„Das rührt daher, dass“ – oder
„Das rührt davon her, dass“?

Frage

Heute habe ich eine Frage zum Verb „herrühren“ bzw. zum Adverb „davon“ mit dem Verbzusatz „her“. Wie muss es richtig heißen:

a) Das rührt daher, dass der Kanzler sich in Schweigen hüllt.
b) Das rührt davon her, dass der Kanzler sich in Schweigen hüllt.

Ich bin mir einigermaßen sicher, dass a) falsch ist. Das Verb heißt ja nicht „daherrühren“ oder „rühren“ (Letzteres gibt es zwar, bedeutet aber etwas anderes). Trotzdem ist dies wohl die gängigste Schreibweise. […]

Antwort

Guten Tag Herr K.,

die Wendung lautet tatsächlich von etwas herrühren (seine Ursache in etwas haben):

Der üble Geruch rührte von verdorbenen Lebensmitteln her.
Diese Verletzungen können nicht von einem Sturz herrühren.

Es müsste entsprechend auch heißen:

Wovon rührte der üble Geruch her?
Diese Verletzungen rühren nicht davon her, dass das Kind gestürzt ist.

Und bei der Formulierung in Ihrer Frage:

Das rührt davon her, dass der Kanzler sich in schweigen hüllt.

Das ist zwar korrekt, aber so wird dennoch verhälnismäßig selten formuliert. Warum?

Das einfache Verb rühren hat nicht immer eine andere Bedeutung. In der gehobenen Sprache kann es ebenfalls seine Ursache haben bedeuten:

Ihre Beschwerden rühren von einer Erkältung.
Die Aufregung rührt von einem Missverständnis.

Dieses einfache rühren klingt nicht mehr so gehoben, wenn Fragen formuliert oder Nebensätze angeschlossen werden:

Woher rührte der üble Geruch?
Die Aufregung rührt daher, dass es ein Missverständnis gegeben hat.

Das gilt auch für die allgemein gebräuchliche Wendung das rührt daher, dass:

Das rührt daher, dass der Kanzler sich in Schweigen hüllt.

Man könnte also sagen, dass das einfache rühren in Verbindung mit woher und daher an die Stelle des sonst üblichen herrühren tritt, wenn eher schwerfälliges  wovon … her oder davon her vermieden werden soll. Das ist hier sehr einfach und unauffällig, weil ja gewissermaßen ein her erhalten bleibt.

Die Formulierung das rührt daher, dass ist gebräuchlich und korrekt. Das rührt daher, dass wir manchmal mühelos von der einen zur anderen Konstruktion wechseln können, wenn dies einfacher ist oder besser klingt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eine mehrheitlich über dreißigjährige Motorradreisegruppe

Frage

Wie drücken wir folgendes sprachliches Phänomen aus? Ich lese in einer Motorradzeitschrift „eine mehrheitlich über dreißigjährige Motorradreisegruppe“. Ist dies der korrekte sprachliche Ausdruck für eine Motorradreisegruppe, die aus 30-plus-Teilnehmern besteht, also aus Teilnehmern, die mehrheitlich älter als dreißig Jahre alt sind?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

wenn man es genau nimmt, ist die Formulierung

eine mehrheitlich über dreißigjährige Motorradreisegruppe

nicht richtig, denn nicht die Motorradreisegruppe ist mehrheitlich über dreißigjährig, sondern deren Mitglieder. Korrekt wäre demnach zum Beispiel:

eine Motorradreisegruppe von mehrheitlich über Dreißigjährigen

Man kann die Formulierung aber auch als eine Art Metonymie betrachten: Eine Eigenschaft der Mitglieder (das Über-dreißigjährig-Sein) wird auf die Gruppe übertragen. Das ist bei Wendungen wie den folgenden üblicher:

eine junge Reisegruppe
eine mehrheitlich deutsche Touristengruppe
ein rein weibliches Team

Die Formulierung eine mehrheitlich über dreißigjährige Motorradreisegruppe hingegen klingt ungewöhnlich, ist entsprechend weniger gut verständlich und wird deshalb m. M. n. besser vermieden. Sie ist aber im Rahmen der „dichterischen Freiheit“ nicht ausgeschlossen.

Wenn eine sprachliche Konstruktion nicht ganz mit der Bedeutungsstruktur übereinstimmt, ist dies nicht immer zwangsläufig falsch. Das zeigen auch unter Sprachhütern berüchtigte Formulierungen der Art der theoretische Physiker und das fünfzigjährige Jubiläum oder die Schreibweise über dreißigjährig*.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

* Bei über dreißigjährig handelt es sich genau genommen um eine Kombination von über dreißig und -jährig. Wenn man diese Struktur respektieren wollte, müsste man über-dreißig-jährig schreiben. Als richtig gilt trotzdem nur über dreißigjährig.

Im Namen meiner Geschwister und mir?

Frage

In einem Dankschreiben lass ich neulich: „Im Namen meiner Geschwister und mir möchte ich mich für … bedanken.“ Frage: Ist das Personalpronomen im Dativ hier richtig?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

der Satz ist so nicht korrekt. Die Formulierung im Namen meiner Geschwister und in meinem Namen kann nicht in dieser Weise zusammengezogen werden. Der einfache Dativ mir passt nicht, denn es steht dann eigentlich: im Namen meiner Geschwister und [im Namen] mir.

Die einfachste Lösung ist, mir einfach wegzulassen. Im Prinzip gibt mich in mich bedanken schon an, dass der Dank auch von mir ausgeht:

Im Namen meiner Geschwister möchte ich mich für … bedanken.

Auch ich hätte aber die Neigung, stärker zu betonen, dass meine Geschwister und ich uns gemeinsam bedanken. Dann gibt es verschiedene andere Möglichkeiten. Man kann zum Beispiel alles ausformulieren:

Im Namen meiner Geschwister und in meinem Namen möchte ich mich für … bedanken.

Die Formulierung mich in meinem Namen bedanken wirkt auf mich hier allerdings etwas seltsam und wortreich.

Man kann auch statt des Genitivattributs meiner Geschwister ein Formulierung mit von wählen. Dann passt auch das einfache mir, weil ein weggelassenes von dazugedacht werden kann:

Im Namen von meinen Geschwistern und mir möchte ich mich für … bedanken.

Ich halte dies für eine gut vertretbare Formulierung, aber nicht allen gefällt der Ersatz des Genitivattributs durch ein von-Attribut. Eine bessere Lösung könnte dann ein einfaches auch sein:

Auch im Namen meiner Geschwister möchte ich mich für … bedanken.
Ich möchte mich auch im Namen meiner Geschwister für … bedanken.

Nicht alles lässt sich einfach kurz und bündig zusammenziehen. Dann muss man flexibel nach anderen Formulierungen Ausschau halten.

Mir freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ganz ohne „dass“: Ich hoffe, die Erklärung ist nützlich

Frage

Könnten Sie mir bitte bei folgendem „Problem“ behilflich sein? In einer deutschen Zeitung hab ich gelesen: „Ich hoffe, die Stadt hat sich nicht verändert.“ Fehlt hier nicht die Konjunktion „dass“ („Ich hoffe, dass sich die Stadt nicht verändert hat“)? Oder ist das korrekt so? Gibt es dazu eine Regel? Ich möchte diesen Artikel mit meinen Schülern im Unterricht lesen und wenn einer von ihnen danach fragt, dann wäre ich überfragt …

Antwort

Guten Tag Frau K.,

uneingeleitete Nebensätze kommen häufig bei der indirekten Rede vor:

Sie sagt, sie habe Hunger.
Er behauptet, er habe schon gegessen.

Das ist aber nicht der einzige Fall. Bei gewissen Verben – grob gesagt bei Verben, die eine Annahme oder einen Wunsch ausdrücken – kann ebenfalls ein nicht eingeleiteter Nebensatz stehen. Zum Beispiel:

Wir hoffen, das Wetter bleibt gut.
Ich denke, du solltest jetzt nach Hause gehen.
Man befürchtet, die Preise steigen noch weiter.
Glaubst du, ich habe nichts besseres zu tun?
Ich nahm an, er würde mir das Geld leihen.
Es ist besser, Sie kommen später noch einmal zurück (= Ich finde es besser, wenn …)

Diese uneingeleiteten Nebensätze gehören eher, aber nicht ausschließlich der gesprochenen Sprache an. In der gesprochenen Sprache kommen sie häufig vor. Sie können in der Regel durch einen dass-Satz ersetzt werden:

Wir hoffen, dass das Wetter gut bleibt.
Ich denke, dass du jetzt nach Hause gehen solltest.
Man befürchtet, dass die Preise noch weiter steigen.
Glaubst du, dass ich nichts besseres zu tun habe?
Ich nahm an, dass er mir das Geld leihen würde.
Es ist besser, dass/wenn Sie später noch einmal zurückkommen.

Es gibt keine präzise und feste Regel, bei welchen Verben solche uneingeleiteten Nebensätze möglich sind. Da aber in der Regel auch ein dass-Satz möglich ist, müssen Schüler und Schülerinnen im Fremdsprachenunterricht solche Sätze (vorerst) nur erkennen können.

Ich hoffe, diese Erklärung ist nützlich – oder in formalerem, geschriebenem Deutsch eher: Ich hoffe, dass diese Erklärung nützlich ist.

Ein schönes Wochenende, entweder von normaler Länge oder dank Halloween, Reformationstag oder Allerheiligen in verlängerter Form wünscht Ihnen

Dr. Bopp

Konjunktiv II: Bräuchte es auch „wöllte“ und „söllte“?

Frage

Ich höre immer mehr die Verbform „wöllte“ statt „wollte“ (als Konjunktiv). Dies scheint mir eine Analogie-Bildung zu „könnte“ zu sein, ist aber wohl (noch?) nicht korrekt. Wann kommt dann „söllte“? Was meinen Sie?

Antwort

Guten Tag Herr D.,

es ist tatsächlich anzunehmen, dass die Form wöllte eine Analogiebildung zu könnte, dürfte, müsste und wüsste ist. Durch den Umlaut unterscheiden sich diese Konjunktivformen deutlich vom Indikativ konnte, durfte, musste und wusste. Bei wollen und sollen hingegen wird nicht umgelautet (die Antwort auf die Frage nach dem Warum muss ich Ihnen an dieser Stelle schuldig bleiben). Dadurch gibt es bei wollen und sollen wie bei den regelmäßig konjugierten Verben keinen Unterschied zwischen dem Indikativ Präteritum und dem Konjunktiv II (Konjunktiv Präteritum): Die Form lautet in beiden Fällen wollte bzw. sollte.

Indikativ Präteritum Konjunktiv II (Präteritum)
durfte dürfte
konnte könnte
musste müsste
wusste wüsste
sollte sollte
wollte wollte

Es ist deshalb gar nicht so erstaunlich, dass die Formen wöllte und seltener auch söllte gebildet werden. Sie sind nicht nur in Übereinstimmung mit den entsprechenden Formen der anderen Modalverben (sowie von wissen), sondern auch ganz praktisch, weil sie den Konjunktiv so schön deutlich angeben.

Üblich und akzeptiert sind wöllte und söllte aber dennoch nicht. Ob oder wann es ihnen einmal gelingen wird, in die Standardsprache einzudringen, ist schwierig zu sagen. Vorläufig kommen sie dafür noch nicht häufig genug vor.

Eine andere Form, die mit den Modalverben verwandt ist, hat dies schon geschaft: bräuchte. In vielen Wörterbüchern und Grammatiken gilt bräuchte neben der regelmäßigen Form brauchte als standardsprachlich akzeptierte Konjunktivform.

Indikativ Präteritum Konjunktiv II (Präteritum)
brauchte brauchte/bräuchte

Während also die Verwendung von bräuchte mittlerweile mehr oder weniger problemlos ist (es gibt immer noch strengere Sprachhüter und -hüterinnen, denen diese Form gar nicht zusagt), sollte man die Formen wöllte und söllte (noch?) vermeiden, so praktisch sie auch sein mögen.

Diese Formen zeigen sehr schön, dass vieles, was in der Sprache als richtig gilt, weniger mit Logik und Effizienz als vielmehr mit allgemeinem Gebrauch und Konsens zu tun hat: Wenn es konnte/könnte, durfte/dürfte und musste/müsste heißt (Indikativ/Konjunktiv), müsste es logischerweise und praktischerweise auch wollte/wöllte und sollte/söllte sein. Gebräuchlich und akzeptiert sind aber nur wollte/wollte und sollte/sollte. Bei brauchte/brauchte bzw. brauchte/bräuchte ist heute sogar beides (mehr oder weniger) akzeptiert.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Davon und da … von

Frage

Darf man „davon“ einfach trennen? Ist „Da habe ich schon von gehört“ auch richtig oder stimmt nur „Davon habe ich schon gehört“?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

in der Standardsprache werden daran darauf, daraus, dabei, dadurch, dafür, dagegen, dahinter, darin/darein, damit, danach, daneben, darüber, darum, darunter, davon, davor, dazu, dazwischen nicht getrennt. Als richtig gilt im Standarddeutschen nur:

Davon habe ich schon gehört.
Dafür haben sie viel Geld bezahlt.
Ich habe nichts damit zu tun.
Sie wollten nichts dagegen unternehmen.

Er konnte sich nicht daran gewöhnen.
Ich habe schon viel darüber gelesen.
Sie hat schwer darunter gelitten.
Wie kommst du denn darauf?

Die getrennten Formen kommen – je nach Region mehr oder weniger häufig – in der Umgangssprache vor. Sie gelten standardsprachlich als nicht korrekt:

Da habe ich schon von gehört.
Da haben sie viel Geld für bezahlt.
Ich habe da nichts mit zu tun.
Sie wollten da nichts gegen unternehmen

Bei den Formen mit eingeschobenem r (daran, darauf usw.) steht anstelle der einfachen Präposition die entsprechende Form mit dr-:

Er konnte sich da nicht dran gewöhnen.
Ich habe da schon viel drüber gelesen.
Sie hat da schwer drunter gelitten.
Wie kommst du denn da drauf?

Auch mit Verdoppelung des da:

Da habe ich schon davon gehört.
Da haben sie viel Geld dafür bezahlt.
Ich habe da nichts damit zu tun.
Sie wollten da nichts dagegen unternehmen.
Er konnte sich da nicht daran gewöhnen
usw.

Siehe auch die entsprechenden Angaben auf dieser Seite in der LEO-Grammatik.

Die getrennten Formen gelten, wie bereits gesagt, in der deutschen Standardsprache als zu vermeiden oder als nicht richtig. Die einen verstehen vielleicht kaum, was an den getrennten Formen falsch sein soll, während sie anderen wahrscheinlich ein Gräuel sind. Die Ablehnung der getrennten Formen hat nichts mit sprachinterner Logik zu tun. Es ist ein stilistischer Entscheid. Das sieht man gut, wenn man kurz über die Sprachgrenze schaut: Im Niederländischen, einer Sprache die eng mit der unseren verwandt ist, gibt es (fast) dieselben Adverbien. Sie werden sehr häufig getrennt verwendet, und zwar auch in der Standardsprache:

Daarvan weet ik niets / Daar weet ik niets van.
(Davon weiß ich nichts / Da weiß ich nichts von.)

Da man den Niederländischsprechenden kaum kollektiv sprachliche Inkompetenz vorwerfen kann, muss man davon ausgehen, dass die getrennten Formen kein Ding der Unmöglichkeit sind. Im Deutschen sollten die getrennten Formen „trotzdem“ nur in der Umgangssprache verwendet werden. Grundsätzlich unmöglich sind sie nicht, aber ihr Ansehen ist bei uns (vorläufig noch?) schlecht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Kommt „zum einen“ ohne „zum anderen“ aus? 

Frage

In der Dudengrammatik, Rz 1832, findet man diese Formulierung:

(…) Das Tempus codiert zum einen den zeitlichen Zusammenhang von Aussagen im Text. Darüber hinaus geben Tempora Informationen über die Diskurssituation, in der der Textinhalt zur Sprache kommt (…)

Muss nicht „zum anderen“ folgen statt „darüber hinaus“, wenn der Satz (wie oben) mit „zum einen“ beginnt? […] Gehören „zum einen“ und „zum anderen“ zwingend zusammen? Dasselbe gilt auch für „einerseits“ und „andererseits“. Kann in einem Satz, der „einerseits“ folgt, „andererseits“ auch mal ersatzlos fehlen?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

wer A sagt, muss auch B sagen. Das gilt häufig, aber nicht immer. Wer zum einen, einerseits oder erstens verwendet, weckt bei den Leserinnen oder Hörern automatisch die Erwartung nach zum anderen, andererseits bzw. zweitens. Es empfiehlt sich deshalb, diese Gliederungselemente immer zusammen zu verwenden. Lässt man den zweiten Teil weg, kann das verwirrend sein, weil etwas stark Erwartetes nicht realisiert wird.

Ersatzloses Weglassen des zweiten Elementes ist nicht möglich. Wie Ihr Zitat aus der Dudengrammatik zeigt (Zum einen … Darüber hinaus …), ist das paarweise Auftreten aber dennoch nicht zwingend.  Wenn es dem Verständnis nicht im Wege steht, kann der zweite Teil durch ein anderes verbindendes Element wie darüber hinaus oder aber auch ersetzt werden. Ich würde dieses Vorgehen nicht empfehlen, aber für grundsätzlich falsch halte ich es nicht – immer vorausgesetzt, dass die Gliederung dessen, was gesagt werden soll, deutlich bleibt.

Zum einen kann also ohne zum anderen auskommen, falls ein anderes Element die Gliederung verdeutlicht. Zu empfehlen ist es aber nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Namenszusatz „von“: Darf man „von Bopp“ zu „v. Bopp“ verkürzen?

Frage

Keine weltbewegende Frage, für mich aber trotzdem interessant: Ist es korrekt, das „von“ von Nachnamen im Fließtext abzukürzen? Ein Beispiel: „Gerne wendet sich man bei Zweifelsfällen der deutschen Rechtschreibung an den bekannten Experten Dr. v. Bopp.“

Antwort

Guten Tag Frau S.,

es gibt keine verbindlichen Regeln dazu, welche Wörter man im Fließtext abkürzen „darf“ und welche nicht. Es ist im Allgemeinen nicht üblich, Wörter in durchgehenden Texten abzukürzen (allgemeine Abkürzungen, Maß- und Mengeneinheiten u. Ä. ausgenommen). Auch bei Eigennamen kürzt man nach meinem Empfinden besser nicht ab, sei es nur aus Gründen der Höflichkeit oder des Respekts. Verboten ist es aber nicht. Ob man abkürzt, kann auch von der Art des Textes abhängen, zum Beispiel ob es sich um eine Kurznachricht oder einen längeren Artikel handelt.

Auch praktisch bringt das Abkürzen von von nicht sehr viel: Die abgekürzte Variante ist nur zwei Zeichen kürzer und ein Punkt muss auch noch geschrieben werden. So gesehen lohnt sich das Abkürzen kaum: Otto von Bismarck ist nicht wesentlich länger als Otto v. Bismarck. Und auch bei Frau von der Leyen ist die Verkürzung zu Frau v. d. Leyen nicht wirklich eine große Einsparung, obwohl man sogar zwei Wörter abkürzen kann.

Einige Nachkommen deutscher Adelsfamilien scheinen allerdings ihren Namen mit v. zu schreiben, um ihr Adelsprädikat von Familiennamen mit „gewöhnlichem“ von zu unterscheiden. Das weiß allerdings kaum jemand und verbindlich ist es keineswegs. In Österreich sind Familiennamen mit von nicht gestattet und in der Schweiz hatten Adlige nie einen speziellen Status.

Ob Sie von zu v. verkürzen oder nicht, bleibt also Ihnen überlassen. Es verstößt gegen keine verbindliche Schreibregel.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp (weder mit von noch mit v. und schon gar nicht von Adel)

Wenn man kleiner wohnen will: der Traum vom kleiner Wohnen oder vom Kleinerwohnen?

Frage

Ich habe eine Frage zur korrekten Schreibung von substantivierten Verben mit adjektivischem Begleiter. Kürzlich wurde im TV eine Reportage gesendet mit dem Titel »Der Traum vom kleiner Wohnen«. Der Ausdruck »kleiner Wohnen« kommt mir hinsichtlich der Schreibung und auch stilistisch irgendwie seltsam vor, wobei ich nicht sicher bin, ob ich hier möglicherweise ein Problem sehe, wo gar keines ist.

Da es sich um eine Substantivierung des Verbs handelt, wird »Wohnen« folgerichtig großgeschrieben, das ist klar. Wenn es nun hieße »Der Traum vom kleineren Wohnen« hätte ich auch kein Problem, aber das »kleiner« scheint mir bei der Substantivierung des Verbs enger an letzteres gebunden zu sein. Müsste es deshalb nicht vielleicht »Traum vom Kleinerwohnen« oder »Traum vom Kleiner-Wohnen« heißen? […]

Noch ein paar Beispiele, die dem »kleiner Wohnen« ähneln, bei denen ich mir ebenfalls unsicher bin:

das gesünder Essen
das nachhaltiger Einkaufen
das umweltbewusster Reisen
das schonend Kochen
das fettarm Backen
das hübsch Verzieren

Völlig unproblematisch sind diese Wendungen, wenn das Adjektiv anders dekliniert wird:

das gesündere Essen
das nachhaltigere Einkaufen
das umweltbewusstere Reisen
das schonende Kochen
das fettarme Backen
das hübsche Verzieren

Drücken diese Wendungen aber wirklich dasselbe aus wie die obenstehenden? […]

Antwort

Guten Tag Herr K.,

Ihre Analyse ist korrekt. Hier ist die ganze Infinitivgruppe kleiner wohnen substantiviert. Dann gilt, dass aus zwei Wörtern bestehende (o. übersichtliche) Infinitivgruppen groß- und zusammengeschrieben werden:

das Kleinerwohnen
also: Der Traum vom Kleinerwohnen

das Gesünderessen
das Nachhaltigereinkaufen
das Schonenderkochen
das Umweltbewussterreisen
das Schonendkochen
das Fettarmbacken
das Hübschverzieren

Getrennt geschrieben wird, wenn das Adjektiv gebeugt ist:

das kleinere Wohnen
das gesündere Essen
das nachhaltigere Einkaufen
das schonendere Kochen
das umweltbewusstere Reisen
das schonendere Kochen
das fettarme Backen

Häufig gibt es keinen wesentlichen Bedeutungsunterschied zwischen den beiden Formulierungen. Dann ist stilistisch eindeutig die Variante mit einfachem Infinitiv und gebeugtem Adjektiv vorzuziehen. Substantivierte Infinitivgruppen verdienen selten den Schönheitspreis und sehen manchmal, wie die Beispiele oben von das Kleinerwohnen bis das Hübschverzieren, eher seltsam und gewöhnungsbedürftig aus.

In gewissen Fällen kann die Bedeutung unterschiedlich sein, wenn wie zum Beispiel bei das gesündere Essen der substantivierte Infinitiv eine andere Bedeutung hat oder haben kann als die reine Verbbedeutung (das Essen als Verbhandlung und das Essen als Mahlzeit oder Speise). Manchmal ist die getrennte Formulierung nicht möglich, wenn wie zum Beispiel bei hübsch verzieren das Adjektiv sich nicht auf das Verb, sondern auf ein Objekt bezieht (hübsch ist nicht das Verzieren, sondern das, was verziert wird). Und manchmal bin ich unsicher, ob eine Formulierung möglich ist: das kleinere Wohnen?? Eher nicht.

Ein ähnliches Thema behandelt dieser ältere Blogartikel.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Mittel- und Schwarzes Meer: Wie eng lassen sich Mittelmeer und Schwarzes Meer zusammenziehen?

Frage

Unlängst bin ich im Zuge einer Diskussion um den Ergänzungsstrich auf ein Problem gestoßen, bei dem ich im „Lehrbuch” keine Lösung finde. Es geht dabei um Formulierungen wie „die Maul- und Klauenseuche“. Nun ist die Frage aufgetaucht, ob man „das Mittelmeer und das Schwarze Meer“ der Vereinfachung halber mit „das Mittel- und Schwarze Meer“ abkürzen darf. Intuitiv sträuben sich bei mir die Nackenhaare bei solchen Eigennamen. Ich würde beides ausschreiben.

Antwort

Guten Tag Herr H.,

oft ist nicht genau geregelt, was man abkürzen bzw. zusammenziehen darf und was nicht. Wie in diesem Fall ist es häufig eine Frage des Geschmacks und des Stils. Ich persönlich würde hier nicht abkürzen:

das Mittelmeer und das Schwarze Meer
das Schwarze Meer und das Mittelmeer

Für akzeptabel halte ich allerdings auch diese Verkürzung:

das Mittel- und das Schwarze Meer
das Schwarze und das Mittelmeer

Nicht empfehlen würde ich eine Verkürzung, in der der zweite Artikel weggelassen wird. Der Artikel wird in einer Aufzählung in der Regel dann weggelassen, wenn die aufgezählten Begriffe zu einer Einheit zusammengefasst werden. Da die beiden Meere normalerweise als zwei selbständige Einheiten angesehen werden, ist es besser, den Artikel nicht wegzulassen:

besser nicht: das Mittelmeer und Schwarze Meer
besser nicht: das Mittel- und Schwarze Meer

Im Allgemeinen werden aufgezählte Eigennamen mit identischen Namensteilen vor allem dann verkürzt, wenn die Zusammensetzung sehr durchsichtig ist und an erster Stelle ein allgemeiner Begriff wie Nord-, Hinter-, Ober- usw. steht:

in Nord- und Westdeutschland
der Vorder- und der Hinterrhein
Ober- und Niederösterreich

Unüblich ist die Zusammenziehung dann, wenn die Einzelteile nicht oder weniger durchsichtig sind und ein allgemeiner Begriff wie -burg, -dorf, -heim usw. an zweiter Stelle steht. Zusammenziehungen wie die folgenden sind nicht üblich:

*Mann- und Weinheim
*von Straß- nach Freiburg
*zwischen Frank- und Erfurt

Das sind, wie eingangs angedeutet, keine eindeutigen und festen Regeln, die immer eingehalten werden. Die Verbindung das Mittel- und das Schwarze Meer liegt irgendwo zwischen den beiden oben genannten „Extremen“ und ist entsprechend ein stilistischer Zweifelsfall: Einige finden die Zusammenziehung problemlos, anderen gefällt sie nicht.

Weiter sei noch gesagt, dass kaum etwas wirklich ausgeschlossen ist, wie ein letzte Beispiel zeigt. Obwohl man üblicherweise von den Schweizer Kantonen Aargau und Thurgau spricht, ist die Zusammenziehung nicht völlig unmöglich:

Doch mehr als seine Reiter hilft ihm zu selber Stell
Die Kraft von Aar- und Thurgau und flinkes Volk aus Appenzell1

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 Abraham Emanuel Fröhlich, Ulrich Zwingli: 21 Gesänge, 1840, 3. Gesang