person. Es ist also nicht gleich schrecklich umgangssprachlich, wenn man sich mit die auf die Mütze der Ente bezieht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wer reinigt die selbstreinigende Küche?

Frage

In meiner Dienststelle hängt folgender Hinweis:

Diese Küche (incl. Kühlschrank etc.) ist selbstreinigend, d. h. jeder, der diese schmutzig macht, reinigt sie auch selbst.

Aus meiner Sicht liegt hier ein klarer sprachlicher Widerspruch vor. Das Adjektiv „selbstreinigend“ beschreibt eine technische Eigenschaft von Dingen, also z. B. bei einem „selbstreinigenden Ofen“ oder einer „selbstreinigenden Toilette“. Es bedeutet, dass sich ein Objekt ohne äußeres Zutun selbst säubert – durch einen eingebauten Mechanismus.

In dem genannten Satz ist jedoch nicht die Küche gemeint, die sich eigenständig reinigt, sondern eine Aufforderung an Personen, ihren Schmutz selbst zu beseitigen.  […]

Es geht mir nicht um Humor oder Ironie, sondern um sprachliche Klarheit und Kohärenz. […] Daher meine Frage an Sie: Ist die Formulierung „Diese Küche ist selbstreinigend“ – in diesem Zusammenhang – aus sprachwissenschaftlicher Sicht korrekt, vertretbar oder inkonsequent?

Antwort

Guten Tag Herr A.,

Sie haben recht: Eine selbstreinigende Küche ist eine Küche, die sich selbst reinigt. Es ist keine Küche, die man selbst reinigen muss. Es handelt sich hier um einen bekannteren, ursprünglich nur witzig, ironisch oder zynisch gemeinten Spruch, der des Öfteren nicht ganz richtig verwendet wird.

Wenn ein Partizip I (Partizip Präsens) ein Substantiv näher bestimmt, ist dieses Substantiv das Subjekt der Verbhandlung:

der fahrende Zug = der Zug fährt
die lachenden Dritten = die Dritten lachen
eine enttäuschende Entscheidung = die Entscheidung enttäuscht

das selbstfahrende Taxi = das Taxi fährt selbst
selbstklebende Etiketten = die Etiketten kleben selbst
eine selbsttragende Konstruktion = die Konstruktion trägt sich selbst
die selbstreinigende Küche = die Küche reinigt sich selbst

So wie man das selbstfahrend Taxi nicht selbst fahren muss, die selbstklebende Etikette auch durch jemand anderen aufkleben lassen kann und eine selbsttragende Konstruktion nicht selbst abstützen muss, so muss man eine selbstreinigende Küche auch nicht selbst reinigen. Das Taxi fährt sich selbst, die Etikette klebt von selbst, die Konstruktion trägt sich selbst und die Küche reinigt sich selbst – wenn man den Behauptungen der Herstellerfirmen und Marketingmenschen glauben darf.

Wenn ausgedrückt werden soll, was offenbar mit dem Hinweis in Ihrer Dienststelle gemeint ist, gibt es eine andere Formulierung mit dem Partizip I, mit der man „müssen“ ausdrücken kann:

Dies ist eine selbst zu reinigende Küche = eine Küche, die selbst gereinigt werden muss

Vgl. zum Beispiel:

der zu nehmende Zug = der Zug, den man nehmen muss
die zu respektierenden Dritten = die Dritten, die man respektieren muss
die zu treffende Entscheidung = die Entscheidung, die getroffen werden muss
selbst aufzuklebende Etiketten = Etiketten, die man selbst aufkleben muss

Der Hinweis „Diese Küche ist selbstreinigend“ ist also entweder humoristisch gemeint oder nicht richtig formuliert. Dass dies nicht für alle selbsterklärend ist, zeigt die Verwendung des Spruches in Ihrer Dienstelle und an manchen anderen Orten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Stimmt es, dass hier die Kommas im Nebensatz wegzulassen besser ist?

Vor allem für diejenigen, die sich für Subtilitäten der Zeichensetzung interessieren, hier ein Problem, das ich nicht eindeutig zu lösen weiß:

Frage

Mit der Herausgabe des amtlichen Regelwerks im Jahr 2024 wurde das Kapitel zur Zeichensetzung vollständig überarbeitet. Besonders bei den infiniten Nebensätzen wurden viele, früher fakultative Vorschriften nun obligatorisch. Zum Beispiel müssen nun Subjektinfinitive aufgrund ihrer Satzwertigkeit mit einem Komma abgetrennt werden. Leider konnte ich weder in Ihrem Blog noch im Regelwerk etwas finden, was deren Kommatierung innerhalb von Nebensätzen beschreibt.

Konkret fiel mir beim Lesen folgender Satz auf:

Er erkannte, dass den Mund zu halten besser war, als zu reden.

In einem Hauptsatz wäre das Komma unstrittig:

Den Mund zu halten, war besser, als zu reden.

Auch mit einem Verweiswort/Korrelat wäre die Kommasetzung klar geregelt:

Er erkannte, dass es besser war, den Mund zu halten, als zu reden.

[…] Wie verhält es sich nun hinsichtlich Grammatik und korrekter Zeichensetzung? Ist die Kommatierung eines Subjektinfinitivs innerhalb eines Nebensatzes erforderlich, erlaubt oder verboten?

… dass[,] den Mund zu halten[,] besser war …

Antwort

Guten Tag Herr Z.,

im Prinzip werden infinite Nebensätze durch Kommas vom übergeordneten Satz abgetrennt. Nach der aktuellen Version der Rechtschreibregeln gilt dies, wie Sie richtig bemerken, auch für infinite Nebensätze mit Subjektfunktion:

Sich selbst zu besiegen, ist der schönste Sieg.
Unsere Gäste zu verwöhnen, macht uns Freude.
Den Mund zu halten, war besser, als zu reden.

Was bedeutet dies für den besonderen Fall in Ihrer Frage? Eine einfache Antwort mit einem Hinweis auf eine Regel muss ich Ihnen schuldig bleiben. Im Regelwerk wird keine Ausnahme für Subjektinfinitive in eingeleiteten Nebensätzen angegeben. Der Infinitiv (den Mund) zu halten bildet meiner Meinung nach auch kein mehrteiliges Prädikat mit war besser, so dass auch hier eigentlich Kommas gesetzt werden müssten. Es kommt ja ein infiniter Nebensatz vor, der nach der allgemeinen Regel abgetrennt werden sollte:

Stimmt es, dass, sich selbst zu besiegen, der schönste Sieg ist? [??]
Wichtig ist, dass, unsere Gäste zu verwöhnen, uns Freude macht. [??]
Er erkannte, dass, den Mund zu halten, besser war, als zu reden [??]

So machen wir es  auch bei andere Nebensätze mit eingeschobenen finiten oder infiniten Nebensätzen (die allerdings nicht Subjekt sind):

Telemachus erkannte, dass, wenn er Gott dienen wollte, er den Menschen dienen müsste.
Oft kommt es vor, dass, um sich zu vergnügen, das Schiffsvolk einen Albatros ergreift …

Die eingeklammerten Fragezeichen oben sollen angeben, dass ich die Kommasetzung dort für nicht gelungen bis sehr zweifelhaft halte. Als „Lösung“ könnte man hier eine Ausnahme formulieren, die nicht in den Regeln vorgesehen ist und wie folgt lautet: Infinite Nebensätze als Subjekt eines eingeleiteten Nebensatzes werden nicht durch Kommas abgetrennt:

Stimmt es, dass sich selbst zu besiegen der schönste Sieg ist?
Wichtig ist, dass unsere Gäste zu verwöhnen uns Freude macht.
Er erkannte, dass den Mund zu halten besser war, als zu reden.

Wenn auch diese Zeichensetung nicht überzeugt oder wenn man dies alles etwas zu kompliziert findet, kann man das Kommaproblem umgehen, indem man zu weglässt. Das ist bei Subjektinfinitiven möglich:

Stimmt es, dass sich selbst besiegen der schönste Sieg ist?
Wichtig ist, dass unsere Gäste verwöhnen uns Freude macht.
Er erkannte, dass den Mund halten besser war als reden.

Noch besser ist es oft, etwas weniger verschachtelt zu formulieren:

Sich selbst zu besiegen, ist der schönste Sieg. Stimmt das?
Wichtig ist, dass es uns Freude macht, unsere Gäste zu verwöhnen.
Er erkannte, dass es besser war, den Mund zu halten, als zu reden.

Das gilt auch für den nicht allzu leicht verständlichen Titel dieses Beitrages:

Stimmt es, dass es besser ist, im Titel oben die Kommas im Nebensatz wegzulassen?

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Er macht ein[’n] Fehler – falscher Nominativ oder (fast) unhörbarer Akkusativ?

Frage

Seit geraumer Zeit stelle ich fest, dass für unbestimmte Artikel und Possessivpronomen im Maskulinum Akkusativ gehäuft der Nominativ verwendet wird.

Diesen Wechsel höre ich überall im Alltag, jedoch mittlerweile auch in Filmen, Dokumentationen und Nachrichten. Ist das eine bekannte Entwicklung? Das ist doch einfach fehlerhaft oder habe ich ein Missverständnis?

Beispiele aus dem TV (gestern innerhalb von 3 Stunden):

Ich hab’ kein Schlaf.
Ein Augenblick!
Er macht ein Fehler.
Wir haben ein Hund.
Wenn sie kein Ehevertrag haben, …
Ich mach mir ein Kaffee.
Ich habe auch mein Stolz!
Er soll sich um sein Kram kümmern.
Nehmen Sie ein Schirm mit, es könnte regnen.

Antwort

Guten Tag D.,

auch Muttersprachler und Muttersprachlerinnen verwechseln im „Hochdeutschen“ je nach unterliegendem Dialekt manchmal den Akkusativ und den Nominativ. Das kann dann passieren, wenn es den Unterschied im Dialekt nicht oder kaum gibt. Ich vermute aber, dass dies hier nicht der Fall ist. Es handelt sich bei den Äußerungen, die Sie irritieren, sehr wahrscheinlich nicht um falsche Nominative, sondern um nicht gut hörbare Akkusative.

In der eher informellen (schnell) gesprochenen Sprache fällt bei unbetontem -el, -em und -en am Wortende je nach Region häufig das unbetonte e aus (fachsprachlich unter anderem: optionale Schwa-Tilgung in Reduktionssilben; silbische Konsonanten**). In der geschriebenen Sprache beibt das weggefallene e in der Regel erhalten. Ich schreibe es hier zur Verdeutlichung als Apostroph:

Apf’l (Apfel)
eit’l (eitel)
kein’m (keinem)
rot’m (rotem)
red’n (reden)
les’n (lesen)
Blum’n o. Blum’m (Blumen)

Wenn das unbetonte e der Endung -en nach einem n ausfällt, folgen zwei n aufeinander. Das ist bei schnellerem Sprechen kaum oder gar nicht zu hören**:

Banan’n (Bananen)
spinn’n (spinnen)

Entsprechend auch:

Ich hab kein’n Schlaf.
Ein’n Augenblick!
Er mach ein’n Fehler.
Wir haben ein’n Hund.
Wenn sie kein’n Ehevertrag hab’n …
Ich mach mir ein’n Kaffee.
Ich hab auch mein’n stolz!
Er soll sich um sein’n Kram kümmern.
Nehm’n Sie ein’n Schirm mit!

Ich weiß natürlich nicht mit Sicherheit, ob dies in alle Ihren Beispielen der Fall ist, aber ich vermute, dass es sich in der Regel um eine solchen Ausfall des unbetonten e handelt. Sie haben also sehr wahrscheinlich keine falschen Nominative, sondern kaum/nicht hörbare Akkusative gehört.

Mit freundlich’n Grüß’n

Dr. Bopp

** Was nach dem e-Ausfall übrig bleibt, behält seinen Wert als Silbe. Das ist bei langsamem Sprechen gut zu hören:

A-pf’l
ei-t’l
kei-n’m
re-d’n
ei-n’n
kei-n’n
mei-n’n

Gereihte Nebensätze als Subjekt

Frage

Ich habe noch folgende Fragen:

Seine Stärke ist, dass er fleißig ist. Er kann auch gut zuhören.

In diesem Fall heißt es „Stärke“, weil nur eine Stärke („fleißig“) innerhalb des Satzes genannt wird.

Die folgenden Sätze seien aber nicht richtig:

Zu seinen Stärken zählen, dass er fleißig ist und dass er gut zuhören kann.
Zu seinen Schwierigkeiten gehören, dass er nicht lesen und nicht schreiben kann.

Warum sind „zählen“ und „gehören“ hier nicht richtig? Es werden doch zwei Stärken bzw. Schwierigkeiten genannt. Offenbar hat es etwas damit zu tun, ob ich die Stärken bzw. Schwierigkeiten mit Nomen („Fleiß“) benenne oder in Form eines Nebensatzes („dass er fleißig ist“). […]

Antwort

Guten Tag Herr S.,

in Ihren Beispielen geht es darum, dass Nebensätze Subjekt sein können. Hier ein paar Beispiele:

Vorteilhaft ist, dass er fleißig ist.
Dass er fleißig ist, zählt zu seinen Stärken.
Dass er nicht lesen kann, ist schwierig für ihn.
Lesen zu können, wäre wichtig.

Zwei oder mehr Nebensätze bilden aber zusammen kein mehrteiliges Subjekt, das ein Verb im Plural verlangen würde:

nicht: *Vorteilhaft sind, dass er fleißig ist und dass er gut zuhören kann.
nicht: *Dass er fleißig ist und dass er gut zuhören kann, zählen zu seinen Stärken.
nicht: *Nicht lesen zu können und nicht schreiben zu können, sind schwierig für ihn.
nicht: *Lesen zu können und schreiben zu lernen, wären wichtig.

Was ist richtig? – Wenn das Subjekt aus zwei gereihten Nebensätzen (auch Infinitivsätzen) besteht, bleibt das Verb im Singular:

Vorteilhaft ist, dass er fleißig ist und dass er gut zuhören kann.
Dass er fleißig ist und dass er gut zuhören kann, zählt zu seinen Stärken.
Dass er nicht lesen kann und dass er nicht schreiben kann, ist schwierig für ihn.
Lesen zu können und schreiben zu lernen, wäre wichtig.

Gereihte Substantive hingegen bilden zusammen ein mehrteiliges Subjekt mit einem Verb im Plural:

Vorteilhaft sind sein Fleiß und die Fähigkeit, gut zuzuhören.
Sein Fleiß und seine Fähigkeit, gut zuzuhören, zählen zu seinen Stärken.
Seine Leseschwäche und seine Schreibschwäche sind schwierig für ihn.
Das Lesen und das Schreiben sind wichtig für ihn.

Kurz zusammengefasst: Bei gereihten Substantiven als Subjekt, steht das Verb meistens im Plural:

Fleiß und Aufmerksamkeit zählen zu seinen Stärke.

Bilden aber gereihte Nebensätze das Subjekt, bleibt das Verb im Singular:

Dass er fleißig ist und dass er gut zuhören kann, zählt zu seinen Stärken.
Fleißig zu sein und aufmerksam zuhören zu können, zählt zu seinen Stärken.

Normalerweise wählt man hier die richtige Verbform, ohne weiter dabei nachzudenken. Es kann aber nicht schaden, diese Besonderheit hier einmal zu erwähnen, zum Beispiel für den Fall, dass man wie Sie doch einmal darüber nachdenkt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Verbformenreiche Formulierung:
Soll er sich haben ansprechen lassen, ansprechen haben lassen oder ansprechen lassen haben?

Frage

Wie sollte man Ihrer Meinung nach in diesem Satz die Verben anordnen? „Er soll sich mit ,Boss‘ ansprechen haben lassen“ („haben ansprechen lassen“, „ansprechen lassen haben“?). Ich finde im Duden leider nichts dazu und auch nicht in Ihrem Blog-Archiv unter dem Stichwort „Infinitiv(e)“.

Antwort

Guten Tag Herr H.,

hier haben wir es wieder einmal mit einer Anhäufung von Verbformen zu tun, die nicht allzu oft vorkommt und bei der man leicht ins Stolpern geraten kann – vor allem wenn man anfängt, darüber nachzudenken.

Als standardsprachlich korrekt gilt hier:

Er soll sich mit Boss haben ansprechen lassen.
Er soll sich mit Boss ansprechen lassen haben.

Die allgemeine Regel lautet so:

Wenn eine Verbgruppe einen Ersatzinfinitiv von heißen, lassen, helfen, sehen, fühlen, hören enthält und dieser Ersatzinfinitiv vom Hilfsverb haben abhängig ist, wird das finite Hilfsverb im Nebensatz in der Regel vor die Verbgruppe gestellt. Zumindest bei lassen, sehen, fühlen, hören gilt aber die Endstellung des finiten Hilfsverbs auch als korrekt.

dass er sich mit Boss hat ansprechen lassen
dass er sich mit Boss ansprechen lassen hat

ob jemand die Verdächtigen habe weggehen sehen
ob jemand die Verdächtigen weggehen sehen habe

obwohl er das Kind hatte weinen hören
obwohl er das Kind weinen hören hatte

Die Regel gilt auch im folgenden Fall, in dem noch eine Verbform hinzukommt:

Das Hilfsverb haben steht auch dann vor den anderen Infinitiven, wenn es selbst im Infinitiv steht.

Er soll sich mit Boss haben ansprechen lassen.
Er soll sich mit Boss ansprechen lassen haben.

Jemand musste die Verdächtigen haben weggehen sehen.
Jemand musste die Verdächtigen weggehen sehen haben.

Er will das Kind haben weinen hören.
Er will das Kind weinen hören haben.

Siehe hierzu auch die LEO-Grammatik; Duden, Grammatik, 9. Auflage, 2016, Randnummer 684; Duden, Grammatik, 10. Auflage, 2022, Randnummer 658 ff.

Wie die Beispiele zeigen, sind Formulierungen dieser Art schwierig zu verwenden, ebenso schwierig zu erklären und manchmal auch gar nicht so einfach zu verstehen. Wenn sie nicht spontan der Tastatur entspringen oder wenn man zweifelt, ist es oft besser, etwas weniger verbformenreich zu formulieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp