Der Liter Benzin kostet einen Euro und zwanzig Cent.

Frage

Im Radio hörte ich vor kurzem Folgendes: „Der Liter Benzin kostet heute einen Euro und 20 Cent.“ Meine Frage dazu: Heißt es wirklich kostet EINEN Euro, oder ist kostet EIN Euro richtig? Ich tendiere zu Letzterem, aber mein Bekannter ist der festen Meinung, das Radio habe richtig gesprochen. Was sagen Sie?

Antwort

Sehr geehrter Herr W.,

in der Standardsprache verlangt das Verb kosten den Akkusativ. Etwas kostet einen Euro, einen Euro und zwanzig Cent, einen Euro dreißig, einen Franken sechzig Rappen, einen Dollar, einen Rubel und fünfzig Kopeken usw. Ihr Bekannter und die Radiostimme haben also recht.

Eher umgangssprachlich gibt es noch eine andere Variante: „Der Liter Bezin kostet heute eins zwanzig.“ Das geht aber nur, wenn nach eins ein Centbetrag (in der Schweiz ein Rappenbetrag) folgt und die Währungseinheit nicht genannt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Zum Verb kosten gab es schon einmal einen Blogeintrag.

Die Anzahl Sekunden seit Mitternacht

Frage

Das Wort Mitternacht wird ja im allgemeinen ohne Artikel verwendet: Es ist Mitternacht. Wenn ich jetzt aber den Sachverhalt die Anzahl Sekunden, die vergangen ist, seit es das letzte Mal Mitternacht war verkürzt ausdrücken möchte, komme ich nicht umhin, einen Artikel zu benutzen: die Anzahl Sekunden seit der letzten Mitternacht. Der Artikel hört sich hier fehl am Platze an. Eine Formulierung wie die Anzahl Sekunden seit Mitternacht lässt aber meiner Meinung nach eine Interpretation bzgl. dessen zu, „welche“ Mitternacht gemeint ist. Daher halte ich die Konkretisierung letzte Mitternacht für notwendig.

Außerdem habe ich mal gehört, dass Deutsch sich besonders gut als Wissenschaftssprache eignet, weil in ihr Sachverhalte sehr exakt ausgedrückt werden können, wobei andere Sprachen, wie Englisch oder Russisch eine vergleichbare Eindeutigkeit entweder gar nicht erreichen, oder nur durch umständliche und lange Formulierungen.

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

es ist mir auch schon zu Ohren gekommen, dass das Deutsche besonders gut für wissenschaftliche und technische Beschreibungen geeignet sei. Ich kann das aber einfach nicht so recht glauben, denn auch das Deutsche besteht wie andere Sprachen aus viel mehr Mehrdeutigkeiten und „Ungenauigkeiten“ als präzise definierten Begriffen und Relationen. Außerdem waren das Russische und das Englische doch wissenschaftlich genug, um eine Technik hervorzubringen, mit der Menschen in den Weltraum geschickt werden können. Auch in Frankreich, im Land, das man mit Chic und guter Küche, aber (zu Unrecht!) nicht mit Wissenschaft assoziiert, fuhren zum Beispiel die TGVs um einiges früher als in deutschen Landen die ICEs. Der deutsche Sprachraum hat ebenfalls viele technische und wissenschaftliche Leistungen hervorgebracht, aber ob dabei die Struktur der Sprache einen Vorteil gegenüber anderen geliefert hat, wage ich zu bezweifeln.

Zu Ihrer Frage: Das Wort Mitternacht wird im Prinzip ohne Artikelwort verwendet. Eine Formulierung wie letzte Mitternacht klingt deshalb ungewöhnlich, aber ausgeschlossen ist sie nicht. Wendungen wie die Anzahl Sekunden seit letzter Mitternacht oder die Anzahl Sekunden seit der letzten Mitternacht sind jedenfalls gut verständlich.

Aber auch die Formulierung die Anzahl Sekunden seit Mitternacht finde ich eigentlich präzise genug. Kaum jemand nimmt wohl an, dass damit Mitternacht vor zwei oder drei Tagen gemeint sein könnte. Mathematisch-logisch ist das natürlich möglich, aber im konkreten Sprachgebrauch – auch unter Technikern und Wissenschaftlern; nur bei Juristen wäre ich da vorsichtiger – eher eine Spitzfindigkeit. Außerdem gibt die Anzahl der Sekunden an, ab „welcher“ Mitternacht gemessen worden ist. Wenn es weniger als 86.400 Sekunden sind, kann es sich nur um die letzte Mitternacht gehandelt haben. Aber wenn Sie wirklich präzise formulieren wollen, gibt es Möglichkeiten wie diese:

die Anzahl Sekunden seit der letzten Mitternacht
die Anzahl Sekunden seit 00.00 Uhr des betreffenden Tages

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Steuern – zahlen, lenken, unterstützen

Gestern saß ich ein paar Stunden lang auf der Autobahn am Steuer. Heute habe ich damit angefangen, das zu durchwühlen, was man mit einem großen Wort meine „finanzielle Administration“ nennen könnte. Eine mir zurzeit noch völlig unverständliche Steuerrechnung harrt nämlich seit einiger Zeit der Bezahlung. Ich bin zwar kein leidenschaftlicher Autofahrer, aber ich drehe doch lieber am Lenkrad, als dass ich mich um Steuerangelegenheiten kümmere. Bei Letzterem will bei mir einfach keine richtige Freude und Begeisterung aufkommen. Deshalb werde ich jetzt zuerst einmal typisches Flucht- und Verdrängungsverhalten zeigen, indem ich mich statt um die Steuern um die folgende, mich plötzlich brennend interessierende Frage kümmere: Was haben die Steuer und das Steuer miteinander zu tun?

Der genaue Zusammenhang zwischen den beiden Wörtern scheint nicht vollständig geklärt zu sein. Beide sollen etwas mit Stütze, Stützpfahl, Unterstützung zu tun haben. Im Fall von das Steuer könnte das die Stange gewesen sein, mit der Boote in untiefem Wasser vorwärtsgestoßen und gelenkt wurden. Bei die Steuer ging es um eine – offenbar unterstützende – Geldabgabe, die im Mittelhochdeutschen auch die heutige Bedeutung erhielt. Man findet ältere Bedeutungen noch in die Aussteuer (Heiratsgut) und etwas beisteuern (einen Beitrag leisten). Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass sich zwei Wörter von einem gemeinsamen Ursprung zu Bezeichnungen für so unterschiedliche Begriffe wie Steuerrad und Abgabe an den Staat entwickeln können.

Ich hatte ganz am Anfang gehofft, auf einen direkteren Zusammenhang zu stoßen, nämlich dass man mit den Steuern, die man zahlt, das Staatsschiff steuert. Aber vielleicht ist es ja ganz gut, dass dem nicht so ist. Frei nach dem Motto „Wer zahlt, befiehlt“ hätte das dann ja bedeutet, dass man sich (noch mehr als jetzt) den Einfluss auf die Gemeinschaft erkauft. Geben wir uns also damit zufrieden, dass wir unsere Länder mit den Steuern zwar nicht steuern, dafür aber unterstützen!

Wie sagt man via E-Mail?

Frage

Man liest heute häufig via Internet, via E-Mail. Wie ist die Aussprache von via? Welche ist gebräuchlicher? Englische oder deutsche: [vaiə] oder [vi:a]?

Antwort

Guten Tag C.,

das Wörtchen via gab es schon vor dem Internetzeitalter. Es bedeutet über, durch:

Wir sind via Paris nach Tunis geflogen.
Sie versuchten, den Streik via Gerichtsbeschluss zu verbieten.

Es kommt nicht aus dem Englischen, sondern auch dem Lateinischen (Ablativ von via = Weg). Es wird in der Regel deutsch ausgesprochen: [‘vi:a]. Dies gilt auch vor Wörtern wie E-Mail, Internet oder iPhone. Wenn das Wörtchen via in einem deutschen Zusammenhang englisch ausgesprochen wird, hat das meist etwas mit – wie sage ich denn das jetzt diplomatisch – Unkenntnis oder Wichtigtun zu tun. Sehen Sie auch diese Seite.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Heißer Durst

Der Frühling lässt immer noch auf sich warten. Das mag zwar Hamburger auf Skiern freuen (in HH haben nämlich gerade die Ferien angefangen), aber mich und vielleicht auch einige von Ihnen reißt die Hartnäckigkeit dieses Winters nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hin. Darum geht es heute um eine Frage, die zumindest indirekt etwas mit Wärme zu tun hat.

Frage

Heute sagte ein Freund: „Nach dem Schwimmen habe ich mir eine Flasche Ananassaft gekauft und direkt leer getrunken. So einen Heißdurst hatte ich.“ Ich stutzte. Heißhunger, ja, das kannte ich. Aber wo kommt der Begriff her? Und gibt es einen äquivalenten Begriff für einen ähnlichen Durst?

Antwort

Sehr geehrter Herr H.,

nach den Angaben im historischen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (Eingabe „heisz“) zu schließen kommt das Heiß- in Heißhunger ganz einfach vom Adjektiv heiß. Von der wörtlichen Hitze über die innerliche Hitze (vgl. zum Beispiel heißes Blut, heißes Verlangen, etwas heiß ersehnen) wurde heiß ein verstärkendes Element bei Hunger UND Durst. Früher sprach man von heißem Hunger und von heißem Durst. Im heutigen Deutschen sind nur noch Heißhunger und heißhungrig gebräuchlich. Wenn man großen Durst hat, sind andere Ausdrücke üblich. Neben dem wenig spektakulären Riesendurst sind dies zum Beispiel Höllendurst und Mordsdurst. Es würde mich auch gar nicht erstaunen, wenn im deutschen Sprachraum noch eine ganze Palette anderer Wörter für dieses Phänomen zu finden wäre.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Willkommen „zu“ meiner Webseite?

Frage

In letzter Zeit fällt mir immer öfter das Wort zu im Zusammenhang mit willkommen auf. Heißt es tatsächlich willkommen zu meiner Webseite? Und heißt es willkommen bei der Eröffnung oder auf der Eröffnung? Wann benutze ich auf, bei oder zu und gibt es dazu eine Regel?

Antwort

Sehr geehrte Frau O.,

auch meine Ohren stören sich an der Formulierung willkommen zu meiner Webseite. Woran könnte das liegen? Eine genaue Regel zu dieser Frage kenne ich nicht, aber im Allgemeinen kann ich die folgenden Tendenzen beobachten:

Wenn man an einem Ort willkommen geheißen wird, wählt man die Präposition, die man bei der betreffenden Ortsbezeichnung auf die Frage wo? verwendet:

willkommen in Innsbruck (wo? – in Innsbruck)
willkommen auf dem Reiterhof
willkommen am Niederrhein
willkommen bei Canoo
Seid hoch willkommen unter meinem Dach! (Schiller: Willhelm Tell, 1. Akt, 4. Szene)

Man wählt zu, wenn man jemanden zu einem Geschehen, einem Ereignis u. Ä. willkommen heißt:

willkommen zur Eröffnung der Ausstellung
willkommen zur Konferenz
willkommen zum 60. ordentlichen Kreisparteitag
willkommen zu unserem Gartenfest

Hier sind auch andere Formulierungen möglich. Zum Beispiel:

willkommen bei der Eröffnung der Ausstellung
willkommen bei der Konferenz
willkommen auf unserem Gartenfest

Formulierungen wie die folgenden klingen deshalb nicht richtig, weil es sich nicht um ein Ereignis oder Geschehen, sondern (im weiteren Sinne) um einen Ort handelt:

willkommen zu meiner Webseite
willkommen zur Homepage der Familie X
willkommen zur Firma Y
willkommen zum Hotel California

Viel besser klingt:

willkommen auf meiner Webseite
willkommen auf der Hompage der Familie X
willkommen bei der Firma Y
willkommen im Hotel California

Das gilt auch dann, wenn die Homepage dynamisch so gut durchdesignt ist, dass sich alles auf ihr irgendwie bewegt. Es gilt auch trotz der Tatsache, dass die Eagles singen „Welcome to the Hotel California“. Letzteres soll nur ein leiser Hinweis darauf sein, dass viele der weniger gut klingenden willkommen zu dem Einfluss des Englischen zuzuschreiben sein könnten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Hin und her schieben oder hin- und herschieben?

Frage

Ich habe wieder einmal eine Frage, zu der ich keine eindeutige Klärung finden konnte.

Eine Bindehautentzündung kündigt sich durch Jucken, Reiben, Brennen und ein gerötetes Auge an, wobei ein Gefühl entsteht, als würden bei jedem Lidschlag Sandkörner hin und her geschoben.

Oder schreibt man hier hin- und hergeschoben?

Antwort

Sehr geehrte Frau S.,

ob Sie hin und her schieben oder hin- und herschieben schreiben, hängt davon ab, was genau gemeint ist. Man schreibt hin und her getrennt vom Verb, wenn es ohne bestimmte Richtung, kreuz und quer bedeutet. Es kann dann durch herum- ersetzt werden. Man schreibt hin- und her…, wenn damit eine Bewegung an einen bestimmten Ort und zurück gemeint ist:

hin und her fahren = ziellos herumfahren
hin- und herfahren = hin- und zurückfahren

hin und her schieben = herumschieben
hin- und herschieben = hinschieben und zurückschieben

Hier ist im Prinzip beides möglich (bei einem Lidschlag gibt es ja eine Bewegung hin und zurück), aber es ist wohl eher gemeint, dass die Sandkörner im Auge herumgeschoben werden. Deshalb:

…, als würden bei jedem Lidschlag Sandkörner hin und her geschoben.

Man kann also einen Schrank im ganzen Zimmer hin und her schieben und ihn dabei dreimal zwischen der Tür und dem Sofa hin- und herschieben. Das ist aber innenarchitektonisch sehr ineffizient und rechtschreiblich ziemlich spitzfindig.

Auch im übertragenen Sinne schreibt man hin und her getrennt vom Verb:

hin und her reden = reden, ohne zu einem Ergebnis zu kommen
hin und her überlegen = alle Aspekte berücksichtigend überlegen

Weitere Beispiele finden Sie hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Hundertdrei im Nenner

Frage

Wie werden eigentlich Brüche ausgesprochen bzw. in Worten geschrieben, deren Nenner 103 lautet? Wenn die Bruchzahlen von den Ordinalzahlen abgeleitet werden, müsste es beispielsweise ein Hundertdrittel (1/103) lauten, oder? Andererseits heißt es aber auch ein Hunderteintel (1/101).

Antwort

Sehr geehrter Herr K.,

der Nenner in Bruchzahlen wird von der entsprechenden Ordinalzahl (Ordnungszahl) abgeleitet. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Wenn ein Ganzes als Bruchzahl ausgedrückt wird, sagt man Eintel: ein Eintel, zwei Eintel usw. Diese Ausnahme gilt auch für andere Zahlenwerte, die auf -eins enden. Bei allen anderen Zahlen gilt die allgemeine Regel. Daraus ergibt sich:

erste || ein Eintel
zweite – ein Zweitel (aber üblicherweise : Hälfte, ein Halbes)
dritte – ein Drittel
vierte – ein Viertel
zwanzigste – ein Zwanzigstel
einundzwanzigste – ein Einundzwanzigstel
usw.

hunderterste || ein Hunderteintel
hundertzweite – ein Hundertzweitel
hundertdritte – ein Hundertdrittel
hundertvierte – ein Hundertviertel
usw.

tausenderste || ein Tausendeintel
tausendzweite – ein Tausendzweitel
tausenddritte – ein Tausenddrittel
tausendvierte – ein Tausendviertel
usw

Der Grund, weshalb man diese Formen nicht in Wörterbüchern findet, ist wohl, dass Wendungen wie „ein Hunderteintel der Gesamtmenge“ oder „ein hundertdrittel Gramm“ kaum je im wirklichen Sprachgebrauch vorkommen.

Den Witz, dass mir einhundert Viertelliter Wein lieber sind als ein hundertviertel Liter Wein, wollte ich hier eigentlich nicht wiederholen, aber manchmal kann ich es eben einfach nicht lassen. Ich bitte Sie um Nachsicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Angaben zur Groß- und Kleinschreibung von Bruchzahlen finden Sie hier.

Steche oder stich dich nicht!

Frage

Es ist nirgendwo nachzulesen, wie der folgende Satz geschrieben wird: „Stich dich nicht!“ oder „Steche dich nicht!“? Es wäre sehr nett, wenn Sie mir weiterhelfen könnten. Es gab nämlich deswegen schon sehr viele Diskussionen.

Antwort

Sehr geehrter Herr K.,

richtig ist:

Stich dich nicht!

Es handelt sich hier um eine Befehlsform (einen Imperativ). Bei einer Gruppe von unregelmäßigen Verben wechselt der Selbstlaut im Stamm von e zu i, wenn sie in der Befehlsform der Einzahl stehen. Zum Beispiel:

brechen  – brich!
essen  – iss!
helfen  – hilf!
lesen  – lies!
nehmen  – nimm!

und eben

stechen – stich!

Es sind dies die gleichen Verben, bei denen es auch in der zweiten und dritten Person Einzahl der Gegenwart (Indikativ Präsens) zu einem solchen e/i-Wechsel kommt:

brechen  – du brichst er bricht
essen  – du isst, er isst
helfen  – du hilfst, er hilft
lesen  – du liest, er liest
nehmen  – du nimmst, er nimmt
stechen du stichst, er sticht

Man hört zwar hin und wieder Befehlsformen wie steche!, helfe!, lese! und benehme dich! (es ist also nicht sehr erstaunlich, dass es bei Ihnen zu Diskussionen kommt ), aber diese Formen gelten im Standarddeutschen als nicht korrekt.

Eine vollständige Liste dieser Verben finden Sie hier. Sie müssen aber nicht die ganze Liste auswendig lernen. Es gibt zumindest für Muttersprachige eine viel einfachere Regel: Wenn in der Gegenwart die ich-Form einen e-Laut und die du-Form einen i-Laut hat, hat auch die Befehlsform der Einzahl diesen i-Laut:

ich steche/du stichst  – stich!
ich lese/du liest  – lies!
ich nehme/du nimmst  – nimm!
ich zersteche/du zerstichst  – zerstich!
ich lese vor/du liest vor  – lies vor!
ich empfehle/du empfiehlst  – empfiehl!

Unsere deutsche Sprache wäre aber unsere deutsche Sprache nicht, wenn es nicht auch hier eine Ausnahm gäbe:

ich werde/du wirst – werde!

Aber das sollte man sich merken können.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eine Million Menschen kam oder kamen?

Frage

Unser Professor erwähnte in seinem Vortrag, dass die Formulierung Eine Million Menschen kamen zu XY falsch sei, da das Verb durch eine Million in der Einzahl stehen müsse. Ist das korrekt, oder gilt die Regel, dass das Subjekt im Plural steht und darum auch das Verb im Plural stehen muss?

Antwort

Guten Tag M.,

in der Mengenangabe eine Million Menschen ist das Substantiv Million der Kern der Wortgruppe, der durch das Attribut Menschen näher bestimmt wird. Rein formal hat ihr Professor deshalb recht, wenn er sagt, dass bei einem solchen Subjekt das Verb in der Einzahl stehen müsse.

Eine Million Menschen kam zu diesem Anlass.
Ein Pfund Nudeln reicht nicht.
Eine Anzahl teure Designerbrillen wurde gestohlen.

Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Das Verb wird oft nicht formal der Maßbezeichnung (dem Wortgruppenkern) sondern sinngemäß dem Gemessenen (dem Attribut) angeglichen. Dies geschieht bei Maßbezeichnungen in der Einzahl  mit einem Attribut in der Mehrzahl:   

Eine Million Menschen kamen zu diesem Anlass.
Ein Pfund Nudeln reichen nicht.
Eine Anzahl teure Designerbrillen wurden gestohlen.

Ihr Professor hat also nicht ganz recht. Nach eine Million Menschen kann das Verb auch in der Mehrzahl stehen. Strengere Grammatiker finden oder fanden die Mehrzahl hier zwar nicht korrekt, aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und zum Beispiel auch der Dudengrammatik ist sowohl eine Million Menschen kam als auch eine Million Menschen kamen korrekt. Sehen Sie hierzu auch diese Seite in Canoonet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp