gefolgt von

Frage

Meine Deutschlehrerin erklärte 1975, dass die Formulierung gefolgt von nicht korrekt sei. Mir leuchtete das ein und tut es nach wie vor. Heute wird diese Form jedoch immer häufiger gebraucht – und das nicht nur von Sportreportern, sondern auch z.B. im Feuilleton der NZZ oder in inhaltlich hochstehenden Referaten etc.

Die Violinistin aus QR gewann den ersten Preis gefolgt von ihrer Kollegin aus XY.
Die Feinstaubkonzentration in Neudorf ist sehr hoch, gefolgt von der in Altdorf.

Falls das korrekt wäre, müsste doch auch gelten: Ich werde von meinem Kind gefolgt. Oder nicht? Was meinen Sie dazu?

Antwort

Sehr geehrte Frau F.,

Sie stellen eine Frage, die mir einiges Kopfzerbrechen bereitet hat. Damit Sie dies nicht als Vorwurf auffassen, sei Folgendes gleich hinzugefügt: Solche Fragen habe ich eigentlich am liebsten.

gefolgt von

Den Ausdruck gefolgt von finde ich korrekt. Er steht zum Beispiel auch in den Beispielsätzen zum Verb folgen in Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache:

Gefolgt von verschiedenen Würdenträgern, betrat er den Saal.

Er hat vor allem die Bedeutung im Gefolge begleitet von. Im modernen Sprachgebrauch wird gefolgt von immer mehr auch in einem weiteren Sinne verwendet. So zum Beispiel auch in Ihren Beispielsätzen. Ich bin geneigt, diese Verwendung auch als korrekt anzuschauen (ich bin eben nicht so ein strenger Grammatiker). Der Ausdruck gefolgt von hat sich gewissermaßen vom Verb folgen gelöst und die Funktion einer eigenständigen Präposition erhalten.

gefolgt werden von

Erstaunlicher fand ich, dass auch immer mehr die Wendung gefolgt werden von verwendet wird. Zum Beispiel:

Jeder Zahlenwert wird gefolgt von einer Erläuterung.
Die Wiederbelebung der Wirtschaft wurde gefolgt von einer politischen Wiederbelebung.

Diese Formen erachte ich als falsch, auch wenn sie relativ häufig vorzukommen scheinen. Es handelt sich um eine Passivkonstruktion, die ein Verb jemanden folgen voraussetzt. Im Deutschen heißt es aber jemandem folgen. Die richtige Formulierung wäre also:

Jedem Zahlenwert folgt eine Erläuterung.
Der Wiederbelebung der Wirtschaft folgte eine politische Wiederbelebung.

Woher diese Form gefolgt werden von kommt, kann ich leider nicht erklären. Dafür wären genauere Untersuchungen notwendig. Es kann sein, dass sie in Analogie mit Verben wie begleiten (begleitet werden von) gebildet wird. Ebenfalls nicht unwahrscheinlich sind Einflüsse von etwas zu wörtlichen Übersetzungen aus dem Englischen, wo solche Passivsätze korrekt sind: to be followed by. Aber dies sind natürlich nur einige unfundierte „Schnellschüsse“.

Vielleicht wird auch die Passivkonstruktion gefolgt werden von einmal korrektes Deutsch sein. Vorläufig würde ich sie aber im Standarddeutschen nicht verwendet. Ich halte deshalb Ihren Beispielsatz Ich werde von meinem Kind gefolgt für falsch.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn “es” (nicht) wegfällt

Lesen Sie diesen Beitrag, wenn es Sie interessiert, mit welchen sprachlichen Hürden Deutschlernende konfrontiert werden können.

Frage

Geschäftlich müssen wir Dokumentationen schreiben. Ein Mitarbeiter ist italienischer Muttersprache. Er verwendet immer eine bestimmte Satzstellung, die falsch ist. Keiner konnte jedoch erklären welche grammatikalische Regel dies begründet.

Falsch: Weiter wird es spezifiziert, wie neue Benutzer erfasst werden.
Richtig: Es wird spezifiziert, wie neue Benutzer erfasst werden.

Antwort

Sehr geehrte Frau G.,

Sie stellen eine ziemlich knifflige Frage, denn das deutsche Wörtchen es hat es in sich. Wie Ihnen Ihr ursprünglich fremdsprachiger Mitarbeiter sicher bestätigen kann, wird es sehr häufig und für die unterschiedlichsten Zwecke verwendet, sodass es Fremdsprachige (und Grammatiker …) oft beinah zur Verzweiflung treibt. Ganz so schlimm ist es natürlich nicht. Hier der Versuch einer Antwort:

Das Pronomen es kann verschiedene Funktionen haben. Unter anderem:

Fürwort, das ein sächliches Substantiv vertritt:
das Kind – Es spielt im Garten.
das Buch – Es liegt auf dem Tisch.

Unpersönliches Subjekt bei unpersönlichen Verben:
Es regnet.
Es windet.

Platzhalter für das Subjekt in einem unpersönlichen Passivsatz:
Es wird hier viel getrunken (= Man trinkt hier viel).
Es wird kaum mehr gearbeitet (= Man arbeitet kaum mehr).

Wenn das es im Satz nicht an erster Stelle steht, verhält es sich je nach Funktion unterschiedlich:

In den ersten beiden Fällen darf es nicht wegfallen:

das Kind – Heute spielt es im Garten.
NICHT: Heute spielt im Garten.

Heute regnet es.
NICHT: Heute regnet.

Aber in einem unpersönlichen Passivsatz muss das es wegfallen:

Heute wird hier viel getrunken.
NICHT: Heute wird es hier viel getrunken.

Bei ihrem Beispielsatz handelt es sich um einen unpersönlichen Passivsatz:

Es wird spezifiziert, wie … (= Man spezifiziert, wie …)

Entsprechend muss das es wegfallen, wenn ein anderes Wort die erste Stelle im Satz einnimmt:

Weiter wird spezifiziert, wie …

Zusätzliche Informationen zum Pronomen es finden sie u. a. auf dieser Grammatikseite.

Dort sehen Sie auch, dass das Wörtchen es noch andere Funktionen erfüllt und sowohl für die armen Nicht-Muttersprachigen als auch für diejenigen, die es ihnen erklären wollen, noch einige Knacknüsse in petto hat.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

in Urlaub sein / im Urlaub sein?

Eine der klassischsten Sommerfragen zur deutschen Sprache ist die folgende Frage eines Canoonet-Nutzers:

Ich beschäftige mich mit der Frage, wie folgender Satz richtig heißt:

Da Sie sich im Urlaub befanden …
Da Sie sich in Urlaub befanden …

Oder ist beides möglich? Welche Regel gibt es hier?

Antwort

Es gibt hier keine Grammatikregel, sondern der allgemeine Gebrauch bestimmt, was richtig und akzeptiert ist. Man kann sowohl im Urlaub sein als auch in Urlaub sein sagen. Beide Varianten werden verwendet und gelten als standardsprachlich richtig.

Das hat wohl damit zu tun, dass Urlaub sowohl ohne Artikel als auch mit Artikel verwendet werden kann:

Ohne Artikel:

Urlaub haben
Urlaub nehmen
Urlaub machen
Urlaub nötig haben

Mit Artikel(wort):

den Urlaub im Ausland verbringen
der diesjährige Urlaub
unser Urlaub am Meer
die große Liebe im Urlaub kennen lernen

Ohne Artikelwort ist Urlaub im Allgemeinen abstrakter als mit Artikelwort. Dieser Unterschied ist aber bei in/im Urlaub sein kaum merkbar.

Für mich unerklärlich ist dann aber, warum das Gleiche nicht auch für Ferien gilt:

Ferien haben
Ferien nehmen
Ferien machen
Ferien nötig haben

Und trotzdem kann man nur in den Ferien sein sagen. Die Variante ohne Artikel ist nicht korrekt. Es kann nicht ausschließlich am Plural liegen, denn man kann ganz gut ohne Artikel in Nöten sein oder von Sinnen sein. Vielleicht komme ich Anfang September irgendwie auf die Lösung dieses Rätsels. Dann bin ich nämlich ein paar Tage im oder in Urlaub. Und wenn Sie die Antwort auf diese Frage kennen, lassen Sie mich bitte nicht weiter im Ungewissen.

Dr. Bopp

wegen unsportlichem Verhalten: wegen mit dem Dativ?

Frage von Herrn C. aus der Schweiz

Ich habe einen Disput mit dem Kunden. Was ist richtig:

Ein Fahrer wird wegen unsportlichen Verhaltens … oder wegen unsportlichem Verhalten …

Antwort

Sehr geehrter Herr C.,

ich hoffe, dass der Disput mit dem Kunden nicht allzu heftig war, denn ich finde beide Varianten richtig.

Im Prinzip steht wegen mit dem Genitiv. Also wegen unsportlichen Verhaltens. Aber vor allem im südlichen deutschen Sprachraum ist auch der Dativ allgemein üblich: wegen unsportlichem Verhalten.

Strengere Grammatiker sagen, dass der Dativ nur in der Umgangssprache verwendet werden kann und dass nur der Genitiv in der Standardsprache korrekt ist. Ich bin da milder und finde, dass in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz der Dativ so gebräuchlich ist, dass er zumindest dort auch in der Standardsprache verwendet werden kann, ohne dass dies ein Fehler ist. Siehe auch unsere Grammatikseite zu wegen. Wenn Sie allerdings ganz sicher sein wollen, dass wirklich niemand Sie eines Fehlers bezichtigen wird, verwenden Sie den Genitiv.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eintritt ins/im Museum

Frage

Unsere Firma hat eine Rabattkarte im Angebot. Die Besitzer dieser Karte stellen mir oft die Frage: Wo habe ich ermäßigten Eintritt?

Zwar weiß ich, dass es Eintritt ins heißen müsste, aber das Fragewort wo löst bei mir oftmals den Reflex aus, darauf mit z.B. im Museum zu antworten (im Sinne von: Wo existiert dieses Angebot?) Die grammatisch richtige Formulierung dieser Frage wäre also immer: Wohin habe ich ermäßigten Eintritt?

Antwort

Sehr geehrter Herr K.,

das Deutsche und seine Fälle, sie können einem das Leben ganz schön schwer machen – vor allem dann, wenn man (zu) lange darüber nachdenkt. In diesem Fall können Sie nämlich ganz einfach Ihrem “Reflex” folgen.

Wenn es ausschließlich um die Wortgruppe ermäßigter Eintritt ins Museum geht, ist die richtige Frage am ehesten welcher ermäßigte Eintritt? – der ermäßigte Eintritt ins Museum. In Ihrem Beispiel lautet die Frage aber: Wo habe ich ermäßigten Eintritt? Damit ist dann so etwas gemeint wie Wo gilt der ermäßigte Eintritt? oder Wo gibt es die Möglichkeit zum ermäßigten Eintritt? Die Antwort lautet dann – wie Ihr Sprachgefühl Ihnen ganz spontan eingibt – im Museum.

Je nach Formulierung der Frage und der Antwort können also sowohl ins Museum als auch im Museum richtig sein. Wenn wir den Satzbau betrachten, liegt der Unterschied darin, dass ins Museum den Satzgliedkern Eintritt erweitert (welcher ermäßigte Eintritt? der ermäßigte Eintritt wohin?), während im Museum ein eigenständiges Satzglied ist. Es ist eine Ortsbestimmung zum ganzen Satz (Wo gilt der ermäßigte Eintritt?). Den Unterschied kann man unter anderem daran sehen, dass das eigenständige Satzglied im Museum viel leichter selbstständig im Satz verschoben werden kann als die Satzgliederweiterung ins Museum, die im Prinzip immer direkt hinter freier Eintritt stehen muss:

Sie haben freien Eintritt im Museum.
Im Museum haben Sie freien Eintritt.
Sie haben im Museum freien Eintritt.

Sie haben freien Eintritt ins Museum.
Nicht: Ins Museum haben Sie freien Eintritt.
Nicht: Sie haben ins Museum freien Eintritt.

Vergleichen Sie hierzu die Grammatikseiten zu den Satzgliedern und zum Satzgliedbau.

Die Bedeutungen des Satzgliedes im Museum und der Satzgliederweiterung ins Museum sind nicht identisch, aber sie gleichen einander in diesem Kontext so sehr, dass es nicht einfach ist, die feinen Unterschiede zu entdecken. Sie sehen, dass die Erklärung recht kompliziert wird. Wen wundert es da noch, dass Deutschlernende manchmal über “unseren” Gebrauch der Fälle klagen! Wir Muttersprachigen haben hier zum Glück den großen Vorteil, dass uns unser Sprachgefühl fast immer um solche Klippen herumführt, ohne dass eine so detaillierte Satzanalyse nötig ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

jeden Freitag

Frage

Letztens bin ich über folgende Frage gestolpert:

Warum heißt es : “jeden Freitag gehe ich …”? Warum wird das Pronomen im Akkusativ benutzt? Gibt es dazu eine Regel oder Gesetzmäßigkeit?

Antwort

Sehr geehrte Frau J.,

die Wortgruppe jeden Freitag in Ihrem Beispiel steht tatsächlich im Akkusativ. Das kommt im Deutschen häufiger vor und heißt dann ein Adverbialakkusativ oder adverbialer Akkusativ.

Dieser Akkusativ wird u.a. bei Zeitangaben verwendet, nach denen mit wann oder wie lange gefragt werden kann und die nicht von einer Präposition (z.B. an, in) eingeleitet werden. Beispiele:

Ich fahre jeden Morgen/Tag/Freitag/Sommer in die Stadt.
Ich habe den ganzen Abend/Tag/Sommer gearbeitet.
Wir haben einen Tag/Monat warten müssen.

Andere Adverbialakkusative finden Sie bei Angaben wie den folgenden:

Er hat den Rucksack den ganzen Weg getragen.
Wir sind einen Kilometer gegangen.
Die Temperatur ist zehn Grad höher als gestern.

Siehe hierzu auch die Seiten Adverbialbestimmung und Akkusativ in der Canoonet-Grammatik.

Etwas Vergleichbares ist der adverbiale Genitiv bei unbestimmten Zeitangaben:

Du wirst es eines Tages verstehen.
Eines schönen Morgens wachte ich auf und …

Andere Beispiele für den Adverbialgenitiv:

Wir waren bester Stimmung.
Sie kam gemessenen Schrittes auf uns zu.
Unseres Erachtens muss das Haus abgebrochen werden.

Zur Unterscheidung zwischen diesen Adverbialbestimmungen und dem Akkusativobjekt resp. Genitivobjekt siehe diese Grammatikseite.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Trennbare Verben

Eine Frage, die immer wieder einmal auftaucht und deren Beantwortung den meisten Muttersprachigen einiges Kopfzerbrechen bereiten kann:

Frage

In Singapur hatte ich eine interessante Diskussion mit einer Deutschstudentin. Ich konnte ihr leider nicht erklären, warum Verben teilweise im Satzbau getrennt werden (als Native-Speaker man macht es ja intuitiv richtig). Z.B. abfahren: Heute fährt Sven um 15 Uhr ab. Oder einkehren: Ich kehrte abends in eine Gastwirtschaft ein. Wie läßt sich dies grammatikalisch genau erklären und wie ist hier die Regel? Vielen Dank! G.

Antwort

Sehr geehrter Herr G.,

nicht nur in Singapur, sondern auch an anderen Orten wundern sich Anderssprachige über gewisse deutsche Verben. Es geht hier nämlich um die sogenannten trennbaren Verben. Wenn sie in einem Hauptsatz stehen, wird der erste Teil abgetrennt und ganz an den Schluss des Satzes gestellt:

abfahren: Heute fährt Sven um 15 Uhr ab.
einkehren: Ich kehrte abends in eine Gastwirtschaft ein.
herumtreiben: Er treibt sich wieder irgendwo herum.

Man erkennt die trennbaren Verben im Allgemeinen daran, dass sie auf dem ersten Teil betont sind:

abfahren
einkehren
herumtreiben

Untrennbare Verben werden auf dem Verbstamm betont:

verfahren: Heute verfährt Sven sich sicher wieder.
betreiben: Sie betreibt eine Gastwirtschaft.

Diese Unterscheidung kann ziemlich wichtig sein. Ein bekanntes Beispiel ist das folgende:

umfahren: Er umfährt den Polizisten.
umfahren: Er fährt den Polizisten um.

Damit ist aber noch nicht alles gesagt, denn die Trennung gilt nur in Hauptsätzen. In Nebensätzen bleiben auch die trennbaren Verben ungetrennt:

…, dass Sven heute um 15 Uhr abfährt.
…, als ich abends in eine Gastwirtschaft einkehrte.
…, wenn er sich wieder irgendwo herumtreibt.

…, obwohl Sven sich sicher wieder verfährt.
…, weil sie eine Gastwirtschaft betreibt.

Das zwingt uns manchmal (aber wirklich nur ganz selten), einen Satz in der geschriebenen Form umzuformulieren, da es sonst zu ziemlich ernsten Missverständnissen kommen kann:

Es ist besser, wenn du den Polizisten umfährst.

Sie finden diese Informationen auch in unserer Grammatik: Trennbare Verben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Canoonet-Grammatik

Es soll ja tatsächlich noch Leute geben, die die Deutschgrammatik von Canoonet nicht kennen! Auch diesen Menschen wollen wir unser Werk nicht weiter vorenthalten:

Frage:

Ist Canoonet eine allgemeine Grammatik oder nur ein Demo?

Antwort:

Die Grammatik von Canoonet ist eine umfassende Beschreibung der deutschen Sprache, die auf insgesamt über 2500 Seiten die meisten Aspekte der deutschen Grammatik umfasst. Sie ist in zwei Bereiche eingeteilt: die Wortgrammatik (mit separater Beschreibung der Wortbildung) und die Satzgrammatik.

Wortgrammatik
Wortbildung
Satzgrammatik

Hinweise zur Benutzung der Grammatik sind hier zu finden:

Wie benutzen Sie die Wortgrammatik
Wie benutzen Sie die Satzgrammatik

Und um es auch anderssprachigen am Deutschen Interessierten etwas einfacher zu machen: Es gibt unsere Deutschgrammatik auch in englischer Übersetzung:

Word Grammar
Word Formation
Sentence Grammar

How to use the Word Grammar
How to use the Sentence Grammar

Für weitere Fragen stehe ich natürlich wie immer gerne zur Verfügung.

Dr. Bopp

Nur nichts anmerken lassen!

Frage:

Ist folgende Formulierung korrekt:

Nur nichts anmerken lassen

oder brauchts das mir?

Mir nur nichts anmerken lassen

oder gar

Sich nur nichts anmerken lassen

Antwort:

Sehr geehrter Herr G.,

die Redewendung lautet sich etwas/nichts anmerken lassen. Standardsprachlich muss das Reflexivpronomen sich also genannt werden. Zum Beispiel:

Man darf sich nur nichts anmerken lassen.
Lass dir nur nicht anmerken!
Ich darf mir nichts anmerken lassen.
“Sich nur nichts anmerken lassen” lautet die Devise der Powerfrauen.

Umgangssprachlich wird aber auch die Wendung Nur nichts anmerken lassen! ohne Reflexivpronomen verwendet. Zum Beispiel:

Aber jetzt hieß es: Nur nichts anmerken lassen und locker bleiben!
Nur nichts anmerken lassen! Sie könnten alles in den falschen Hals kriegen.

In diesem Sinne ist Ihr Beispielsatz also richtig formuliert. Er gehört aber zur gesprochenen Umgangssprache und sollte deshalb in der formelleren Standardsprache nicht verwendet werden. Es empfiehlt sich dann, stattdessen eine der obenstehenden standardsprachlichen Formulierungen zu verwenden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

gefolgt von

Frage:

Meine Deutschlehrerin erklärte 1975, dass die Formulierung “gefolgt von” nicht korrekt sei. Heute wird diese Form jedoch immer häufiger gebraucht – und das nicht nur von Sportreportern, sondern auch z.B. im Feuilleton der NZZ oder in inhaltlich hochstehenden Referaten etc.

Die Violinistin aus A gewann den ersten Preis gefolgt von ihrer Kollegin aus B.
Die Feinstaubkonzentration in Neudorf ist sehr hoch, gefolgt von der in Altdorf.

Falls das korrekt wäre, müsste doch auch gelten: Ich werde von meinem Kind gefolgt. Oder nicht? Was meinen Sie dazu?

Antwort:

Sehr geehrte Frau F.,

Sie stellen eine Frage, die mir einiges Kopfzerbrechen bereitet hat. Damit Sie dies nicht als Vorwurf auffassen, sei Folgendes gleich hinzugefügt: Solche Fragen habe ich eigentlich am liebsten.

GEFOLGT VON

Den Ausdruck gefolgt von finde ich korrekt. Er steht zum Beispiel auch in den Beispielsätzen in Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache:

Gefolgt von verschiedenen Würdenträgern, betrat er den Saal

Er hat vor allem die Bedeutung begleitet von. Im modernen Sprachgebrauch wird gefolgt von immer mehr auch in einem weiteren Sinne gebraucht; so zum Beispiel auch in Ihren Beispielsätzen. Ich bin geneigt, diese Verwendung auch als korrekt anzuschauen (ich bin eben nicht so ein strenger Grammatiker). Der Ausdruck gefolgt von hat sich gewissermaßen vom Verb folgen gelöst und die die Funktion einer eigenständigen Präposition erhalten.

GEFOLGT WERDEN VON

Erstaunlicher fand ich, dass auch immer mehr die Wendung gefolgt werden von verwendet wird. Zum Beispiel:

Jeder Zahlenwert wird gefolgt von einer Erläuterung.
Die Wiederbelebung der Wirtschaft wurde gefolgt von einer politischen Wiederbelebung.

Diese Formen erachte ich als falsch, auch wenn sie relativ häufig vorzukommen scheinen. Es handelt sich um eine Passivkonstruktion, die ein Verb jemanden folgen voraussetzt. Im Deutschen heißt es aber jemandem folgen. Die richtige Formulierung wäre also:

Jedem Zahlenwert folgt eine Erläuterung.
Der Wiederbelebung der Wirtschaft folgte eine politische Wiederbelebung.

Woher diese Form gefolgt werden von kommt, kann ich leider nicht erklären. Dafür wären genauere Untersuchungen notwendig. Vielleicht wird sie in Analogie mit Verben wie begleiten (begleitet werden von) gebildet. Ebenfalls möglich sind Einflüsse von etwas zu wörtlichen Übersetzungen aus dem Englischen oder Französischen, wo solche Passivsätze korrekt sind: to be followed by resp. être suivi par. Aber dies sind natürlich nur einige unfundierte “Schnellschüsse”.

Es kann sein, dass auch die Passivkonstruktion gefolgt werden von einmal korrektes Deutsch sein wird. Vorläufig würde ich Sie aber im Standarddeutschen nicht verwenden. Ich halte deshalb Ihren Beispielsatz Ich werde von meinem Kind gefolgt für nicht korrekt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp