Vom Wissenwollen und dem Nicht-begreifen-Können

Manchmal kommen bestimmte Fragen wie in Wellen auf. In letzter Zeit war die Frage nach der Schreibung von substantivierten Infinitivgruppen Ihr großer Favorit. Keine Angst, substantivierte Infinitivgruppe klingt „gefährlicher“ als es ist.

Fragen

  • Schreibt man das Wissen wollen oder das Wissenwollen, das Verzeihen können oder das Verzeihenkönnen?
  • Bei der Suche nach Regeln für die Schreibweise des folgenden Ausdrucks bin ich leider nicht fündig geworden: das Gefundenwerden?
  • Wie werden im folgenden Satz die Worte Erwachsen werden geschrieben: „Es gehört zum Erwachsen werden, dass man Verantwortung übernimmt“?
  • Wie schreibt man vom Gefüttertwerden bis zum allein Essen?
  • Könnten Sie mir bitte sagen, wie man das unter Druck setzen richtig schreibt, d.h. welche Wörter groß, welche klein, wo Bindestrich?
  • Wie wird das Folgende geschrieben:  ein Gefühl des Nicht begreifen könnens?

Antwort

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn ein Infinitiv, das heißt die Grundform eines Verbs, als Substantiv verwendet wird, schreibt man groß:

das Lesen
beim Stricken einnicken
zum schnellen Aufwärmen
die Zeit mit Spielen und Fernsehen verbringen

Wenn man statt eines allein stehenden Infinitivs eine Infinitivgruppe als Substantiv verwendet, schreibt man ebenfalls groß. Bei einfacheren, in der Regel aus zwei Teilen bestehenden Gruppen schreibt man zusammen:

das Bücherlesen
beim Winterpulloverstricken einnicken
zum schnellen Selbstaufwärmen

Das bedeutet für die Beispiele in Ihren Fragen:

das Wissenwollen
das Verzeihenkönnen
das Gefundenwerden
das Erwachsenwerden
vom Gefüttertwerden bis zum Alleinessen

Bei komplexeren Infinitivgruppen verwendet man Bindestriche. Weiter schreibt man das erste Wort, den (letzten) Infinitiv und ggf. Substantive groß. Das führt dann zu solchen Schreibungen:

das Dicke-Bücher-Lesen
beim Für-die-ganze-Familie-Pullover-Stricken
zum schnellen In-der-Mikrowelle-Aufwärmen

Sie schreiben also auch:

das Unter-Druck-Setzen
ein Gefühl des Nicht-begreifen-Könnens

Es gäbe wahrscheinlich noch einiges zu sagen. Ich glaube aber, dass die Beispiele zeigen, wie es im Allgemeinen gemacht wird. Sie zeigen auch, dass man mit solchen Formulierungen vorsichtig und sparsam umgehen sollte. Sie sind nämlich schwerfällig und – vor allem wenn sie länger sind – nicht gerade einfach zu verstehen. Meist ist eine andere Formulierung vielleicht etwas länger, dafür eleganter und lesefreundlicher. Das war zwar nicht die Frage, aber ich möchte nicht, dass man mir noch den Vorwurf des Den-stilistischen-Aspekt-völlig-außer-Acht-Lassens macht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Wenn Sie sich die entsprechenden Rechtschreibregeln ansehen möchten, finden Sie sie hier:

Tram, Tramway und Holzschienen

Weil es schon wieder regnet (oder immer noch?), komme ich nochmals auf die Straßenbahn oder eigentlich die/das Tram zurück. Da Sie selbstverständlich schon immer wissen wollten, wo das Wort herkommt, habe ich es für Sie nachgeschlagen. Tram geht auf das englische tramway zurück. Das Wort tram ist schottisch und nordenglisch, wo es im Minenbau sowohl für die Schienen als auch für die darauf rollenden Wagen verwendet wurde. Es kommt wahrscheinlich von einem germanischen Wort tram(e), das Balken, Querbalken bedeutete. Die ersten Schienen in den Minen waren nämlich aus Holz.

Und wenn wir schon bei Geschichtlichem sind, hier noch ein paar Informationen, denen ich auf der Suche begegnet bin: Die ersten offiziellen Pferdetramdienste nahmen 1832 in New York  und 1834 in New Orleans den Betrieb auf. (Den allerersten bezahlten Passagiersdienst auf Schienen gab es allerdings schon 1804 in Südwales, aber die Swansea and Mumbles Railway scheint aus terminologischen oder anderen Gründen nicht als Straßenbahn zu gelten.) In Europa wurden die ersten Pferdestraßenbahnen 1855 in Paris und 1861 in London eingeführt. Die erste Linie in der Schweiz und gleichzeitig die zweite auf dem europäischen Festland wurde 1862 in Genf eröffnet. In Deutschland und Österreich fuhren die ersten von Pferden gezogenen Straßenbahnen in Berlin und Wien, in beiden Städten im Jahre 1865.  Aber was das eigentlich noch mit Sprache zu tun haben soll, weiß ich auch nicht. Das kommt davon, wenn man an einem ziemlich verregneten Sonntagnachmittag zu tippen anfängt.

Die Straßenbahnfahrkarte und das Trambillett

Weil es heute Morgen wieder einmal schüttete, habe ich die Straßenbahn genommen. Weil man in der Straßenbahn Zeit hat und sich nicht immer wieder über ungeniert in Handys brüllende Mitpassagiere ärgern kann, ließ ich meine Gedanken schweifen. Beim Wort Straßenbahn kommt mir nämlich immer in den Sinn, das dieses Wort für Schweizer Ohren so richtig deutsches Deutsch ist. Das liegt nicht nur daran, dass man in der Schweiz das Wort Tram verwendet, sondern auch daran, dass man im Standarddeutschen nördlich des Rheines ein langes a viel offener ausspricht als im durchschnittlichen schweizerischen Hochdeutsch. (Die Ostschweizer bitte ich, mir diese Verallgemeinerung zu verzeihen.) Dann klingt Straßenbahn schon fast ein wenig wie Sträßenbähn. Noch krasser ist der Unterschied bei der Straßenbahnfahrkarte (Sträßenbähnfährkärte), die man in der deutschen Schweiz „natürlich“ Trambillett nennt.

Ein anderer Ausdruck aus dem öffentlichen Verkehr, den man in der Schweiz nie und nimmer hören würde, ist „Vorsicht am Bahnsteig, die Türen schließen selbsttätig“. Ein Bahnsteig ist in der Schweiz ein Perron und selbsttätig ist automatisch. (Das Wort „selbsttätig“ hört man allerdings auch in Deutschland nur selten anders als aus Bahnhofslautsprechern.) Wenn ich also vor selbsttätig schließenden Türen gewarnt werde, dann weiß ich, dass mein Zug in Deutschland angekommen ist, wo man für die eventuelle Weiterfahrt am Automaten einen Fahrschein und nicht ein Billett löst. Soweit die Gedanken zu Sprachunterschieden im öffentlichen Verkehr, denn ich musste das Tram (nicht etwa die Tram!) schon wieder verlassen.

Wenn Satzzeichen Flügel kriegen: das Ausrufungszeichen

Frage

Ich habe gerade die beiden Begriffe Ausrufezeichen und Ausrufungszeichen nachgesehen, um herauszufinden, welches der beiden die korrekte Bezeichnung für das Zeichen ! ist, oder ob beide gleichberechtigt verwendet werden können. Nun wird beim Eintrag Ausrufungszeichen als Oberbegriff Eule angegeben, was mich zugegebenermaßen etwas verwirrt hat. Vielleicht können Sie mich diesbezüglich erleuchten?

Antwort

Sehr geehrte Frau N.,

was das Wort Ausrufungszeichen mit einer Eule zu tun haben soll, war auch mir vorerst völlig unklar. Wenn man dann weitersucht, stellt man fest, dass die automatische Darstellung von Synonymen, Ober- und Unterbegriffen manchmal eher verwirrend als hilfreich ist. Dies gilt insbesondere bei Wörtern wie Ausrufungszeichen, die selten verwendet werden und darüber hinaus noch verschiedene Bedeutung haben. Bei solchen Wörtern ist das Risiko größer, dass im Wörterbuch nicht alle Bedeutungen abgedeckt sind.

Eulen sind natürlich Vögel. Eulen oder Eulenfalter sind aber auch eine Nachtfalterart. Zu den Eulenfaltern gehört neben zum Beispiel der Achateule, der Holzkappeneule, dem Schattenmönch, dem Schwarzen Ordensband, dem Jägerhütchen und dem Silberspinnerchen auch das Ausrufungszeichen, das auch den schönen Namen Gemeine Graseule trägt.

Ausrufungszeichen

Es stimmt also, dass Ausrufungszeichen ein Unterbegriff einer bestimmten Bedeutung von Eule ist. Im Bedeutungswörterbuch fehlt aber die bekanntere Bedeutung des Wortes, das heißt, es wird nicht angegeben, dass Ausrufungszeichen auch eine seltener verwendete Variante von Ausrufezeichen ist. Das kann zu sehr begreiflicher Verwirrung führen. Wir werden die Angaben ergänzen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

sich einander gegenseitig

Frage

Umgangssprachlich ist klar: Wir verwenden die Formen:

Wir treffen uns in der Bar.
Wir schauten uns an.
Sie sahen sich an.

Wie ist es mit der Schriftsprache? Verwendet man grundsätzlich sich anstatt einander? Heißt es beispielsweise:

Sie blickten sich an oder Sie blickten einander an.
Sie klopften sich auf die Schulter oder Sie klopften einander auf die Schulter

Viele Fragezeichen! Ich bin schon ganz verwirrt und bitte um Aufklärung.

Antwort

Sehr geehrte Frau D.,

es ist auch im Standarddeutschen üblich, bei einem wechselseitigen (reziproken) Verhältnis die Reflexivpronomen des Plurals uns, euch, sich zu verwenden.

Wie treffen uns in der Bar.
Wir sahen uns an.
Sie klopften sich auch die Schultern.

Wenn man befürchtet, dass es zu Missverständnissen kommen könnte, oder wenn man es einfach möchte, kann man das wechselseitige Verhältnis mit einander oder dem weniger gehoben klingenden sich gegenseitig ausdrücken:

Wir treffen einander in der Bar.
Wir sahen uns gegenseitig an.
Sie klopften sich gegenseitig auf die Schulter.

Die Kombinationen einander gegenseitig und sich einander sind standardsprachlich übrigens nicht akzeptiert. Das sieht wohl zu sehr nach „doppelt gemoppelt“ aus. (Die im Titel stehende Dreierkombination sich einander gegenseitig sollte man demnach höchstens bewusst scherzhaft verwenden.)

Wenn man umgekehrt unbedingt ausdrücken möchte, dass es sich um ein rückbezügliches (reflexives) Verhältnis handelt, wird es schwieriger. Dann hilft meist nur noch umformulieren:

Jeder sah sich selbst an.
Jede klopfte sich auf ihre eigene Schulter.

Das ist aber glücklicherweise nur selten der Fall, da in der Regel der engere oder weitere Satzzusammenhang klärt, ob ein rückbezügliches oder ein wechselseitiges Verhältnis gemeint ist.

Natürlich geht es wieder einmal nicht ganz ohne Ausnahmen. Wenn sich mit einer Präposition verwendet wird, hat es meist nur eine rückbezügliche Bedeutung. Für eine wechselseitiges Verhältnis wird dann -einander verwendet:

Sie sind mit sich zufrieden = rückbezüglich (jeder mit sich selbst und mit der Gruppe)
Sie sind miteinander zufrieden = wechselseitig (jeder mit dem anderen)

Ihr denkt nur an euch= rückbezüglich (Richtet sich an Egoisten).
Ihr denkt nur aneinander = wechselseitig (Richtet sich an sehr Verliebte …).

Sehen Sie hierzu auch diese Grammatikseite.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Leuchtendes Blau und blaues Leuchten

Passend zum für viele nicht mehr allzu weit entfernten Anfang der Sommerferien eine Frage im Zusammenhang mit der Farbe des Meeres:

Frage

Welche Form stimmt?

Das Blau des Meeres leuchtet.
Das blau des Meeres leuchtet.

In der Schule gab es verschiedene Auffassungen!

Blau: Gemeint ist die Farbe, also ein Nomen (das).
blau: Wir fragen „Wie leuchtet das Meer?“ – „blau“, also ein Adjektiv.

Wer hat Recht?

Antwort

Sehr geehrter Herr A.,

richtig ist hier die Großschreibung:

Das Blau des Meeres leuchtet.

Das Adjektiv blau wird in diesem Satz als Substantiv verwendet. Das erkennt man unter anderem daran, dass es alleine nach dem Artikel das steht. Als Substantiv verwendete Adjektive schreibt man groß. Sehen Sie hierzu diese Rechtschreibregel.

Sinngemäß stimmt es, dass das Meer blau leuchtet. Konkret wird aber etwas anderes gesagt, nämlich dass das Blau des Meeres leuchtet. Nicht das Meer, sondern dessen Farbe leuchtet. Wichtig für die Groß- und Kleinschreibung ist nicht der tiefere Sinn, sondern die konkrete Satzkonstruktion. Man fragt deshalb in diesem Satz nicht mit wie?, sondern mit wer oder was? nach Blau:

Wer oder was leuchtet? – Das Blau des Meeres leuchtet.

Klein schreibt man blau in anderen Satzkonstruktionen wie zum Beispiel :

Wie leuchtet das Meer? – Das Meer leuchtet blau.

Wenn Sie bald ans Meer fahren und schönes Wetter mögen, kann es Ihnen aber ziemlich egal sein, ob man blau oder Blau schreibt. Hauptsache ist, dass Sie dort blaues Leuchten oder leuchtendes Blau antreffen. Dies gilt übrigens auch bei Bächen, Seen und Flüssen, falls Sie andere Landschaftstypen bevorzugen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Mause- bzw. Rattenfallen

Frage

Der Titel einer Broschüre heißt: „Ihr Erfolg durch Erbe- und Nachfolgeplanung“. Nun trat die Frage auf, ob es nicht richtiger wäre, ohne das e zu schreiben, da es ja auch Erbplanung heißt: „Ihr Erfolg durch Erb- und Nachfolgeplanung“. Was wäre aus Ihrer Sicht richtig?

Antwort

Sehr geehrte Frau B.,

richtig ist:

Ihr Erfolg durch Erb- und Nachfolgeplanung

Ein Ergänzungsstrich steht für den Wortteil, der weggelassen wird. Der Wortteil, den man stehen lässt, bleibt unverändert. Das gilt auch dann, wenn er wie hier Erb allein stehend kein eigenes Wort ist:

Erbplanung und Nachfolgeplanung => Erb- und Nachfolgeplanung

Andere Beispiele:

Endbearbeitung und Nachbearbeitung => End- und Nachbearbeitung
Erdbeereis oder Vanilleeis => Erdbeer- oder Vanilleeis
Mausefallen bzw. Rattenfallen => Mause- bzw. Rattenfallen
Vergnügungsparks und Freizeitparks => Vergnügungs- und Freizeitparks
weder einladen noch ausladen => weder ein- noch ausladen

Mehr zum Ergänzungsstrich finden Sie hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Dialekt und Grammatik

Frage

Wir haben derzeit angeregte Diskussionen zum Thema deutsche Grammatik und Dialekte – daher die folgenden Fragen:

Gelten Grammatikfehler im Hochdeutschen, z.B. wegen+Dativ statt wegen+Genitiv, auch als Grammatikfehler im Dialekt, z.B. im Schwäbischen? Oder gelten Dialekte sozusagen als „eigene“ Sprachen und sind dort solche Dinge dann möglicherweise richtig?

Wie steht es also mit dem schwäbischen Konstrukt die, wo oder kleiner wie? Ist und bleibt es falsch oder ist es im Dialekt richtig?

Und eine letzte Frage: unterscheiden sich die einzelnen deutschen Dialekte eigentlich bezüglich der Menge oder des Ausmaßes der Abweichungen zur deutschen Grammatik (z.B. Schwäbisch verglichen mit Sächsisch)?

Antwort

Sehr geehrte Frau D.,

da ich kein Dialektologe bin und der Platz hier beschränkt ist, kann ich leider nur ein paar allgemeine Angaben machen:

Was in der Standardsprache als Fehler gilt, kann im Dialekt richtig sein. Vieles, was im Standarddeutschen als Grammatikfehler angemerkt wird, findet seinen Ursprung in den Dialekten. Ein Dialekt ist aber keine mehr oder weniger unorganisierte, mit „amüsanten“ Ausdrücken garnierte Ansammlung von Grammatik- und Aussprachefehlern, sondern ein eigenes Sprachsystem mit eigenen Regeln.

Jeder Dialekt hat seine eigene Grammatik. So ist es zum Beispiel in den schwäbischen Dialekten eigentlich falsch, wegen des schönen Wetters zu sagen. Im Schwäbischen (und vielen anderen südlichen Dialekten) steht wegen mit dem Dativ. Ein anderes Beispiel: In den Deutschschweizer Dialekten ist es nicht nur falsch, sondern unmöglich das Haus meines Onkels zu sagen. Dort ist nur (in Übersetzung) das Haus von meinem Onkel oder meinem Onkel sein Haus richtig. Auch in anderen Dialekten ist ein solcher Genitiv im Prinzip falsch und führt in einem Gespräch zwischen Dialektsprechenden zu gehobenen Augenbrauen und unterdrücktem „Wie redet den der/die?“

Ob die Formulierungen die, wo im Schwäbischen korrekt ist, weiß ich leider nicht. Es könnte aber gut sein, dass die Grammatik der schwäbischen Dialekte eine solche Formulierung zulässt oder sogar verlangt.

Was in der deutschen Standardsprache als richtig und falsch gilt, entscheidet nicht eine einzelne Instanz, auch nicht der Duden. Entscheidend sind der allgemeine Gebrauch, eine Übereinstimmung der Sprachbenutzer und die als Standardwerke akzeptierten Beschreibungen verschiedener Spezialisten. Diese Regeln sind aber nicht immer unumstritten! Dass die, wo im Standarddeutschen als falsch gilt, liegt daran, dass Grammatiken, Schulbücher, „gelehrte Häupter“ und tonangebende Schriftsteller sich an diese Regel halten und dass die meisten Leute diese Formulierung aus diesem Grund nicht verwenden, wenn sie Hochdeutsch sprechen und schreiben.

Man sollte also eigentlich nicht von richtig und falsch, sondern von üblich und unüblich oder gebräuchlich und nicht gebräuchlich sprechen. Und somit sind wir wieder zurück bei den Dialekten: Jeder Dialekt hat, wie bereits gesagt, seine eigenen Grammatik. Diese Grammatik muss nicht durch einen Duden und Schulbücher festgelegt sein. Ob etwas „richtig“ oder „falsch“ ist, sieht man daran, ob es in einem Dialekt üblich oder unüblich ist, ob die Dialektsprechenden es als Dialekt erfahren oder nicht.

Der Unterschied zwischen Standardsprache und Dialekt ist nicht bei allen Dialekten gleich groß. Die wenigsten Abweichungen vom Standarddeutschen sollen in den Thüringisch-Obersächsischen Dialekten, der Anhaltischen Mundart und den Ostfränkischen Dialekten zu finden sein. Dagegen unterscheiden sich zum Beispiel die alemannischen und bayrischen Dialekte stärker vom Standarddeutschen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Mehr Informationen zu den deutschen Dialekten und weiterführende Links finden Sie hier.

Der Megastar und der Moonwalk

Wissen Sie, wann einen das Gefühl des Älterwerdens beschleicht? – Wenn man feststellt, dass die meisten Arbeitskollegen jünger sind, wenn die Lesebrille sich ankündigt und dann, wenn wie heute eine Ikone aus der Jugendzeit gestorben ist. Man kann von seiner Musik und seinem Lebensstil (oder was man darüber zu wissen glaubt) halten, was man will, über eines sind sich wohl die meisten einig: Michael Jackson war eine Popikone. Er hat, wie man heute überall hört und liest, Musikgeschichte geschrieben. Dieses Kapitel der Popgeschichte, das ich, obwohl ich nicht zu seinen größten Fans zähle, über die Jahre hinweg mitverfolgen konnte, ist nun abgeschlossen.

Michael Jackson hat keinen großen Einfluss auf unsere Sprache gehabt. Mir kommen dennoch spontan zwei Wörter in den Sinn: Megastar und Moonwalk. Wenn es das erste Wort nicht gegeben hätte, hätte man es für ihn erfinden müssen. Er war der Megastar schlechthin. So steht sein Name wohl ganz zu Recht in Dudens „Großem Wörterbuch der deutschen Sprache“ bei den Beispielen zum Stichwort Megastar. Auch bei Angaben zu den Kookkurenzen dieses Wortes, das heißt zu den Wörtern, die zusammen mit Megastar in Texten erscheinen, sind  Michael und Jackson prominent vertreten (siehe Wortschatzlexikon). Der Moonwalk ist offenbar ebenfalls keine Erfindung Michael Jacksons, aber er hat diesen Tanzschritt weltberühmt gemacht (siehe zum Beispiel YouTube).

Dies ist übrigens eine Situation, in der Anglizismen angebracht sind: Man könnte zwar sagen, dass der Mondgang durch die Megaberühmtheit und den König der populären Musik bekannt geworden ist, aber nur Moonwalk, Megastar und King of Pop sind zu Michael Jackson passende Begriffe. Ich werde mir heute wieder einmal „Billie Jean“ anhören.

Der Sack als Mengenangabe

Frage

Wann verwendet man die Mehrzahl Sack, wann Säcke? Ich kaufe 2 Sack oder 2 Säcke Mehl?

Antwort

Sehr geehrte Frau L.,

wenn eine Mengenbezeichnung ein „gewöhnliches“ männliches oder sächliches Wort wie Sack ist, kann oft sowohl die Einzahl also auch die Mehrzahl verwendet werden. Wenn die reine Mengenangabe gemeint ist, kann die Einzahl stehen:

Ich habe zwei Sack Kaninchenfutter bestellt.

Wenn der volle Begriff gemeint ist, das heißt, wenn mehrere einzelne Einheiten bezeichnet werden sollen, wird der Plural verwendet:

Ich habe im Stall soeben noch zwei Säcke Kaninchenfutter gesehen.

Da der Übergang fließend ist, kann bei Mengenangaben dieser Art meist sowohl die Einzahl als auch die Mehrzahl stehen:

Er hat drei Glas Wein getrunken.
Er hat drei Gläser Wein getrunken.

zwanzig Kasten Bier bestellen
zwanzig Kästen Bier bestellen

Sie hat drei Sack Mehl gekauft.
Sie hat drei Säcke Mehl gekauft.

Bei weiblichen Mengenbezeichnungen verwendet man bei mehr als einer Einheit immer den Plural:

acht Tonnen Weizen
sieben Kisten Sekt
zwei Prisen Salz

Mehr dazu finden Sie auf dieser Seite in Canoonet, insbesondere hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp