Tessinerbrot

Dank einer Besprechung durfte ich wieder einmal in die Südschweiz, genauer gesagt ins Tessin fahren. So gelangten wir entlang des regnerischen Vierwaldstätter Sees, durch ein neblig graues Urner Tal und durch den Gotthardtunnel, ein 17 km langes Loch in den Schweizer Alpen, in die sonnige Tessiner Bergwelt.

Sie vermuten richtig, wenn Sie annehmen, dass ich hier keinen Reisebericht erstatten möchte. Es geht mir um die unveränderlichen geografischen Adjektive auf –er wie Vierwaldstätter, Urner, Schweizer und Tessiner. Gemäß den Rechtschreibregeln werden geografische Ableitungen auf -er in Verbindung mit einem Nomen getrennt vom Nomen geschrieben, außer wenn das Wort auf –er eine Personenbezeichnung ist.

Siehe Rechtschreibregel.

Mit dieser Regel hatte ich immer so meine Mühe. Sie ist einfach, aber gewisse Ausnahmen, denen man vor allem in der Schweiz begegnet, erklärt sie nicht. So schreibt man in der Schweiz den Vierwaldstätter See in einem Wort: Vierwaldstättersee. Das Gleiche und Ähnliches gilt auch für den Genfer See, den Neuenburger See und die Basler Straße, die von den deutschsprachigen Eidgenossen in der Regel als Genfersee, Neuenburgersee und Baslerstrasse geschrieben werden. So weit so gut, aber wenn mir dann im Tessin plötzlich in den Sinn kommt, dass man nördlich der Alpen Tessinerbrot (eine spezielle Brotsorte) und Bündnerfleisch kaufen kann, dann wird die Erklärung mit der Personenbezeichnung schlichtweg unhaltbar oder sogar kannibalisch.

Oder man sagt einfach, dass die Schweizer ein bisschen sonderbar schreiben. Wenn man aber eine andere Regel anwendet, sind sowohl die standardsprachlichen Zusammenschreibungen wie Schweizergarde und Römerbrief (die Schweizer und Römer sind hier Personen) als auch die Abweichungen in der Schweiz zu erklären. Die Regel lautet: Liegt bei neutraler Aussprache die Hauptbetonung auf dem Wort auf –er, schreibt man zusammen. Sonst schreibt man getrennt.

Zusammen:
die Schweizergarde, der Römerbrief

Gertrennt:
die Schweizer Alpen, die Römer U-Bahn

Und dann die Schweiz: Die Abweichung erklärt sich dadurch, dass Deutschschweizer in den genannte Fällen das erste Wort betonen:

Genfersee, Neuenburgersee, Baslerstrasse, Tessinerbrot, Bündnerfleisch.
(Standardaussprache: Genfer See, Neuenburger See, Basler Straße, ?)

Das tun die Schweizer aber nicht in allen Fällen, und dann schreibt man auch in der Schweiz getrennt:

Berner Oberland, ein Urner Tal, die Tessiner Bergwelt, Basler Leckerli, Zürcher Hüppen (die letzen zwei sind süß und lecker!)

Ich möchte jetzt nicht die Rechtschreibregeln neu schreiben. Sie sind nun einmal so, wie sie sind. Die Betonungsregel soll nur eine kleine Eselsbrücke sein für diejenigen – vor allem Schweizer und Schweizerinnen –, die in diesem Bereich mit der amtlichen Regel und den Schweizer Ausnahmen nicht so gut zurechtkommen.

Unbekannte Wörter

Wieder einmal etwas in eigener Sache: Treuen Canoonet-Benutzern und -Benutzerinnen ist es bestimmt schon passiert, dass ein Wort, das sie suchten, nicht in unseren Wörterbüchern enthalten war. Das ist selbst bei über 250 000 Einträgen nicht weiter verwunderlich, denn die Anzahl der deutschen Wörter ist ja unendlich. Dabei geht es nicht nur um die große Zahl von fachspezifischen Wörtern, sondern vielmehr darum, dass immer wieder neue Wörter gebildet werden. Dies geschieht in verschiedener Weise. Unter anderem:

  • durch Neuformung aufgrund von Abkürzungen, Namen, Produkten usw.
    Zum Beispiel: simsen, googeln
  • durch Übernahme aus anderen Sprachen
    Zum Beispiel: Blog, Messie
  • durch Ableitung und Wortzusammensetzung
    Zum Beispiel: Islamdebatte, Suchbarkeit, Gammelfleischskandal

Die meisten neuen Wörter werden durch Ableitung und Wortzusammensetzung gebildet.

Obwohl wir unsere Wörterbücher laufend erweitern, können wir natürlich nie alle neuen Wörter, die es täglich gibt, erfassen und aufnehmen. Vielen von ihnen ist auch gar kein langes Leben beschieden. Bei Neuformungen und neuen Lehnwörtern müssen wir leider schlichtweg passen. Dann sehen Sie einfach den Satz Keine Einträge gefunden für „…“ Bei den gängigsten Ableitungsarten und bei Zusammensetzungen geben wir uns aber nicht so schnell geschlagen. Dann kommt uns ein Programm zu Hilfe, das wir auf gut Denglisch den Unknown Word Analyzer nennen.

Wenn ein Wort nicht in unseren Wörterbüchern vorkommt, versucht dieses Programm das eingegebene Wort in bestehende Wörter und ggf. Vor- und Nachsilben zu zerlegen sowie die Wortklasse des neuen Wortes zu bestimmen. Zum Beispiel (Klicken Sie auf das Wort, um die Wortanalysen zu sehen):

Islamdebatte
Suchbarkeit
Gammelfleischskandal

Auch deklinierte und konjugierte Formen werden erkannt:

Islamdebatten
Dammbalkenverschlüsse
Beamtenversicherungskassen
hinaufrollst
begreifbarste

Damit nicht allzu viele unsinnige Resultate angezeigt werden, ist die Analyse je nach Wortbildungsart auf zwei bis drei Elemente beschränkt. Die berühmte Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänsmütze erkennt der Analysator also nicht (den Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän allerdings schon :-)). Er kann auch keine stilistischen Korrekturen vornehmen und analysiert deshalb brav begreifbarste, obwohl am besten begreiflich bestimmt besser wäre. Auch Reagierung wird analysiert, obwohl wahrscheinlich Reaktion gemeint ist.

Da ein solches Analyseprogramm die Wörter nicht versteht, sind die Analyseresultate nur als Vorschläge zu sehen. So kann es manchmal zu recht unerwarteten Resultaten kommen: So werden Mittagsteller nicht nur als Teller zum Mittag sonder auch als Steller des Mittags analysiert. Auch die Schikaneurin wird nicht nur als weibliche Form des Schikaneurs interpretiert (gab es früher so wenig schikanierende Frauen, dass dieses Wort in vielen Wörtebüchern nicht vorkommt?), sondern zur Freude der Liebhaber von Junggymnasiastenhumor eben auch als – sehen Sie selbst: Schikaneurin.

Manchmal braucht es eben mehr als nur Kenntnis von Wortformen und Wortbildungsregeln, aber die Analysen sind sehr oft korrekt. Wir halten deshalb unseren Unknown Word Analyzer für ein gutes Hilfsmittel für die Erkennung „unbekannter“ Wörter, auch wenn er hin und wieder kein Resultat oder mehr als nur das gewünschte Resultat anzeigt.

Sabotage

Heute morgen hörte ich, wie jemand seinen Mitarbeiter der Sabotage bezichtigte. Woher stammt dieses Wort eigentlich?

Die Wörter sabotieren und Sabotage stammen aus dem Französischen. Das hätten Sie bestimmt auch ohne meine Hilfe gewusst oder erraten. Das Verb saboter bedeutet(e) unter anderem mit Holzschuhen (sabots) bearbeiten und im übertragenen Sinne eine Arbeit schlecht machen, hinschludern. So weit gehen die Angaben im Duden. Man kann sich vorstellen, dass über einige Bedeutungserweiterungen und –verschiebungen der Sinn entstanden ist, den wir aus dem Französischen übernommen haben: absichtlich die Leistung oder die Funktion einer Einrichtung u. Ä. stören. Es gibt aber schönere Erklärungen:

Der Holzschuh (sabot) war das Symbol der französischen anarchistischen Arbeiterbewegung des neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts. Der Sabot soll zum Symbol geworden sein, weil die Arbeiter zur Zeit der industriellen Revolution ihre Holzschuhe in die Maschinen warfen, um sie zu beschädigen, sodass nicht weitergearbeitet werden konnte. Dies taten sie aus Protest im Kampf gegen die Patrons oder vielleicht auch nur, um sich Zeit für eine Pause zu verschaffen. Man sabotierte also in dieser Weise die Maschinen der Patrons.

Eine andere Erklärung ist die folgende: Das Symbol Sabot bezog sich auf den Holz- oder Metallkeil, der beim Rangieren zum Bremsen unter die Räder der Eisenbahnwaggons geschoben wurde. Diesen Beruf übten die enrayeurs (Bremser) aus, die auch saboteurs genannt wurden.

Welche der drei Varianten die richtige ist, konnte ich leider nicht herausfinden. Die Sabotage scheint jedenfalls entfernt etwas mit Holzschuhen zu tun zu haben. Es ist an Ihnen, die Variante zu wählen, die Sie für die wahrscheinlichste halten. Mir gefällt die zweite am besten, weil sie so schön anschaulich ist. Aber gerade Anschaulichkeit ist leider oft ein Hinweis auf Volksetymologie und phantasievolles Interpretieren.

nochmal

Frage

Ich habe nochmal in Ihre Suchmaske eingegeben und zur Antwort bekommen: „Keine Einträge gefunden“. Das wundert mich ein wenig. Mögen Sie mir erklären, warum nochmal bei Ihnen nicht verzeichnet ist?

Antwort

Sehr geehrte Frau B.,

das Wort nochmal steht zurzeit nicht in unserem Wörterbuch, weil nach unseren Quellen nochmal und noch mal als umgangssprachlich gelten. Standardsprachlich verwendet man nochmals oder noch einmal.

umgangssprachlich: etwas nochmal tun oder etwas noch mal tun
standardsprachlich: etwas nochmals tun oder etwas noch einmal tun

Ihre Frage hat uns aber auf ein Wort aufmerksam gemacht, dass das sehr, sehr häufig vorkommt; so häufig, dass wir nicht sicher sind, ob es nicht mittlerweile auch als standardsprachlich üblich gelten muss. Wir werden die Aufnahme des Wortes nochmal bei Gelegenheit nochmals prüfen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

unser beider Hund

Heute wieder einmal eine etwas spezialistischere Frage: Es geht um eine nicht mehr allzu häufig benutzte, aber deswegen nicht weniger schöne Ausdrucksweise mit dem Genitiv.

Frage
Als Kenner der alten Sprachen hat sich mir neulich ein Problem bei einer lebenden aufgetan. Es handelt sich um ein Problem aus meiner Muttersprache: Der Satz Unser beider Hund läuft schnell ist zwar nicht ganz alltäglich, aber erscheint doch den meisten als grammatikalisch korrekt.

Meine Frage dazu: Kann man die Kombination unser beider (respektive auch euer beider, unser aller etc. pp.) beugen? Im Deutschen habe ich beispielsweise mit dem Satz Ich liebe unser beider Hund ein Problem. Auch Ich liebe unseren beider Hund erscheint mir fremd. Ebenso Unsere beider Schlange … oder Unser beider Schlange …

Antwort
Sehr geehrter Herr H.,

Wortgruppen wie unser beider, unser aller usw. lassen sich beugen, aber nicht in dem Sinne, wie sie wahrscheinlich meinen. Es handelt sich um die Kombination eines Personalpronomens mit alle resp. beide. Solche Wortgruppen werden in folgender Weise gebeugt:

Nom: wir alle, wir beide
Akk: uns alle, uns beide
Dat: uns allen, uns beiden
Gen: unser aller, unser beider

In Ihrem Beispielsatz ist unser beider ein Genitivattribut, das das Nomen Hund bestimmt:

Wessen Hund? – unser beider Hund.

Im Normalfall werden Besitzverhältnisse im weiteren Sinne nicht durch Personalpronomen, sondern durch Possessivpronomen ausgedrückt:

Wessen Hund? – unser Hund.
Wessen Hund? – euer Hund.
Wessen Hund? – ihr Hund.

Nur in Verbindung mit aller und beider kommen die Genitivformen des Personalpronomens noch mit dieser Funktion vor:

Wessen Hund? – unser aller Hund.
Wessen Hund? – euer beider Hund.
Wessen Hund? – ihrer aller Hund.

Sie bemerken, dass in diesen Beispielen die Form des Personalpronomens sich nur in der dritten Person Plural von der Form des Possessivpronomens unterscheidet: ihr vs ihrer. Anders sieht es in einem anderen Kasus oder bei einem weiblichen Bezugswort aus.

Ohne wen oder was können wir nicht mehr leben?
– ohne unseren Freund, das Handy
– ohne unser aller Freund, das Handy

Wessen Unterstützung bieten wir an?
unsere Unterstützung.
unser beider Unterstützung.

Wie es für alle Genitivattribute gilt, verändern sich auch die Genitivattribute dieser Art nicht, wenn die Nomengruppe dekliniert wird:

Nom: Unser aller Interesse ist das faire Miteinander.
Akk: Es geht mir um unser aller Interesse.
Dat: Es ist in unser aller Interesse.
Gen: die Wahrung unser aller Interesses

Sie sehen also, dass unser beider Schlange und Ich liebe unser beider Hund korrekt formuliert sind. Es klingt wohl deshalb ziemlich fremd in den Ohren, weil unser beider, euer aller usw. zum gehobenen und literarischen Sprachgebrauch gehören, während die genannten Beispiele eher aus dem alltäglichen Sprachgebrauch stammen.

Falsch hingegen sind Ich liebe unseren beider Hund und unsere beider Schlange.

Möge diese schöne Ausdrucksweise noch lange unser aller die deutsche Sprache liebendes Auge erfreuen!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

in Urlaub sein / im Urlaub sein?

Eine der klassischsten Sommerfragen zur deutschen Sprache ist die folgende Frage eines Canoonet-Nutzers:

Ich beschäftige mich mit der Frage, wie folgender Satz richtig heißt:

Da Sie sich im Urlaub befanden …
Da Sie sich in Urlaub befanden …

Oder ist beides möglich? Welche Regel gibt es hier?

Antwort

Es gibt hier keine Grammatikregel, sondern der allgemeine Gebrauch bestimmt, was richtig und akzeptiert ist. Man kann sowohl im Urlaub sein als auch in Urlaub sein sagen. Beide Varianten werden verwendet und gelten als standardsprachlich richtig.

Das hat wohl damit zu tun, dass Urlaub sowohl ohne Artikel als auch mit Artikel verwendet werden kann:

Ohne Artikel:

Urlaub haben
Urlaub nehmen
Urlaub machen
Urlaub nötig haben

Mit Artikel(wort):

den Urlaub im Ausland verbringen
der diesjährige Urlaub
unser Urlaub am Meer
die große Liebe im Urlaub kennen lernen

Ohne Artikelwort ist Urlaub im Allgemeinen abstrakter als mit Artikelwort. Dieser Unterschied ist aber bei in/im Urlaub sein kaum merkbar.

Für mich unerklärlich ist dann aber, warum das Gleiche nicht auch für Ferien gilt:

Ferien haben
Ferien nehmen
Ferien machen
Ferien nötig haben

Und trotzdem kann man nur in den Ferien sein sagen. Die Variante ohne Artikel ist nicht korrekt. Es kann nicht ausschließlich am Plural liegen, denn man kann ganz gut ohne Artikel in Nöten sein oder von Sinnen sein. Vielleicht komme ich Anfang September irgendwie auf die Lösung dieses Rätsels. Dann bin ich nämlich ein paar Tage im oder in Urlaub. Und wenn Sie die Antwort auf diese Frage kennen, lassen Sie mich bitte nicht weiter im Ungewissen.

Dr. Bopp

wegen unsportlichem Verhalten: wegen mit dem Dativ?

Frage von Herrn C. aus der Schweiz

Ich habe einen Disput mit dem Kunden. Was ist richtig:

Ein Fahrer wird wegen unsportlichen Verhaltens … oder wegen unsportlichem Verhalten …

Antwort

Sehr geehrter Herr C.,

ich hoffe, dass der Disput mit dem Kunden nicht allzu heftig war, denn ich finde beide Varianten richtig.

Im Prinzip steht wegen mit dem Genitiv. Also wegen unsportlichen Verhaltens. Aber vor allem im südlichen deutschen Sprachraum ist auch der Dativ allgemein üblich: wegen unsportlichem Verhalten.

Strengere Grammatiker sagen, dass der Dativ nur in der Umgangssprache verwendet werden kann und dass nur der Genitiv in der Standardsprache korrekt ist. Ich bin da milder und finde, dass in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz der Dativ so gebräuchlich ist, dass er zumindest dort auch in der Standardsprache verwendet werden kann, ohne dass dies ein Fehler ist. Siehe auch unsere Grammatikseite zu wegen. Wenn Sie allerdings ganz sicher sein wollen, dass wirklich niemand Sie eines Fehlers bezichtigen wird, verwenden Sie den Genitiv.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

hat geendet/ist geendet

Frage

Wir diskutieren gerade, ob man sagt Die Frist ist gestern geendet oder Die Frist hat gestern geendet.

Antwort

Sehr geehrter Herr K.,

das Verb enden wird in den meisten Fällen mit haben konjugiert. Also:

Die Frist hat gestern geendet.

Auch was für viele leider bald ziemlich aktuell ist, formuliert man mit dem Hilfsverb haben:

Die Ferien haben geendet.

Aus irgendeinem Grund verwendet man hier aber eher Formulierungen mit sein:

Die Ferien sind zu Ende.
Die Ferien sind zu Ende gegangen.
Die Ferien sind vorbei.

Vielleicht stammt daher die Unsicherheit über die Wahl des Hilfsverbs bei enden. Richtig ist aber – wenn man das Verb überhaupt in der Vorvergangenheit verwendet – meistens haben. Dies gilt nicht nur für Fristen und Ferien, sondern für fast alles, das enden kann: ein Vortrag (um 21.30 Uhr), eine Streiterei (in einer Prügelei), ein Freiluftkonzert (wenn man Pech hat im strömenden Regen), ein Film (mit einem Happy End), ein Rendezvous (wenn man Happy Ends mag mit einem Kuss im strömenden Regen), strömender Regen (je nachdem zu früh, zu spät oder gerade rechtzeitig), der Deutsche Aktienindex DAX (zurzeit meist im Minus), Buslinien (am Stadtrand), Wege (am Waldrand), Röcke (kurz über oder unter dem Knie) und so weiter. All diese Verwendungen von enden verlangen im Perfekt das Hilfsverb haben.

Weshalb dann aber die Angabe in LEO, dass enden auch mit sein stehen kann? Das Hilfsverb sein kann dann verwendet werden, wenn es um nichts weniger als das Leben geht, das endet. Dann nämlich sind beide Hilfsverben erlaubt:

Sie hat/ist kläglich geendet.
Er hat/ist in der Gosse geendet.
Sie hat/ist im Zuchthaus geendet.
Er hat/ist durch Selbstmord geendet.
Sie hat/ist als Hexe auf dem Scheiterhaufen geendet.

Und mit diesen nicht gerade fröhlichen Beispielen endet auch dieser Beitrag.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

jemanden treffen/sich mit jemandem treffen

Frage

Wo liegt der Bedeutungsunterschied bei den folgenden Sätzen?

Ich treffe Dich in der Stadt.
Ich treffe mich mit Dir in der Stadt.

Oder ist dies wirklich nur ein grammatikalischer Unterschied?

Antwort

Sehr geehrte Frau J.,

Ihre beiden Beispielsätze können je nach Zusammenhang die gleiche oder eine unterschiedliche Bedeutung haben. Es hängt davon ab, wie zufällig das Treffen ist.

Der Ausdruck jemanden treffen kann hier zwei Bedeutungen haben, nämlich

jemandem zufällig begegnen
mit jemandem aufgrund einer Verabredung zusammenkommen

Der Ausdruck sich mit jemandem treffen hat nur die zweite Bedeutung.

Am besten zeigt sich das in der Vergangenheit:

a) Ich habe ihn in der Stadt getroffen
= Ich habe ihn wie verabredet in der Stadt getroffen.
= Ich habe ihn zufällig in der Stadt getroffen.

b) Ich habe mich mit ihm in der Stadt getroffen
= Ich habe mich wie verabredet mit ihm in der Stadt getroffen.
Nicht: Ich habe mich zufällig mit ihm in der Stadt getroffen.

Wenn das Treffen im Beispielsatz a) verabredet ist, ist er gleichbedeutend mit dem Beispielsatz b). Ist das Treffen im Satz a) zufällig, hat er eine andere Bedeutung als der Satz b), in dem das Treffen nur verabredet sein kann.

Wenn man seinem Schatz eine Affäre verheimlichen will, ist also von der Verwendung des Ausdrucks sich mit jemandem treffen dringendst abzuraten. Aber auch den Ausdruck jemanden treffen ergänzt man dann vorsichtshalber am besten mit einer Angabe wie zufällig.

Die Sauregurkenzeit

Sie ist zwar schon bald wieder vorbei, aber auch bei den E-Mails zu Grammatik- und Rechtschreibfragen ist sie deutlich zu spüren: die Sauregurkenzeit. Es ist ja auch gut zu verstehen, dass viele in Ferienzeiten die (deutsche) Sprache vor allem für das Bestellen von Eis, kühlen Getränken, Tapas und was es sonst noch alles an den Sommer Erfrischendem und Versüßendem gibt. Auch wenn der Sommer dieses Jahr nicht ganz immer und nicht ganz überall so richtig mitspielen will: Ferien sind Ferien und Urlaub ist Urlaub. Wer mag sich dann schon den Kopf über komplizierten Mehrzahlformen und Kommaregeln zerbrechen?

Der Name Sauregurkenzeit stammt (zumindest nach meinen Quellen) aus der Zeit, als Gemüse und Früchte noch ganz ohne die Hilfe von Gewächshäusern auskommen mussten. Die Gurken wurden deshalb vor allem Mitten im Sommer geerntet und zur besseren Haltbarkeit in Essig eingelegt. Sonst war im Handel offenbar in dieser Zeit des Jahres auch früher schon nicht mehr viel los, so dass diese ruhige und ereignislose Periode Sauregurkenzeit genannt wurde. Im Niederländischen gibt es einen ähnlichen Ausdruck: komkommertijd. Das heißt so viel wie Gurkenzeit. Sogar in Holland wurden also die Gurken früher hauptsächlich im Sommer geerntet. Im Norwegischen soll es auch einen Ausdruck mit Gurken für diese Zeit geben, aber leider konnte ich ihn nicht finden.

Da ich es aus „berufsdeformatorischen“ Gründen doch nicht ganz lassen kann: Die Sauregurkenzeit darf auch mit Bindestrichen geschrieben werden: Saure-Gurken-Zeit. Das ist wohl so, weil sie sowohl als feststehender Ausdruck (zusammen) als auch als Zusammensetzung mit einer Wortgruppe (mit Bindestrich) interpretiert werden kann. Und auch bei der Beugung hat sie eine Besonderheit in petto: das Adjektiv darf mitgebeugt werden. Man kann in der Saure-Gurken-Zeit oder in der Sauren-Gurken-Zeit sagen. Das Gleiche gilt für das Ende der Saure-Gurken-Zeit und das Ende der Sauren-Gurken-Zeit. Bei der Schreibung ohne Bindestrich der Formen mit gebeugtem Adjektiv wird es dann irgendwie so kompliziert, dass die verschiedenen Wörterbücher zu unterschiedlichen Resultaten kommen. In diesem Fall würde ich einfach auf das Sommerloch ausweichen. Das bedeutet ungefähr das Gleiche und der Ausdruck ist eigentlich fast genauso schön.