Nicht und der Bindestrich

Letzte Woche ging es um den Bindestrich bei Präfigierungen mit anti-. Heute geht es gleich weiter mit dem Bindestrich bei Zusammensetzungen mit nicht. Wegen der vielen Beispiele sieht der Artikel nach mehr Leseaufwand aus, als er erfordert.

Frage

Soweit ich weiß, wird gemäß der deutschen Rechtschreibregeln bei Adjektiven bzw. adjektivisch gebrauchten Partizipien mit vorangestelltem „nicht“ entweder getrennt oder zusammengeschrieben. Die Schreibung mit Bindestrich trifft man zwar tagtäglich an, sie gilt aber meines Wissens als nicht regelkonform, also zum Beispiel:

nicht standardisiert/nichtstandardisiert (*nicht-standardisiert)
nicht infektiös/nichtinfektiös (*nicht-infektiös)
nicht immunisiert/nichtimmunisiert (*nicht-immunisiert)
usw.

Was ist im Falle von Substantivierungen zulässig oder zu empfehlen (Getrenntschreibung, Zusammenschreibung, Bindestrichschreibung)? Zum  Beispiel:

die Nichtimmunisierten/nicht Immunisierten/Nicht-Immunisierten
das Nichtnormierte/nicht Normierte/Nicht-Normierte
das Nichtoffensichtliche/nicht Offensichtliche/Nicht-Offensichtliche
das Nichtthematisierte/nicht Thematisierte/Nicht-Thematisierte

Antwort

Guten Tag Herr K.,

Sie haben recht: Verbindungen von nicht mit einem Adjektiv bzw. adjektivischen Partizip kann man zusammen- oder getrennt schreiben. Die Schreibung mit Bindestrich ist gemäß der Rechtschreibregelung nicht vorgesehen. Das gilt auch dann, wenn solche Verbindungen substantiviert werden. Die folgenden Schreibweisen sind regelkonform:

nicht standardisiert / das nicht Standardisierte
nichtstandardisiert / das Nichtstandardisierte

nicht infektiös / etwas nicht Infektiöses
nichtinfektiös / etwas Nichtinfektiöses

nicht immunisiert / die nicht Immunisierten
nichtimmunisiert / die Nichtimmunisierten

nicht nominiert / das nicht Normierte
nichtnominiert / das Nichtnormierte

nicht offensichtlich / das nicht Offensichtliche
nichtoffensichtlich / das Nichtoffensichtliche

nicht gewünscht / das nicht Gewünschte
nichtgewünscht / das Nichtgewünschte

Vgl.

allein erziehend / die allein Erziehenden
alleinerziehend / die Alleinerziehenden

klein gedruckt / das klein Gedruckte
kleingedruckt / das Kleingedruckte

Substantivierungen dieser Art werden in der Rechtschreibung anders behandelt als Verbindungen von nicht mit einem „normalen“ Substantiv. Zusammensetzungen von nicht mit einem Substantiv werden im Prinzip zusammengeschrieben:

die Nichtbeachtung
ein Nichtmetall
alle Nichtmütter
ein Nichteuropäer / eine Nichteuropäerin
die Nichtfachleute
der Nichttänzer / die Nichttänzerin
der Nichtmuttersprachler / die Nichtmuttersprachlerin

Anders als die substantivierten Adjektiv- und Partizipverbindungen oben können diese Substantivzusammensetzungen nicht getrennt geschrieben werden (nicht *die nicht Beachtung, nicht *die nicht Fachleute). Dafür ist hier die Schreibung mit „verdeutlichendem“ Bindestrich möglich. Sie kommt auch relativ häufig vor:

die Nicht-Beachtung
ein Nicht-Metall
alle Nicht-Mütter
ein Nicht-Europäer / eine Nicht-Europäerin
die Nicht-Fachleute
der Nicht-Tänzer / die Nicht-Tänzerin
der Nicht-Muttersprachler / die Nicht-Muttersprachlerin

Bei nicht und dem Bindestrich muss also zwischen (substantivierten) Adjektiv- und Partizipverbindungen mit nicht und Zusammensetzungen von nicht mit einem Substantiv unterschieden werden. So viel zur Setzung und Nichtsetzung / Nicht‑Setzung des Bindestrichs. Ich hoffe, dass hier nicht zu viel nicht Nachvollziehbares / Nichtnachvollziehbares steht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Anti- und der Bindestrich

Frage

Wie verhält es sich, wenn vor ein Adjektiv das Präfix „anti“ gesetzt wird? Die Getrenntschreibung ist vermutlich nicht zulässig (*anti propagandistisch). Muss aber immer in einem Wort zusammengeschrieben werden oder darf auch die Bindestrichvariante verwendet werden, zum Beispiel im Falle des Aufeinandertreffens zweier „i“ wie etwa in den Begriffen „anti-ideologisch“ oder „anti-iranisch“? […] Und trifft dies auch auf Substantive zu (z.B. „das Anti-Iranische/Antiiranische“, „das Anti-Ideologische/Antiideologische“, „das Anti-Demokratische/Antidemokratische“)?

Antwort

Guten Tag Herr K.,

das Präfix anti- wird im Prinzip wie alle Präfixe mit dem Wort zusammengeschrieben, vor dem es steht. Die Bindestrichschreibung ist eigentlich nicht vorgesehen:

antiamerikanisch
antiautoritär
antidemokratisch
antieuropäisch
antikapitalistisch

Antifaltencreme
Antiheldin
Antimaterie
Antiklopfmittel
Antiutopie

Auch beim Zusammentreffen zweier Vokale steht im Prinzip kein Bindestrich. Nach der Rechtschreibregelung (§45.4) kann der Bindestrich beim Zusammentreffen von drei gleichen Buchstaben gesetzt werden (Kaffee-Ernte o. Kaffeeernte; Schiff-Fahrt o. Schifffahrt). Streng nach der Regel schreibt man also:

antiideologisch / das Antiideologische
antiintellektuell / das Antiintellektuelle
antiiranisch / etwas Antiiranisches

Dennoch finden sich – auch in Wörterbüchern – häufig Schreibungen mit Bindestrich. Es geht dann um den verdeutlichenden Bindestrich, der manchmal zurecht und manchmel eher überflüssig gesetzt wird. Hier folgen einige Beispiele, bei denen auch ich – ein überzeugter Bindestrichskeptiker – den verdeutlichenden Bindestrich für gut vertretbar halte:

Anti-Utopie / Antiutopie
anti-intellektuell / antiintellektuell
etwas Anti-Iranisches / Antiiranisches

Anti-Ameisen-Pulver / Antiameisenpulver (nicht: *Anti-Ameisenpulver)
Anti-Läuse-Mittel / Antiläusemittel (nicht: *Anti-Läusemittel)
Anti-Atomkraft-Bewegung / Antiatomkraftbewegung

Eine genaue Grenze, wann genau der Bindestrich zu empfehlen ist, lässt sich nicht bestimmen, aber man kann den durchschnittlichen Lesenden meist längere und komplexerer Wörter „zumuten“, als manchmal angenommen wird.

Dann noch zwei kurze Präzisierungen:

Nur mit Bindestrich wird geschrieben, wenn eine Abkürzung beteiligt ist:

Anti-AKW-Bewegung
Anti-HIV-Medikamente

Und nie, aber auch wirklich nie wird im Deutschen anti vom Wort, zu dem es gehört, getrennt geschrieben:

nicht: *anti propagandistisch
nicht: *anti demokratisch
nicht:*Anti Ameisen Pulver
nicht: *Anti-Läuse Mittel

Man sollte also bei anti- den Bindestrich nur mit Maßen verwenden. Schreibungen wie antiamerikanisch und Antiklopfmittel sind auch ohne Bindestrich gut lesbar. Doch bevor man mir eine Antibindestrichhaltung vorwirft, sei gesagt, dass auch ich Anti-Bindestrich-Haltung besser lesbar finde.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

O Gott und igitt

Frage

Ich möchte in einem humoristischen Text jemanden mehrfach „igitt“ und „oh, Gott“ sagen lassen, also zum Beispiel „igittigittigitt“. Wie müsste ich es bei wiederholtem „oh, Gott“ korrekt schreiben?

Antwort

Guten Tag M.,

bei igitt, igittigitt und igittigittigitt haben Sie bereits die richtige Lösung gefunden. Den zweiten Ausruf kann man in unterschiedlicher Weise schreiben. Wenn man sich an Gott wendet, schreibt man:

oh, Gott

Das ist auch die Schreibweise, wenn es sich weniger religiös um einen Ausruf des Erschreckens, des Erstaunens o. Ä. handelt, beide Teile betont werden und dazwischen eine Pause zu hören ist:

oh, Gott!

Üblicherweise wird dieser Ausruf aber ohne Pause und mit der Hauptbetonung auf dem zweiten Wort gesprochen. Dann kann ohne Komma und auch ohne h geschrieben werden. In Verbindung mit einem anderen Wort schreibt man die Interjektion o üblicherweise ohne h (o ja, o nein, o weh):

o Gott!

Wenn Sie nun o Gott! wiedergeben wollen, das in einem Atemzug wiederholt wird, können Sie dies am besten zusammenschreiben (siehe zum Beispiel hier):

ogottogott!
ogottogottogott!

Dieses ogottogott sieht sehr ähnlich aus wie igittigitt. Haben die beiden etwas miteinander zu tun? – Die einen (z. B. Duden) sagen, igitt und igittigitt sei wahrscheinlich eine verhüllende Abwandlung von o Gott und ogottogott (in Anlehnung an das 2. Gebot „Du sollst den Namen Gottes nicht eitel nennen“). Andere (z. B. Pfeifer im DWDS) meinen, dies sei zu weit hergeholt. Das breite i in Verbindung mit dem scharfen tt stelle ein Symbol des Ekels dar.

Man sieht hier gut, dass bei Angaben zur Wortherkunft lange nicht immer alle derselben Meinung sind. Ich tendiere hier dazu, der zweiten Interpretation zu folgen, denn o Gott und igitt haben weder die gleiche Bedeutung noch werden sie in gleichen Situationen verwendet. Es ist nicht zu erwarten, dass man einen verhüllenden Ausdruck igitt verwendet, wo man gar nicht o Gott sagen würde. Vielleich hat es etwas von beidem.

Wie auch immer: Sie können die Person in Ihrem Text an den passenden Stellen igittigitt und ogottogott sagen lassen und es so schreiben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Beim Lesen- und Schreibenlernen

Frage

„Viel Spaß und Geduld beim Rechnen, Lesen und Schreiben Lernen“

Je länger ich mir den Satz anschaue, desto verwirrter bin ich. Es geht um das „beim Rechnen, lesen, schreiben Lernen.“ Das „beim“ bezieht sich doch auf das Lernen, daher wird es in dem Fall doch großgeschrieben. Beim Rest bin ich mir nicht ganz sicher.

Antwort

Guten Tag Frau K.,

das „beim“ bezieht sich nicht nur auf Lesen, sondern auf alle folgenden Infinitive. Es wird nur nicht jedesmal wiederholt:

Viel Spaß und Geduld beim Rechnen, Lesen und Schreibenlernen
= Viel Spaß und Geduld beim Rechnen, beim Lesen und beim Schreibenlernen.

Gemeint ist wahrscheinlich aber das Folgende:

Viel Spaß und Geduld beim Rechnen-, Lesen- und Schreibenlernen
= Viel, Spaß und Geduld beim Rechnenlernen, beim Lesenlernen und beim Schreibenlernen.

Substantivierte erweiterte Infinitive werden zusammengeschrieben, wenn sie aus zwei Teilen bestehen (zum Beispiel: das Autoputzen, gemeinsames Kaffeetrinken, beim Zusammenwohnen). Das gilt auch dann, wenn eine Wortgruppe mit zwei Infinitiven substantiviert wird:

einkaufen gehen → das Einkaufengehen
arbeiten müssen → das traditionelle Arbeitenmüssen
schreiben lernen → beim Schreibenlernen

Das erklärt, warum in beiden Fällen oben Schreibenlernen zusammengeschrieben wird:

beim Schreibenlernen

Bei Zusammenziehungen der folgende Art muss für den wegfallenden Wortteil ein Ergänzungsstrich geschrieben werden:

das Zugfahren und das Busfahren → das Zug- und Busfahren
beim Lesenlernen und beim Schreibenlernen → beim Lesen- und Schreibenlernen

Das erklärt, warum bei der zweiten (und wahrscheinlicheren) Bedeutung Ergänzungsstriche verwendet werden müssen:

beim Rechnen-, Lesen- und Schreibenlernen

Hier müssen also gleichzeitig zwei Regeln beachtet werden, die im Zusammenhang mit Infinitiven zu (auf den ersten Blick) ungewöhnlichen Schreibungen führen. Kein Wunder, dass Sie unsicher geworden sind und dass solche Wendungen häufig nicht ganz korrekt geschrieben werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Die Schreibweise beim Schreiben lernen ist auch möglich, sie hat aber eine andere Bedeutung: während des Schreibens lernen.

beim Schreibenlernen = während man schreiben lernt
beim Schreiben lernen = lernen, während man schreibt

Davon und da … von

Frage

Darf man „davon“ einfach trennen? Ist „Da habe ich schon von gehört“ auch richtig oder stimmt nur „Davon habe ich schon gehört“?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

in der Standardsprache werden daran darauf, daraus, dabei, dadurch, dafür, dagegen, dahinter, darin/darein, damit, danach, daneben, darüber, darum, darunter, davon, davor, dazu, dazwischen nicht getrennt. Als richtig gilt im Standarddeutschen nur:

Davon habe ich schon gehört.
Dafür haben sie viel Geld bezahlt.
Ich habe nichts damit zu tun.
Sie wollten nichts dagegen unternehmen.

Er konnte sich nicht daran gewöhnen.
Ich habe schon viel darüber gelesen.
Sie hat schwer darunter gelitten.
Wie kommst du denn darauf?

Die getrennten Formen kommen – je nach Region mehr oder weniger häufig – in der Umgangssprache vor. Sie gelten standardsprachlich als nicht korrekt:

Da habe ich schon von gehört.
Da haben sie viel Geld für bezahlt.
Ich habe da nichts mit zu tun.
Sie wollten da nichts gegen unternehmen

Bei den Formen mit eingeschobenem r (daran, darauf usw.) steht anstelle der einfachen Präposition die entsprechende Form mit dr-:

Er konnte sich da nicht dran gewöhnen.
Ich habe da schon viel drüber gelesen.
Sie hat da schwer drunter gelitten.
Wie kommst du denn da drauf?

Auch mit Verdoppelung des da:

Da habe ich schon davon gehört.
Da haben sie viel Geld dafür bezahlt.
Ich habe da nichts damit zu tun.
Sie wollten da nichts dagegen unternehmen.
Er konnte sich da nicht daran gewöhnen
usw.

Siehe auch die entsprechenden Angaben auf dieser Seite in der LEO-Grammatik.

Die getrennten Formen gelten, wie bereits gesagt, in der deutschen Standardsprache als zu vermeiden oder als nicht richtig. Die einen verstehen vielleicht kaum, was an den getrennten Formen falsch sein soll, während sie anderen wahrscheinlich ein Gräuel sind. Die Ablehnung der getrennten Formen hat nichts mit sprachinterner Logik zu tun. Es ist ein stilistischer Entscheid. Das sieht man gut, wenn man kurz über die Sprachgrenze schaut: Im Niederländischen, einer Sprache die eng mit der unseren verwandt ist, gibt es (fast) dieselben Adverbien. Sie werden sehr häufig getrennt verwendet, und zwar auch in der Standardsprache:

Daarvan weet ik niets / Daar weet ik niets van.
(Davon weiß ich nichts / Da weiß ich nichts von.)

Da man den Niederländischsprechenden kaum kollektiv sprachliche Inkompetenz vorwerfen kann, muss man davon ausgehen, dass die getrennten Formen kein Ding der Unmöglichkeit sind. Im Deutschen sollten die getrennten Formen „trotzdem“ nur in der Umgangssprache verwendet werden. Grundsätzlich unmöglich sind sie nicht, aber ihr Ansehen ist bei uns (vorläufig noch?) schlecht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warum „demzufolge“, aber nicht „derzufolge“?

Frage

Wenn ich das Wort derzufolge/der zufolge google, finde ich keine oder unterschiedliche Antworten zur Zusammen- oder Getrenntschreibung.

Antwort

Guten Tag Frau M.,

die zusammengeschriebene Form demzufolge findet man in allen Wörterbüchern. Warum steht aber in keinem von ihnen die weibliche Form derzufolge? Eine erste, vorerst vielleicht eher rätselhafte Antwort könnte sein: Nach der Rechtschreibregelung gibt es die männliche Form demzufolge auch nicht.

Zusammen schreibt man nur das Adverb (Konjunktionaladverb) demzufolge, das die Bedeutung folglich, demnach, deshalb hat:

Wir betreuen eine namhafte Kundschaft und haben demzufolge aussagekräftige Referenzen vorzuweisen.

Diese Gebühren sind nicht einklagbar. Demzufolge müssen sie nicht bezahlt werden.

Dieses demzufolge ist (oder war ursprünglich) eine Verbindung mit dem unpersönlichen sächlichen dem, die zu einem Adverb geworden ist (dem Gesagten zufolge, dieser Sache zufolge).

Getrennt schreibt man den Relativanschluss mit zufolge, und zwar nach männlichen und sächlichen Bezugswörtern (Bedeutung: gemäß dem):

der Vertrag, dem zufolge Klagen keine aufschiebende Wirkung haben

Es wird ein Gesetz eingeführt, dem zufolge jeder Bürger und jede Bürgerin verpflichtet ist …

Die weibliche Form kann nur als solcher Relativanschluss verwendet werden (Bedeutung: gemäß der). Man schreibt sie entsprechend immer getrennt:

die Einigung, der zufolge Klagen keine aufschiebende Wirkung haben

Es wird eine Bestimmung eingeführt, der zufolge jeder Bürger und jede Bürgerin verpflichtet ist …

Das erklärt, warum man derzufolge nicht in den Wörterbüchern findet. Richtig geschrieben ist nur der zufolge. Dass in „freier Sprachwildbahn“ trotzdem hin und wieder fälschlich zusammengeschriebenes demzufolge oder derzufolge vorkommt, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass die Unterscheidung zwischen dem Adverb und dem Relativanschluss nicht allen bekannt oder immer bewusst ist. Es ist ja wirklich nicht immer einfach.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Mehrteilige Zusammensetzungen mit „ein-“: Ist “Ein-Seiten-Version“ korrekt?

Frage

Eine Freundin schrieb mir: „Ich würde empfehlen, eine 1-Seiten-Version daraus zu machen.“ Ist die Schreibung „1-Seiten-Version“ korrekt bzw. empfehlenswert?

Antwort

Guten Tag Herr T.,

was man von der Wortbildung und Schreibung Einseitenversion resp. Ein-Seiten-Version und 1-Seiten-Version hält, ist vor allem eine Frage des Geschmacks oder des Stils. Die Wortbildung ist nach den Wortbildungsregeln des Deutschen möglich und korrekt.

Man könnte über die Form Seiten stolpern, weil sie wie eine Pluralform aussieht und eine Pluralform nicht hinter ein passen würde. Es handelt sich aber nicht um eine Mehrzahlform, sondern um das Wort Seite mit dem Fugenzeichen [e]n. Dieses Fugenzeichen hatte zwar ursprünglich eine pluralische Bedeutung/Funktion, es hat sie aber in Zusammensetzungen weitgehend verloren. Zusammensetzungen, in denen Seite vor einem anderen Wort steht, werden immer mit [e]n gebildet – dies unabhängig von der genauen Bedeutung des Wortes und auch dann, wenn es sich nur um eine Seite handelt: Seitenanfang, Seitenende; Seitenblick, Seitentür usw. Es gibt also nichts gegen die Form Seiten in „Ihrer“ Zusammensetzung einzuwenden.

Auch die Rechtschreibung ist bei allen drei Varianten nach der amtlichen Regelung vertretbar. Vorgesehen ist für solche Fälle die Zusammenschreibung (Einseitenversion). Es ist aber möglich, „verdeutlichende“ Bindestriche zu verwenden (Ein-Seiten-Version), und die Verwendung von Ziffern (1-Seiten-Version) ist in Zusammensetzungen nicht grundsätzlich verboten.

Trotzdem gefällt mir zum Beispiel eine einseitige Version viel besser als Bildungen wie eine Einseitenversion, eine Ein-Seiten-Version und eine 1-Seiten-Version. Das ist aber, wie gesagt, eine Frage des Geschmacks und des Stils. Bei Wörtern wie

Einbahnstraße, Einbettzimmer, Einblattdruck, Eineuromünze, Einfamilienhaus, Einkindfamilie, Einklassenschule, Einmannbetrieb, Einpartei[en]system, Einpersonenhaushalt, Einphasenstrom, Einstundentakt, Einwegflasche, Einwortsatz, Einzimmerwohnung, Einzylindermotor,

die gebräuchlich und allgemein anerkannt sind, sträubt sich mein Sprachgeschmack schließlich auch nicht. Weniger gelungen finde ich bei diesen Wörtern allerdings die Schreibung mit Bindestrichen. Vor allem von der Schreibung mit der Ziffer 1 würde ich abraten.

Ihre Freundin kann also 1-Seiten-Version schreiben, besser fände ich aber einseitige Version oder Einseitenversion.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wer selbst brennt, erzeugt selbst Gebranntes oder Selbstgebranntes

Frage

Auch wenn’s jetzt stark nach Alkoholiker aussieht, es handelt sich um eine nüchterne Frage: „selbstgebrannt“ oder „selbst gebrannt“? Es kommt mir so vor, als könne man die Eigenschaft nur getrennt schreiben, habe auch beim Duden keinen Hinweis auf Zusammenschreibung gefunden. Bei Zusammenschreibung stellt sich auch die Frage nach dem Infinitiv: „selbstbrennen“ klingt zumindest auf Anhieb etwas eigenartig. […]

Antwort

Guten Tag Herr R.,

in Verbindung mit einem Verb wird selbst getrennt vom Verb geschrieben:

selbst backen, selbst brauen, selbst brennen
Ich habe das Schokolademousse selbst gemacht.
Sie will das Geld selbst verdienen.
Er hat den Unfall selbst verschuldet.

Nur in Verbindung mit dem adjektivisch verwendeten Partizip kann zusammengeschrieben werden. Dann sind beide Schreibweisen korrekt:

selbst gebackene / selbstgebackene Kekse
selbst gemachtes / selbstgemachtes Schokolademousse
selbst gebrautes / selbstgebrautes Bier
selbst gebrannter / selbst gebrannter Kirsch
selbst verdientes / selbstverdientes Geld
ein selbst verschuldeter / selbstverschuldeter Unfall

Das ergibt sich aus § 36(2.1) der amtl. Rechtschreibregelung. Dort steht:

2. Zusammen- wie auch getrennt geschrieben werden kann, wenn der entsprechende Ausdruck sowohl als Zusammensetzung als auch als syntaktische Fügung angesehen werden kann. Dies betrifft:

2.1. Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Verben, Adverbien oder Partikeln mit adjektivisch gebrauchten Partizipien, zum Beispiel:
die Rat suchenden/ratsuchenden Bürger, eine allein erziehende/alleinerziehende Mutter; ein klein geschnittenes/kleingeschnittenes Radieschen, selbst gebackene/selbstgebackene Kekse
[…]

Wenn es selbst gebackene oder selbstgebackene Kekse geben kann, gibt es auch selbst gebrautes oder selbstgebrautes Bier und selbst gebrannten oder selbstgebrannten Schnaps. Von diesen selbst gemachten o. selbstgemachten Köstlichkeiten würde ich bei meinen Back-, Brau- und Brennkünsten höchstens die Kekse empfehlen. Die Herstellung von selbst Gebrautem o. Selbstgebrautem und selbst Gebranntem o. Selbstgebranntem überlasse ich lieber den Profis.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Hervorzuheben ist hier die Zusammenschreibung von „hervorzuheben“

Heute gleich noch einmal eine Frage zur Getrennt- oder Zusammenschreibung:

Frage

Ich habe eine Frage zur Zusammen- oder Getrenntschreibung eines zusammengesetzten Verbs im Vorfeld in Infinitivform. Wie muss es heißen?

  1. Hervorzuheben ist, dass alle Teilnehmenden mit der Aufführung zufrieden waren.
  2. Hervor zu heben ist, dass alle Teilnehmenden mit der Aufführung zufrieden waren.

Antwort

Guten Tag Herr S.,

bei trennbaren Verben wird der mit zu erweiterte Infinitiv in einem Wort geschrieben:

hervorheben – hervorzuheben
ausdenken – auszudenken
mitnehmen – mitzunehmen
einbeziehen – einzubeziehen
auseinandergehen – auseinanderzugehen

Das gilt auch dann, wenn der mit zu erweiterte Infinitiv eines trennbaren Verbes in das Vorfeld (vor das gebeugte Verb) verschoben wird, also auch beim Satz in Ihrer Frage:

Es ist hervorzuheben, dass …
Hervorzuheben ist, dass alle Teilnehmenden mit der Aufführung zufrieden waren.

Es ist besonders hervorzuheben, dass …
Besonders hervorzuheben ist, dass …

Ebenso zum Beispiel:

Mitzunehmen sind die folgenden Dokumente: …
Unbedingt mitzunehmen sind die folgenden Dokumente: …

Nicht auszudenken ist, was geschehen würde …

Einzubeziehen sind auch die Zahlungen vom Vorjahr.
In die Überprüfung einzubeziehen sind auch die Zahlungen vom Vorjahr.

Auseinanderzugehen kommt nicht in Frage.
Im Streit auseinanderzugehen kommt nicht in Frage.

Formulierungen dieser Art sind nicht immer allzu schön, aber zusammenzuschreiben sind die Infinitive auch in dieser Stellung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn man kleiner wohnen will: der Traum vom kleiner Wohnen oder vom Kleinerwohnen?

Frage

Ich habe eine Frage zur korrekten Schreibung von substantivierten Verben mit adjektivischem Begleiter. Kürzlich wurde im TV eine Reportage gesendet mit dem Titel »Der Traum vom kleiner Wohnen«. Der Ausdruck »kleiner Wohnen« kommt mir hinsichtlich der Schreibung und auch stilistisch irgendwie seltsam vor, wobei ich nicht sicher bin, ob ich hier möglicherweise ein Problem sehe, wo gar keines ist.

Da es sich um eine Substantivierung des Verbs handelt, wird »Wohnen« folgerichtig großgeschrieben, das ist klar. Wenn es nun hieße »Der Traum vom kleineren Wohnen« hätte ich auch kein Problem, aber das »kleiner« scheint mir bei der Substantivierung des Verbs enger an letzteres gebunden zu sein. Müsste es deshalb nicht vielleicht »Traum vom Kleinerwohnen« oder »Traum vom Kleiner-Wohnen« heißen? […]

Noch ein paar Beispiele, die dem »kleiner Wohnen« ähneln, bei denen ich mir ebenfalls unsicher bin:

das gesünder Essen
das nachhaltiger Einkaufen
das umweltbewusster Reisen
das schonend Kochen
das fettarm Backen
das hübsch Verzieren

Völlig unproblematisch sind diese Wendungen, wenn das Adjektiv anders dekliniert wird:

das gesündere Essen
das nachhaltigere Einkaufen
das umweltbewusstere Reisen
das schonende Kochen
das fettarme Backen
das hübsche Verzieren

Drücken diese Wendungen aber wirklich dasselbe aus wie die obenstehenden? […]

Antwort

Guten Tag Herr K.,

Ihre Analyse ist korrekt. Hier ist die ganze Infinitivgruppe kleiner wohnen substantiviert. Dann gilt, dass aus zwei Wörtern bestehende (o. übersichtliche) Infinitivgruppen groß- und zusammengeschrieben werden:

das Kleinerwohnen
also: Der Traum vom Kleinerwohnen

das Gesünderessen
das Nachhaltigereinkaufen
das Schonenderkochen
das Umweltbewussterreisen
das Schonendkochen
das Fettarmbacken
das Hübschverzieren

Getrennt geschrieben wird, wenn das Adjektiv gebeugt ist:

das kleinere Wohnen
das gesündere Essen
das nachhaltigere Einkaufen
das schonendere Kochen
das umweltbewusstere Reisen
das schonendere Kochen
das fettarme Backen

Häufig gibt es keinen wesentlichen Bedeutungsunterschied zwischen den beiden Formulierungen. Dann ist stilistisch eindeutig die Variante mit einfachem Infinitiv und gebeugtem Adjektiv vorzuziehen. Substantivierte Infinitivgruppen verdienen selten den Schönheitspreis und sehen manchmal, wie die Beispiele oben von das Kleinerwohnen bis das Hübschverzieren, eher seltsam und gewöhnungsbedürftig aus.

In gewissen Fällen kann die Bedeutung unterschiedlich sein, wenn wie zum Beispiel bei das gesündere Essen der substantivierte Infinitiv eine andere Bedeutung hat oder haben kann als die reine Verbbedeutung (das Essen als Verbhandlung und das Essen als Mahlzeit oder Speise). Manchmal ist die getrennte Formulierung nicht möglich, wenn wie zum Beispiel bei hübsch verzieren das Adjektiv sich nicht auf das Verb, sondern auf ein Objekt bezieht (hübsch ist nicht das Verzieren, sondern das, was verziert wird). Und manchmal bin ich unsicher, ob eine Formulierung möglich ist: das kleinere Wohnen?? Eher nicht.

Ein ähnliches Thema behandelt dieser ältere Blogartikel.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp