Das große Eszett

Da man das Jahr mit frischem Schwung, aber nicht gleich übertrieben hektisch beginnen sollte, hier etwas leichtere* Kost zum Auftakt des Jahres 2010:

Frage

Wie schreibt man das Wort Maßstab nur mit Großbuchstaben?

Antwort

Sehr geehrter Herr K.,

die amtlichen Rechtschreibregelung § 25 E3 sagt:

Bei Schreibung mit Großbuchstaben schreibt man SS.

Man schreibt also:

MASSSTAB

Seit einiger Zeit gibt es das Eszett allerdings auch als Großbuchstabe: Am 4. April 2008 wurde ein Großbuchstabe für ß in den Zeichensatz Unicode 5.1 aufgenommen. Die internationale Organisation für Normung (ISO) hat mit der Veröffentlichung des Zusatzes 4:2008 zum internationalen Zeichensatz ISO-10646 ebenfalls ein Zeichen für das große Eszett festgeschrieben.

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Dieser Großbuchstabe kommt aber in der amtlichen Rechtschreibung nicht vor. In den Vorbemerkungen zur Laut-Buchstaben-Zuordnung steht:

Die Schreibung des Deutschen beruht auf einer Buchstabenschrift. Jeder Buchstabe existiert als Kleinbuchstabe und als Großbuchstabe (Ausnahme ß)

Wenn Sie sich an die amtliche Rechtschreibregelung halten, schreiben Sie also, wie bereits gesagt, SS für großes ß.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

* Für einige Leute ist diese Frage allerdings manchmal nicht ganz so „leicht“. In Dokumenten wird gelegentlich das kleine ß auch bei Großschreibung angewendet, um Verwechslungen mit ss auszuschließen:

GROßE, Henriette
WEIß, Michael

Wenn jemand nun Große oder Weiß heißt und im Ausland ein solches Dokument vorlegen muss, kann es zu Schwierigkeiten kommen. Es ist dann nämlich oft nicht einfach, glaubhaft zu machen, dass man nicht Grobe oder Weib heißt. Das ß ist auf der internationalen Bühne schon als Kleinbuchstabe recht unbekannt – als Großbuchstabe verwendet ist es das erst recht.

Zum Ende der Nullerjahre

Dieser Eintrag kommt eigentlich zu spät, denn die Rückblicke, Bestenlisten und Aufzählungen der unterschiedlichsten Höhepunkte des sich dem Ende neigenden Jahrzehnts sind ja schon fast alle zusammengestellt und veröffentlicht worden. Mir fällt dabei unter anderem auf, dass eine Frage, die viele am Anfang dieses Jahrhunderts beschäftigte, beantwortet zu sein scheint: Wie nennt man die Jahre des ersten Jahrzehnts eines Jahrhunderts? In sehr vielen Rückblicken findet man dafür das Wort Nullerjahre.

Die Nullerjahre. Ich finde es kein besonders schönes Wort – doch das ist reine Geschmackssache. Es ist ein praktisches Wort. Es bezeichnet ziemlich genau das, was gemeint ist, und es fügt sich problemlos in den Wortschatz des Deutschen ein. Die Siebzigerjahre, die Achtzigerjahre, die Neunzigerjahre – in diese Reihe passen die Nullerjahre ausgezeichnet. Auch strengste Anglizismenjäger können nichts daran auszusetzen haben. Es findet sich bestimmt jemand, der „logische“ oder andere Einwände gegen diese Wortschöpfung hat, doch seit über die Sprache nachgedacht, gesprochen und geschrieben wird, hat es wohl noch nie eine sprachliche Neuerung gegeben, gegen die niemand etwas einzuwenden gehabt hätte. Die Nullerjahre sind also ganz zu Recht auf dem Weg, sich durchzusetzen.

Eigentlich wollte ich nur ganz kurz etwas zur Rechtschreibung sagen. Während man sehr oft ganz richtig die Nullerjahre liest, begegnet man auch hin und wieder anderen Schreibungen wie die Nuller-Jahre und die Nuller Jahre.  Die erste Schreibung enthält einen unnötigen, aber nicht grundsätzlich falschen Bindestrich. Die zweite Schreibung ist falsch. Wenn Nuller ein Substantiv ist, muss es mit Jahre zusammengeschrieben werden: die Nullerjahre. Wenn man es als vorangestelltes Adjektiv interpretierte, müsste es wie zum Beispiel achtziger kleingeschrieben werden: die nuller Jahre (wie achtziger Jahre, neunziger Jahre). Sie schreiben also am besten in den Nullerjahren des 21. Jahrhunderts (oder, wie ich es rein stilistisch vorziehe, im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts).

Guten Rutsch in die Zehnerjahre und ein glückliches neues Jahr!

Dr. Bopp

Wegen nichts, für nichts, um nichts

Auch zwischen Weihnachten und Silvester sind wir für Sie da. Die Besucherzahlen auf CanooNet zeigen zwar jedes Jahr, dass das Interesse an sprachlichen Fragen aus nicht völlig unbegreiflichen Gründen über die Feiertage auf einen absoluten Tiefpunkt sinkt, aber wir möchten ja die wenigen verbleibenden Interessierten nicht gänzlich vor dem Nichts stehen lassen. Deshalb hier eine Frage zum Wort nichts:

Frage

„Wegen Nichts bekommt er einen vor den Kopf.“

Meine Frage zum Wort nichts: Ist im Beispielsatz nur die Kleinschreibung nichts erlaubt oder wäre auch die Großschreibung Nichts möglich?

Antwort

Sehr geehrter Herr E.,

hier ist nur die Kleinschreibung richtig:

Wegen nichts bekommt er einen vor den Kopf.

Ebenso:

…, weil nichts und niemand uns aufhalten kann.
alles oder nichts
Danke für nichts!
mit nichts zufrieden sein
Man kann ihm nichts erzählen, ohne dass es nachher das ganze Dorf weiß.

Das Pronomen nichts schreibt man also grundsätzlich klein. Man muss allerdings großschreiben, wenn nichts als Substantiv verwendet wird. Das ist dann der Fall, wenn es von einem Artikelwort begleitet wird. Zum Beispiel:

Wegen eines Nichts bekommt er einen vor den Kopf.
vor dem Nichts stehen
aus dem Nichts erscheinen

[Siehe auch die Angaben zur Rechtschreibung von nichts im CanooNet-Wörterbuch.]

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Alles bleibt selbst höflich klein

Eine häufiger gestellte Frage, die ausnahmsweise einmal (fast) ohne Wenn und Aber zu beantworten ist:

Frage

Jetzt, zu Weihnachten, möchten wir uns bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken. Da die Wörter Kolleginnen und Kollegen im Text nicht noch einmal vorkommen sollen, lautet der Satz: „Wir möchten uns bei allen für das Engagement bedanken.“ Nun kam die Frage auf, ob allen groß- oder kleingeschrieben wird?

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

man schreibt alle/alles immer klein. Es wird nur in der Wendung sein Ein und (sein) Alles sowie natürlich am Satzanfang und wie oben als erstes Wort in einer Überschrift großgeschrieben. Ihr Satz ist also richtig geschrieben:

Wir möchten uns bei allen für das Engagement bedanken.

Ebenso zum Beispiel:

Hast du alle informiert?
Ich habe mit allen geredet.
Wenn alle nur noch Hbf. verstehen

Die Kleinschreibung gilt also auch dann, wenn alle sich auf Personen bezieht. Sie gilt sogar dann, wenn man sich direkt in der Höflichkeitsform an mehrere Personen richtet:

Wir danken Ihnen allen für Ihren Einsatz
Ich möchte Sie alle herzlich einladen …

Sehen Sie auch diese Seiten zur Rechtschreibung von alle und zur Kleinschreibung von Pronomen im Allgemeinen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warum „am besten“ kein großes B hat

Frage

Ich weiß nicht, ob es auf folgende Frage überhaupt eine Antwort gibt, aber wieso werden Superlative, die mit am gebildet werden, nicht wie Nomen behandelt und großgeschrieben? Spielt mir mein Sprachgefühl hier einen Streich und macht mich glauben, dass diese Superlative großgeschrieben werden „sollten“, da nach der verschmolzenen Präposition (an + dem = am) großgeschrieben wird?

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

warum schreibt man Superlativformen mit am wie zum Beispiel am besten klein, wenn man mit wie nach ihnen fragen kann? Die einfachste Antwort auf diese Frage lautet: weil dies in den Rechtschreibregeln ausdrücklich so steht (amtl. Regelung § 58.2).

Es geht hier um eine Frage, die zeigt, dass es in Sprache und Rechtschreibung oft mehr als eine „logische“ Lösung gibt. Man könnte nach der allgemeinen Regel sagen, dass ein Adjektiv nach am (an dem) wie ein Nomen verwendet wird und deshalb großgeschrieben werden sollte (wie zum Beispiel in: sich nur mit dem Besten zufriedengeben). Andererseits kann man sagen, dass diese Superlativform einfach eine gebeugte Form des Adjektivs ist, die mit am und der Endung -sten gebildet wird. Entsprechend schreibt man klein.

Die Rechtschreibregelung wählt die zweite Variante. Warum? – Die Superlativform mit am wird genau gleich verwendet wie die ungebeugten Formen des Positivs und des Komparativs:

Ich finde das gut/besser/am besten.
Dieses Auto fährt schnell/schneller/am schnellsten.
das schnell/schneller/am schnellsten fahrende Auto

Die Form am …sten übernimmt die Rolle der ungebeugten Superlativform, die es bis auf wenige Ausnahmen wie herzlichst (in herzlichst grüßen) nicht gibt. Sie wird deshalb nicht als Substantivierung gesehen, sondern als eine besondere Beugungsform des Adjektivs. Dafür spricht auch die Tatsache, dass das am in dieser Verwendung auch bei besonderer Betonung nicht in an dem aufgelöst werden kann:

Ich bin nur am Besten interessiert
Ich bin nur an dem Besten interessiert

Du weißt am besten, was du brauchst.
NICHT: Du weißt an dem besten, was du brauchst.

Bei der Schreibung der mit am gebildeten Superlativformen hat also eine „logische“ Begründung (Kleinschreibung als Flexionsform) die besseren Karten als die andere (Substantivierung durch bestimmten Artikel).

Natürlich geht es auch hier nicht ganz ohne Komplikationen. Wenn man nicht mit wie, sondern mit woran fragen kann, „gewinnt“ die Substantivierung aus syntaktischen Gründen. Man schreibt die Superlativform dann auch nach am groß:

Das brauchen sie am nötigsten (Wie brauchen sie das?)
Es fehlt ihnen am Nötigsten (Woran fehlt es ihnen?)

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Großes Du in E-Mails?

Wenn wir schon beim Thema Anreden in Briefen sind (siehe den vorhergehenden Eintrag), hier eine weiter Frage in diesem Zusammenhang:

Frage

In einem großen Internetforum kam die Frage eines älteren Mitglieds auf, ob die Anrede du nicht großgeschrieben werde. Es entfachte eine kleine Diskussion, die sich auf die folgende Frage reduzieren lässt: Kann die Sonderregel in §66 der amtlichen Rechtschreibregelung auch auf andere Dinge als den klassischen Brief erweitert werden oder ist es auch nach diesen Regeln zwingend notwendig, Forenanreden (hinzu kommen vielleicht sogar noch Chats und sogar E-Mails?) kleinzuschreiben?

Antwort

Sehr geehrter Herr P.,

es steht zu befürchten, dass ich die Diskussion nicht endgültig beschließen kann. Die Frage lautet, was die amtliche Regelung genau meint:

§ 66: Die Anredepronomen du und ihr, die entsprechenden Possessivpronomen dein und euer sowie das Reflexivpronomen sich schreibt man klein.

E: In Briefen können die Anredepronomen du und ihr mit ihren Possessivpronomen auch großgeschrieben werden

Wenn man sich buchstäblich an den Text hält  (es gibt nun einmal Leute, die das immer tun …), ist die Großschreibung von du nur in Briefen möglich. Doch was ist mit „in Briefen“ gemeint? Ich und andere interpretieren es so, dass damit nicht nur klassische Briefe, sondern schriftliche Äußerungen aller Art gemeint sind, in denen sich du oder ihr direkt an jemanden richtet. Es kann sich also auch um Widmungen, interne Memos, E-Mails, Forenbeiträge usw. handeln. Warum?

Es geht um die Möglichkeit (also nicht um die Verpflichtung), die Anrede du oder ihr als Ausdruck der Höflichkeit großzuschreiben. Diese Möglichkeit sollte einem in allen schriftlichen Äußerungen zur Verfügung stehen. Außerdem ist es in der heutige Zeit recht schwierig zu definieren, was genau ein Brief ist. Muss er zum Beispiel unbedingt auf Papier geschrieben sein? Muss er in einem Umschlag stecken? Hat nicht unter anderem die E-Mail in vielen Bereichen die Rolle des Briefes übernommen?

Es ist also eine Frage der Interpretation. Ist mit „in Briefen“ nur der klassische Brief gemeint – oder einfach eine direkt an jemanden gerichtet schriftliche Äußerung? Meine Interpretation kennen Sie nun. Ich bin halt auch schon ein bisschen älter …

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Bopp

Vom Wissenwollen und dem Nicht-begreifen-Können

Manchmal kommen bestimmte Fragen wie in Wellen auf. In letzter Zeit war die Frage nach der Schreibung von substantivierten Infinitivgruppen Ihr großer Favorit. Keine Angst, substantivierte Infinitivgruppe klingt „gefährlicher“ als es ist.

Fragen

  • Schreibt man das Wissen wollen oder das Wissenwollen, das Verzeihen können oder das Verzeihenkönnen?
  • Bei der Suche nach Regeln für die Schreibweise des folgenden Ausdrucks bin ich leider nicht fündig geworden: das Gefundenwerden?
  • Wie werden im folgenden Satz die Worte Erwachsen werden geschrieben: „Es gehört zum Erwachsen werden, dass man Verantwortung übernimmt“?
  • Wie schreibt man vom Gefüttertwerden bis zum allein Essen?
  • Könnten Sie mir bitte sagen, wie man das unter Druck setzen richtig schreibt, d.h. welche Wörter groß, welche klein, wo Bindestrich?
  • Wie wird das Folgende geschrieben:  ein Gefühl des Nicht begreifen könnens?

Antwort

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn ein Infinitiv, das heißt die Grundform eines Verbs, als Substantiv verwendet wird, schreibt man groß:

das Lesen
beim Stricken einnicken
zum schnellen Aufwärmen
die Zeit mit Spielen und Fernsehen verbringen

Wenn man statt eines allein stehenden Infinitivs eine Infinitivgruppe als Substantiv verwendet, schreibt man ebenfalls groß. Bei einfacheren, in der Regel aus zwei Teilen bestehenden Gruppen schreibt man zusammen:

das Bücherlesen
beim Winterpulloverstricken einnicken
zum schnellen Selbstaufwärmen

Das bedeutet für die Beispiele in Ihren Fragen:

das Wissenwollen
das Verzeihenkönnen
das Gefundenwerden
das Erwachsenwerden
vom Gefüttertwerden bis zum Alleinessen

Bei komplexeren Infinitivgruppen verwendet man Bindestriche. Weiter schreibt man das erste Wort, den (letzten) Infinitiv und ggf. Substantive groß. Das führt dann zu solchen Schreibungen:

das Dicke-Bücher-Lesen
beim Für-die-ganze-Familie-Pullover-Stricken
zum schnellen In-der-Mikrowelle-Aufwärmen

Sie schreiben also auch:

das Unter-Druck-Setzen
ein Gefühl des Nicht-begreifen-Könnens

Es gäbe wahrscheinlich noch einiges zu sagen. Ich glaube aber, dass die Beispiele zeigen, wie es im Allgemeinen gemacht wird. Sie zeigen auch, dass man mit solchen Formulierungen vorsichtig und sparsam umgehen sollte. Sie sind nämlich schwerfällig und – vor allem wenn sie länger sind – nicht gerade einfach zu verstehen. Meist ist eine andere Formulierung vielleicht etwas länger, dafür eleganter und lesefreundlicher. Das war zwar nicht die Frage, aber ich möchte nicht, dass man mir noch den Vorwurf des Den-stilistischen-Aspekt-völlig-außer-Acht-Lassens macht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Wenn Sie sich die entsprechenden Rechtschreibregeln ansehen möchten, finden Sie sie hier:

Leuchtendes Blau und blaues Leuchten

Passend zum für viele nicht mehr allzu weit entfernten Anfang der Sommerferien eine Frage im Zusammenhang mit der Farbe des Meeres:

Frage

Welche Form stimmt?

Das Blau des Meeres leuchtet.
Das blau des Meeres leuchtet.

In der Schule gab es verschiedene Auffassungen!

Blau: Gemeint ist die Farbe, also ein Nomen (das).
blau: Wir fragen „Wie leuchtet das Meer?“ – „blau“, also ein Adjektiv.

Wer hat Recht?

Antwort

Sehr geehrter Herr A.,

richtig ist hier die Großschreibung:

Das Blau des Meeres leuchtet.

Das Adjektiv blau wird in diesem Satz als Substantiv verwendet. Das erkennt man unter anderem daran, dass es alleine nach dem Artikel das steht. Als Substantiv verwendete Adjektive schreibt man groß. Sehen Sie hierzu diese Rechtschreibregel.

Sinngemäß stimmt es, dass das Meer blau leuchtet. Konkret wird aber etwas anderes gesagt, nämlich dass das Blau des Meeres leuchtet. Nicht das Meer, sondern dessen Farbe leuchtet. Wichtig für die Groß- und Kleinschreibung ist nicht der tiefere Sinn, sondern die konkrete Satzkonstruktion. Man fragt deshalb in diesem Satz nicht mit wie?, sondern mit wer oder was? nach Blau:

Wer oder was leuchtet? – Das Blau des Meeres leuchtet.

Klein schreibt man blau in anderen Satzkonstruktionen wie zum Beispiel :

Wie leuchtet das Meer? – Das Meer leuchtet blau.

Wenn Sie bald ans Meer fahren und schönes Wetter mögen, kann es Ihnen aber ziemlich egal sein, ob man blau oder Blau schreibt. Hauptsache ist, dass Sie dort blaues Leuchten oder leuchtendes Blau antreffen. Dies gilt übrigens auch bei Bächen, Seen und Flüssen, falls Sie andere Landschaftstypen bevorzugen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die 60-Jährige

Gestern, am 23. Mai, wurde sie sechzig. Jetzt ist sie sechzig Jahre alt. Eine sechzigjährige (60-jährige), quicklebendige Dame. Es ist eine ungewöhnliche Sechzigjährige (60-Jährige). Sie hat zum Beispiel keine Privatadresse, an die man die Karte mit der großen goldenen Sechzig schicken könnte. Ich weiß darum gar nicht so recht, ob und wie ich ihr zum Sechzigsten gratulieren soll. Mit oder ohne Gratulationen: es ist ein schönes Jubiläum. Ihrem sechsundsechzigjährigen (66-jährigen) Präsidenten kann man übrigens ganz ohne Ob und Wie zur Wiederwahl gratulieren.

Es geht hier natürlich auch ein ganz kleines bisschen um die Wörter sechzig und sechzigjährig.

Ein norwegischer Sänger in der russischen Hauptstadt

Wie es sich für einen seriösen Sprachwissenschaftler nicht gehört, habe ich auch dieses Jahr wieder mit viel Vergnügen, einem Gläschen Wein und etwas zum Knabbern den Liederwettbewerb der Eurovision am Fernsehen verfolgt. Die deutschsprachigen Länder waren dabei ziemlich untervertreten, da gar kein österreichisches Lied angemeldet worden war, es noch nie einen liechtensteinischen Beitrag gegeben hat und die schweizerischen musikalischen Abgesandten im Halbfinale völlig zu Unrecht nicht genügend Stimmen für die Teilnahme am Finale für sich gewinnen konnten. Für die anderen Länder, in denen Deutsch eine Amtssprache ist, gilt, dass die letzten italienischen und luxemburgischen Teilnahmen schon Jahre zurückliegen und der belgische Elvis-Imitator es etwas weniger unerwartet als der Schweizer Beitrag nicht ins Finale geschafft hatte.

Als großer Geldgeber der Eurovision konnte nur Deutschland, ohne eine Vorrunde durchstehen zu müssen, direkt am Finale in der russischen Hauptstadt teilnehmen. Es gab dann also doch einen Beitrag aus deutschsprachigen Landen. Allerdings stand (oder besser: wand sich) dort ein amerikanischer Sänger mit einem englisch gesungenen Lied, aber im Rahmen des europäischen Gedankens und der gesamteuropäischen Unterhaltung sei dies zugestanden. Den Erfolg des deutschen Beitrags kann man, gelinde gesagt, mit mäßig umschreiben, was – nichts für ungut – die Qualität des Songs recht gut widerspiegelt.

Überwältigend gewonnen hat dann in der osteuropäischen Metropole ein junger norwegischer Sänger mit weißrussischen Wurzeln und einem so entwaffnenden Lächeln, dass es ihm europaweit gelingen würde, selbst die strengsten und misstrauischsten zukünftigen Schwiegervater- und Schwiegermutterherzen im Nu zu erobern.

Fans und Verächter des Eurovision Song Contests ebenso wie die große Gruppe derer, denen diese Veranstaltung und der Zirkus darum herum ziemlich gleichgültig sind, fragen sich vielleicht, was dies alles in einem Sprachblog zu suchen hat. Die Antwort lautet: im Prinzip gar nichts. Ich wollte nur wieder einmal darauf hinweisen, dass von geographischen (und anderen) Namen abgeleitete Adjektive im Deutschen anders als zum Beispiel im Englischen kleingeschrieben werden:

ein österreichisches Lied, ein liechtensteinischer Beitrag, die schweizerischen Abgesandten, die luxemburgische Teilnahme, ein belgischer Elvis-Imitator, die russische Hauptstadt, die osteuropäische Metropole, der norwegische Sänger usw.

Was eignet sich besser als ein internationales Ereignis wie dieses, um das mit vielen Beispielen zu illustrieren.

Ausnahmen sind die unveränderlichen Adjektive auf -er wie Schweizer in Schweizer Beitrag und Moskauer in das Moskauer Stadtzentrum. Auch die Adjektive, die Teil eines Eigennamens sind, schreibt man groß: die Deutsche Bahn, der Österreichische Rundfunk (ORF), die Schweizerische Eidgenossenschaft, die Europäische Union.

Wer mich besser kennt, wird nun vermuten, dass ich nicht das Festival dazu verwende, um etwas über die Rechtschreibung zu schreiben, sondern umgekehrt die Rechtschreibung als Ausrede missbrauche, um auch einmal etwas über das Eurovisionsfestival schreiben zu können. Wer mir solches unterstellt, hat nicht ganz unrecht.