Das Adektiv zum Familiennamen: -isch, -sch oder -er?

Frage

Ich habe hier einen alten Roman, der vor Urzeiten verlegt wurde. Er wurde verändert, und ich lese ihn jetzt Korrektur. Die Familie in dem Roman heißt Steinbach. Es kommen dann immer wieder Wendungen vor wie „Steinbachische Erbschaft“, „Steinbachisches Vermögen“, „Steinbachischer Besitz“. Mir kommt das ein bisschen fremd vor. […]

Was meinen Sie? Wenn ich es so lasse, müsste „Steinbachische“ heute kleingeschrieben werden, nicht wahr? Oder ich schreibe „Steinbacher Erbschaft“ usw. und dann groß? Was finden Sie besser und richtiger?

Im Grunde habe ich noch eine Frage. Wann das Adjektiv mit „isch“ und wann mit „sch“ gebildet wird, ist mir auch nicht klar.

Antwort

Guten Tag Frau M.,

von Familiennamen abgeleitete  Adjektive werden – wenn überhaupt – mit den Endungen isch oder sch gebildet. Nach der geltenden Rechtschreibregelung werden solche Adjektive im Prinzip kleingeschrieben (außer mit Apostroph vor sch)1:

Müller → müllerisch o.  müllersch/Müller’sch
Schmidt → schmidtisch o. schmidtsch/Schmidt’sch
Frankenstein → frankensteinisch o. frankensteinsch/Frankenstein’sch
Dante → dantisch o. dantesch/Dante’sch

Ableitungen mit er kommen bei Ortsnamen häufig vor:

Hamburg → Hamburger
Bern → Berner
Salzburg → Salzburger
Mailand → Mailänder

Sie sind aber bei Familiennamen nicht üblich. Das Adjektiv Steinbacher würde also zu einer Ortschaft Steinbach, aber nicht zur Familie Steinbach passen.

Bei Familiennamen sind, wie gesagt, isch und sch gebräuchlich. Es gibt keine allgemein gültige Regel, wann man welche der beiden Endung verwendet. Beides ist im Prinzip möglich; so auch bei Ihren Beispielen:

die steinbachische Erbschaft
steinbachisches Vermögen
steinbachischer Besitz

die steinbachsche Erbschaft
steinbachsches Vermögen
steinbachscher Besitz

Da im Originaltext die Form steinbachisch vorkommt, würde ich sie so beibehalten. Nur bei der Groß- und Kleinschreibung sollten Sie eingreifen, falls die aktuell geltende Rechtschreibregelung als Richtschnur gilt.

Wenn Sie sich gar nicht mit dem Adjektiv steinbachisch anfreunden können, könnten Sie auch auf Umformulierungen der folgenden Art ausweichen:

die Erbschaft der Familie Steinbach / der Steinbachs
Vermögen der Familie Steinbach / der Steinbachs
Besitz der Familie Steinbach / der Steinbachs

So weit die boppsche Meinung, die  boppische Meinung oder Bopps Meinung zu dieser Frage.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 Großgeschrieben wird dann, wenn man vor der Endung sch einen Apostroph verwendet, um den Eigennamen zu verdeutlichen:

des steinbachschen Besitzes o. des Steinbach’schen Besitzes
die müllersche Bäckerei o. Müller’sche Bäckerei (= Bäckerei der Familie Müller)

Vgl. hier

Ebenfalls großeschrieben wird dann, wenn das Adjektiv Teil eines Namens ist:

die Müllersche Bäckerei o. Müller’sche Bäckerei (= Bäckerei mit diesem Namens)

Das Immergleiche oder das immer Gleiche?

Frage

In der Zeitung lese ich folgenden Satz:

Das Ekelgefühl umfasst etwa den Widerwillen gegen das Immergleiche, das Schamlose, Schwülstige und Verlogene.

Wie schreibt sich die substantivierte Form von „immer gleich“: „das Immergleiche“ oder „das immer Gleiche“? Und wo hätte ich nachschlagen können, um diese Frage selbst beantworten zu können?

Antwort

Guten Tag Herr B.

wenn etwas immer gleich ist, ist es etwas immer Gleiches. Wenn etwas immergleich ist, ist es etwas Immergleiches. Bei immer gleich und das immer Gleiche liegt die Hauptbetonung auf gleich. Bei immergleich und das Immergleiche liegt die Hauptbetonung auf imm. Dabei ist immergleich unüblich, aber unter Berufung auf die dichterische Freiheit und in Anlehnung an immergrün nicht unmöglich. Ich hätte im Zeitungsartikel das immer Gleiche gewählt, aber ich bin nicht der Autor.

Zurück zu das immer Gleiche: Es handelt sich um die Substantivierung der Adjektivgruppe immer gleich. Dass man bei substantivierten Adjektivgruppen nur das Kernadjektiv großschreibt, wird eigentlich nirgendwo explizit erwähnt. Man kann es unter anderem aus dem Beispiel das einzig Richtige in §57(1) der Rechtschreibregelung ableiten. Außerdem gibt es anders als bei den substantivierten Infinitivgruppen keine Regel, die die Zusammenschreibung oder die Bindestrichschreibung rechtfertigen würde. Das ist eine Art „indirekter Beweis“. Hier weitere Beispiele substantivierter Adektivgruppen:

sehr interessant → nichts sehr Interessantes
viel größer → etwas viel Größeres
weitaus am besten → das weitaus Beste
niemandem verständlich → etwas niemandem Verständliches
sonst nie zufrieden → die sonst nie Zufriedenen
chronisch krank → die Behandlung chronisch Kranker
immer gleich → das immer Gleiche

Die Schreibung substantivierter Adjektivgruppen ist etwas nicht allzu Einfaches, aber wenn man es einmal weiß, ist es dennoch nichts völlig Unverständliches.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der Schwarze Freitag war ein schwarzer Freitag

Frage

Ist es dasselbe: der Schwarze Freitag und ein schwarzer Freitag / ein Schwarzer Freitag?

Antwort

Ihre Frage ist berechtigt, denn nicht alle Freitage, die schwarz genannt werden, bezeichnen dasselbe. Das wirkt sich auch auf die Rechtschreibung aus.

a) ein schwarzer Freitag

Ein schwarzer Freitag ist ein Unglückstag, der in der Regel auf einen Freitag fällt.

Heute war wieder einmal ein schwarzer Freitag in ihrer Beziehung.

Es handelt sich um eine figürlich verwendete Verbindung von einem Adjektiv und einem Substantiv. Nach § 63 (1.2) der Rechtschreibregelung wird das Adjektiv in einer solchen Verbindung kleingeschrieben (ebenso zum Beispiel: der blinde Passagier, die biologische Uhr, die graue Maus, der rote Teppich).

b) der schwarze Freitag oder meistens der Schwarze Freitag

Dieser schwarze/Schwarze Freitag ist eigentlich der amerikanische Black Friday, das heißt der Freitag nach Thanksgiving Day in den USA. Der Black Friday wird, meistens unter seinem englischen Namen, in den letzten Jahren vermehrt auch in Europa kommerziell „gefeiert“.

Sonderangebote zum Schwarzen / schwarzen Freitag

Es ist ein besonderer (aber kein religiöser oder offizieller) Kalendertag, bei dem das Adjektiv nach § 63 (E4) der Rechtschreibregelung klein- oder großgeschrieben werden kann. Da viele alle besonderen Kalendertage großschreiben, ist dieser Freitag – wenn er nicht sowieso Black Friday genannt wird – meistens der Schwarze Freitag mit großem S.

c) der Schwarze Freitag

Der Vater aller schwarzen Freitage ist der 24. November 1929, der Tag des großen Börsencrashs in New York.

Der Schwarze Freitag (der Schwarze Donnerstag [Black Thursday] in Amerika) im Oktober 1929 gilt als Auslöser der amerikanischen Wirtschaftsdepression der 1930er Jahre.

Es ist der Name eines historischen Ereignisses, deshalb wird nach § 60 (6) der Rechtschreibregelung das Adjektiv großgeschrieben (ebenso zum Beispiel: der Siebenjährige Krieg, die Französische Revolution, die Goldenen Zwanzigerjahre).

Es gibt also verschiedene Arten des schwarzen/Schwarzen Freitags. Wenn man wissen möchte, was genau gemeint ist, kann die Groß- und Kleinschreibung helfen. Da sich hier aber lange nicht alle an die Rechtschreibregelung halten (die hier nicht immer allzu einfach nachvollziehbar ist), empfiehlt es sich, vor allem auf den Zusammenhang zu achten. Dann erweist sich schnell, ob ein Unglückstag, ein Tag der Sonderangebote oder ein bestimmter historischer Börsencrash gemeint ist.

Mit freundlichen Grüße

Dr. Bopp

Ist Baden verboten oder ist baden verboten?

Frage

Auf einem Schild steht:

Lebensgefahr!
Durchfahrt und baden verboten

Ist das richtig geschrieben?

Antwort

Guten Tag Herr I.,

auf Schildern dieser Art wird Baden häufiger großgeschrieben:

Durchfahrt und Baden verboten

Es werden dann zwei Substantive durch und miteinander verbunden:

Die Durchfahrt und das Baden sind verboten
→ Durchfahrt und Baden verboten

Die Kleinschreibung ist aber nicht falsch, da baden auch als Verbform verstanden werden kann:

Die Durchfahrt ist verboten und hier zu baden ist verboten
→ Durchfahrt und baden verboten

Den Unterschied, dass heißt, dass Groß- und Kleinschreibung möglich sind, kann man auch mit Hilfe von Ergänzungen zeigen, die a) nur bei Substantiven oder b) nur bei Verben stehen können:

a) Durchfahrt und nächtliches Baden verboten
b) Durchfahrt und nachts baden verboten

a) Durchfahrt und Nacktbaden verboten [Nácktbaden]
b) Durchfahrt und nackt baden verboten [nackt báden]

a) Widerrechtliches Angeln ist verboten.
b) Widerrechtlich angeln ist verboten

a) Betreten des Geländes verboten
b) Gelände betreten verboten

Ein allein stehender Infinitiv wird in diesem Zusammenhang häufig großgeschrieben, die Kleinschreibung ist aber, wie gesagt, nicht falsch. Und ob nun baden verboten oder Baden verboten ist: Wenn es lebensgefährlich ist, kann man es sowieso besser nicht tun.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warum es der Zeichenunterricht, aber das Zeichnenlehren ist

Frage

Ich arbeite an einem Text, in dem die Begriffe Zeichnen lehren und das Zeichnenlehren (jemandem das Zeichnen beibringen) vorkommen. Zum Beispiel:

Wie Zeichnen lehren?
Didaktik des Zeichnenlehrens.

Der Autor des Textes meint, man solle doch besser ZeichENlehren schreiben, weil es auch ZeichENunterrich, ZeichENlehrer oder ZeichENkohle heißt.

Antwort

Guten Tag Frau W.,

beim ersten Zitat, gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann klein zeichnen (vgl. zu zeichnen lehren) oder groß Zeichnen (vgl. das Zeichnen lehren) schreiben:

Wie zeichnen Lehren?
Wie Zeichnen Lehren?

Sie haben sich offenbar entschieden, hier die großgeschriebene Variante zu wählen (Wie Zeichnen lehren?). Das ist richtig, allerdings für die Beantwortung Ihrer eigentlichen Frage gar nicht wichtig.

Beim zweiten Untertitel handelt es sich um die Substantivierung der Infinitivgruppe zeichnen lehren oder eben Zeichnen lehren. Dann wird zusammen und mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben:

das Zeichnenlehren

Es ist hier anders als bei Zusammensetzungen wie Zeichenlehrer oder Zeichenunterricht nicht zu empfehlen, an erster Stelle Zeichen- zu verwenden. Warum nicht?

Bei einer Zusammensetzung mit einem Verb an erster Stelle wird nicht der Infinitiv, sondern „nur“ der Stamm des Verbs verwendet:

schwimm[en] + Lehrer → Schwimmlehrer
mal[en] + Unterricht → Malunterricht
press[en] + Kohle → Presskohle

Bei Verben wie zeichnen und rechnen wird dabei im Stamm ein e eingefügt, das im Laufe der Wortgeschichte weggefallen ist1. Das geschieht, weil sonst Verbindungen wie *Zeichnlehrerin oder *Rechnunterricht entstehen würden. Also:

zeichn[en] + Lehrerin → Zeichenlehrerin
rechn[en] + Unterricht → Rechenunterricht
zeichn[en] + Kohle → Zeichenkohle

Bei den substantivierten Infinitivgruppen der Art, um die es hier geht, steht der ganze Infinitiv an erster Stelle. Dann wird nichts eingefügt und nichts weggelassen:

rechnen + lernen → das Rechnenlernen
zeichnen + lehren → des Zeichnenlehrens

Sie können also guten Gewissens und mit einem Verweis auf die deutschen Wortbildungsregeln darauf bestehen, dass es des Zeichnenlehrens sein sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 mittelhochdeutsch rechenen, zeichenen; althochdeutsch: rehhanōn, zeihhanen

Nass-in-nass-Technik oder Nass-in-Nass-Technik?

Frage

Wieder mal eine Frage zur Groß-/Kleinschreibung: Die Anstriche werden nass in nass aufgebracht. 
Ich denke, dass nass beide Male richtig geschrieben ist, also klein. Stimmen Sie mir zu?

Antwort

Guten Tag Herr A.,

auch ich würde hier kleinschreiben:

Die Anstriche werden nass in nass aufgebracht

Dies in Analogie zu den Beispielen schwarz auf weiß, grau in grau u. a. m. in § 58(3.1) der amtlichen Rechtschreibregelung. Diese Regel sagt, dass „bestimmte feste Verbindungen aus Präposition und nichtdekliniertem Adjektiv ohne vorangehenden Artikel“ kleingeschrieben werden.

Formal entspricht nass in nass dieser Definition. Dass es sich auch um eine feste Verbindung handelt, zeigt sich für mich nur schon hierdurch: Ich musste den mir vorher unbekannten Begriff zuerst nachschlagen, um sicher zu sein, dass ich ihn auch wirklich richtig verstehe: eine neue Farbschicht anbringen, bevor die vorherige ganz trocken ist. Ich halte es deshalb für richtig, die Wendung nass in nass kleinzuschreiben.

Mit Ölfarbe kann auch nass in nass gearbeitet werden.
Die mehrfarbigen Ausdrucke werden nass in nass gedruckt.

Hier gerate ich allerdings indirekt in Widerspruch mit einer Angabe im Duden Rechtschreibwörterbuch. Dort gibt es den Eintrag Nass-in-Nass-Druck mit dem Hinweis auf die Regel, dass Zusammensetzungen mit Aneinanderreihungen mit Bindestrichen geschrieben werden. Damit bin ich einverstanden, aber nicht mit der Großschreibung des zweiten Nass.

Wenn man schreibt, dass nass in nass gedruckt wird, muss es auch Nass-in-nass-Druck sein. Nicht-Substantive werden in Zusammensetzungen mit Bindestrich nur am Wortanfang großgeschrieben, sonst klein. So findet man im Online-Duden auch den Eintrag Grau-in-grau-Malerei, also Malerei die grau in grau ausgeführt wird. Oder umgekehrt: Wenn man Nass-in-Nass-Druck schreibt, müsste es auch groß Nass in Nass drucken sein. Letzteres widerspricht aber, wie oben gesagt, der Kleinschreibung nass in nass, die § 58(3.1) verlangt.

Bezichtige ich hiermit den Duden eines Fehlers? So weit würde ich nicht gehen. Die Schreibungen Nass-in-Nass-Technik, Nass-in-Nass-Malerei oder Nass-in-Nass-Druck kommen sehr, sehr häufig in der Fachsprache vor; so häufig, dass man sie als dort gebräuchlich und richtig anschauen muss.

Ich komme deshalb zum kompromissvollen Schluss, dass man zwar nur nass in nass arbeiten schreiben sollte, dass aber neben der „eigentlich“ richtigen Schreibung Nass-in-nass-Technik auch das fachsprachlich übliche Nass-in-Nass-Technik als korrekt angesehen werden kann.

Anhand von nass in nass kann man schwarz auf weiß sehen, dass es auch in der Rechtschreibung nicht immer ganz klar ist, sondern auch einmal eher grau in grau sein kann.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Bopp

Wie viele Großbuchstaben haben „schleswig-holsteinisch“ und „blau-weiß-rot“ am Satzanfang?

Frage

Wie schreibt man mehrteilige Adjektive mit Bindestrich am Satzanfang: den ersten Teil groß und den zweiten klein? Meine konkrete Frage ist, was für den folgenden Satzanfang korrekt ist:

Schleswig-holsteinische Berühmtheiten sind u. a. …
Schleswig-Holsteinische Berühmtheiten sind u. a. …

Antwort

Guten Tag Herr O.,

bei Adjektivzusammensetzungen mit Bindestrich schreibt man am Satzanfang nur den ersten Buchstaben groß:

Schleswig-holsteinische Berühmtheiten sind u. a. …
Baden-württembergische Weine sind weit über die Region hinaus bekannt.
Deutsch-französische Reibereien, ein Problem für die EU?

Mathematisch-naturwissenschaftliche Studiengänge werden immer beliebter.
Manisch-depressive Menschen haben extreme Stimmungsschwankungen.
Blau-weiß-rote Flaggen flattern im Wind.

Nur wenn Adjektive dieser Art Teil eines Namens sind, wird auch der Worteil nach dem Bindestrich mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben:

die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (SHLB)
die Baden-Württembergische Bank (BW-Bank)
das Städtische Mathematisch-Naturwissenschaftliche Gymnasium Mönchengladbach

Im Satzinnern bleibt sonst auch bei geografischen Adjektiven dieser Art alles klein:

die schleswig-holsteinischen Berühmtheiten
viele baden-württembergische Weine
problematische deutsch-französische Reibereien

Schleswig-holsteinische Berühmtheiten haben also am Satzanfang ein großes S und ein kleines h und im Satzinnern ein kleines s und ein kleines h.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Netto-Null-Emissionen, Netto-null-Emissionen, Nettonullemissionen

Frage

Wieder einmal plagt mich die Groß-/Kleinschreibung. Es geht um das Wort „Null/null“: „Netto-Null-Emissionen“ oder „Netto-null-Emissionen“? Ich meine, die zweite Variante ist richtig, sie sieht aber so ungewohnt aus.

Antwort

Guten Tag Herr A.,

wie man nach den Regeln am besten schreibt und und wie üblicherweise geschrieben wird, ist nicht immer dasselbe. Wie in diesem Fall geschrieben werden sollte, hängt davon ab, wie man die Struktur der Zusammensetzung interpretiert. Man kann die drei Teile der Verbindung in unterschiedlicher Weise miteinander in Verbindung bringen:

Wenn gesagt wird, dass die Emissionen netto berechnet null sind, schreibt man:

Netto-null-Emissionen

Wenn gemeint ist, dass die Null-Emissionen (besser: Nullemissionen) netto berechnet werden, ist es:

Netto-Null-Emissionen (o. Netto-Nullemissionen)

Beide Interpretationen sind für Nichtfachleute (und Fachleute?) vertretbar. In beiden Fällen kann auch ohne Bindestriche geschrieben werden. Das ist übrigens mein persönlicher Favorit:

Nettonullemissionen

Mit der Zusammenschreibung Nettonullemissionen umgeht man die verzwickte Frage, welche der beiden Bindestrichschreibungen besser zutrifft, aber diese Schreibweise ist ziemlich ungebräuchlich. Am häufigsten trifft man Netto-Null-Emissionen an. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass Netto-Null sich verselbstständigt hat und als eine Art Fachwort ganz ohne weiteren Zusatz auskommt:

Umstellung auf Netto-Null
Das Ziel ist Netto-Null.

Auch hier zeigt sich der Unterschied zwischen dem, was nach den Regeln am besten wäre, und dem, was üblich ist. Nach der Rechtschreibregelung schreibt man nämlich:

Umstellung auf netto null
Das Ziel ist netto null.

Erst wenn man den Begriff zu einem eigenständigen substantivischen Fachbegriff macht, ist die Schreibung Netto-Null vertretbar.

Zusammenfassend:

Sicher richtig ist:

Nettonullemissionen
netto null

Gut vertretbar finde ich:

Netto-null-Emissionen

Mit etwas gutem Willen sind auch die am häufigsten vorkommenden Schreibungen mit den Rechtschreibregeln vereinbar:

Netto-Null-Emissionen
Netto-Null

Nach den Rechtschreibregeln gar nicht zu empfehlen sind Lösungen wie NettoNullEmissionen, denen man auch hin und wieder begegnet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Groß oder klein: eine Stunde Parken/parken?

Frage

Ist die Schreibung im folgenden Satz korrekt?

Marienplatztiefgarage: eine Stunde kostenlos parken bis Ende Januar.

Im Dudenband „Sprachliche Zweifelsfälle“ unter Lemma „Kongruenz“ 1.2.2 finde ich diese beiden Beispiele, in denen das Verb jeweils als Substantiv behandelt wird:

Drei Monate Schuften hat / haben sich gelohnt.
Zwei Stunden Warten war / waren umsonst.

Für eine Erklärung wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Antwort

Guten Tag Herr B.,

die Schreibung ist korrekt:

eine Stunde kostenlos parken bis Ende Januar

Das adverbial verwendete endungslose kostenlos gibt an, dass es sich um den verbalen Infinitiv parken handelt. Großschreiben würde man, wenn kostenlos gebeugt wird. Es ist dann ein attributives Adjektiv, das bei einem Substantiv steht:

eine Stunde kostenloses Parken bis Ende Januar

Wenn Zweifel darüber entstehen kann, ob ein Infinitiv als Verbform klein- oder als Substantivierung großgeschrieben werden sollte, wird häufig die „Artikelprobe“ angeführt: Man schreibt groß, wenn man den Artikel das davorsetzen kann. Diese Faustregel ist zwar korrekt, aber sie schließt diesen sowie andere Fälle nicht ein, in denen auch kleingeschrieben werden kann. Hier ein Beispiel aus der Rechtschreibreglung (§ 57 E3), bei dem der Infinitiv groß- oder kleingeschrieben werden kann:

Doch geht Probieren/probieren über Studieren/studieren.

Wenn man nur die Artikelprobe gelten ließe, wäre hier nur die Großschreibung möglich:

Doch geht [das] Probieren über [das] Studieren.

Nach der Rechtschreibregelung ist aber zu Recht auch die Kleinschreibung möglich. In solchen Fällen finde ist es meist einfacher, zur Probe statt des Artikels ein einigermaßen passendes Adjektiv zu ergänzen.

  • Wenn das ergänzte Adjektiv gebeugt ist, wird der Infinitiv großgeschrieben.
  • Wenn das ergänzte Adjektiv ungebeugt ist, wird der Infinitiv kleingeschrieben.
  • Wenn beides möglich ist, kann der Infinitiv groß- oder kleingeschrieben werden.

Also:

Doch geht [schnelles] Probieren über [langes] Studieren.
Doch geht [schnell] probieren über [lang] studieren.

eine Stunde [kostenloses] Parken bis Januar
eine Stunde [kostenlos] parken bis Januar

Auch bei den Beispielen aus dem Duden kann nach meinem Ermessen nicht nur groß-, sondern auch kleingeschrieben werden:

Drei Monate [hartes] Schuften hat/haben sich gelohnt.
(= Drei Monate des [harten] Schuftens haben sich gelohnt.)
Drei Monate [hart] schuften hat sich gelohnt.
(= Drei Monate [hart] zu schuften hat sich gelohnt.)

Zwei Stunden [geduldiges] Warten war/waren umsonst.
(= Zwei Stunden des [geduldigen] Wartens waren umsonst.)
Zwei Stunden [geduldig] warten war umsonst.
(= Zwei Stunden [geduldig] zu warten war umsonst.)

Wenn man einmal zweifelt, ob ein Infinitiv groß- oder kleingeschrieben werden sollte, kann man am besten ein deklinierbares Adjektiv ergänzen. Bleibt das Adjektiv ungebeugt, gehört es adverbial zu einer kleingeschriebenen Verbform. Wird das Adjektiv gebeugt, gehört es attributiv zu einer großgeschriebenen Substantivierung. So einfach kann richtig schreiben / richtiges Schreiben sein.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Wenn man vor das ungebeugte Adjektiv einen Artikel setzt (was stilistisch meist nicht allzu schön ist), muss wieder großgeschrieben werden. Dann ist nämlich die ganze Adjektiv-Substantiv-Gruppe substantiviert:

So einfach kann richtiges Schreiben sein.
So einfach kann richtig schreiben sein.
So einfach kann das Richtigschreiben sein.

eine Stunde kostenloses Parken
eine Stunde kostenlos parken
das Eine-Stunde-kostenlos-Parken

Das S und das s – Die Schreibung von Einzelbuchstaben

Frage

Die Sprachberatung konnte mir keine schlüssige Antwort auf meine Fragen geben, deshalb wende ich mich an Sie. Frage: Warum werden folgende Wörter so geschrieben?

  • Fugen-s und nicht Fugen-S (Groß- bzw. Kleinschreibung)
  • scharfes s und nicht scharfes S oder scharfes ß

Antwort

Guten Tag Herr S.,

als Substantive verwendete Einzelbuchstaben werden in der Regel großgeschrieben:

Bei Allergien ist Sauberkeit im Haushalt das A und O.
Wir nehmen alles noch einmal von A bis Z durch.
Sie wollen uns ein X für ein U vormachen.
das Restaurant mit dem gelben M

Wenn der Buchstabe in seiner geschriebenen Form gemeint ist, wird er groß- oder kleingeschrieben, je nachdem ob der Groß- oder der Kleinbuchstabe gemeint ist:

der Großbuchstabe S
der Kleinbuchstabe s
„Sommer“ wird mit [einem] S geschrieben.
„Messer“ wird mit zwei s geschrieben.
„Vase“ mit V und „Fass“ mit F
„viel“ mit v und „fiel“ mit f
das Pünktchen auf dem i
der i-Punkt

Das gilt auch in Fällen wie den folgenden. Der genannte Buchstabe steht jeweils im Wortinnern oder am Wortende und wird entsprechend kleingeschrieben:

das Dehnungs-h
der s-Genitiv
das Genitiv-s
das Fugen-s

Wie in allen Zusammensetzungen mit einem Einzelbuchstaben oder einer Ziffer wird ein Bindestrich gesetzt.

Dann noch ein Sonderfall: Wenn Laute mit Hilfe von Buchstaben beschrieben werden, wird häufig, aber nach meiner Einschätzung nicht zwingend kleingeschrieben:

der s-Laut (so in der amtl. Rechtschreibregelung)
das stimmhafte s / das stimmhafte S
das stimmlose s / das stimmlose S

Im Begriff das scharfe s wird häufig kleingeschrieben, weil bis vor Kurzem nur der Kleinbuchstabe ß gemeint sein konnte. Die Großschreibung das scharfe S ist aber auch  vertretbar:

das scharfe s / das scharfe S

„Offizieller“ heißt es übrigens das Eszett oder der Buchstabe ß.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp